Verbändereport AUSGABE 1 / 2007

Die Ressourcen des Verbandes optimal nutzen

Projektbericht über die Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems und die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall

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Verbände sind in einer besonderen Umbruchphase struktureller Veränderungen in der Interessenvertretung. Die Verbandsbindung der Unternehmen muss hart erkämpft, die Unternehmen vom Nutzen der Mitgliedschaft mehr denn je überzeugt werden. Dabei stehen Verbände in einem verschärften Wettbewerb mit neuen selbstbewussten Anbietern von Interessenvertretung wie Anwaltskanzleien, Agenturen mit vielfältigen Lobby-Dienstleistungen und einer wachsenden Zahl von Unternehmensrepräsentanzen. Die Entwicklung vom Generalmandat zur Spezialaufgabe ist unübersehbar. Zudem nimmt der Wettbewerb auch zwischen den Verbänden deutlich zu. Und die Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie benötigen in einem immer härteren internationalen Wettbewerb an einem Standort, dessen demografische Veränderungen auch in der Beschäftigung erste Schatten vorauswerfen, vielfältigere und differenziertere Beratung.

Gesamtmetall hat sich dieser veränderten Wirklichkeit schon vor einiger Zeit konzeptionell gestellt (siehe Verbändereport 2/2005). Dazu gehörte – um einen wesentlichen Punkt herauszugreifen – die Öffnung für eine neue Form der Mitgliedschaft, die Mitgliedschaft für sogenannte OT-Verbände. Dies sind Arbeitgeberverbände, die den Unternehmen ohne Tarifbindung das ganze Feld verbandlicher Unterstützung außerhalb der Tarifbindung anbieten.

Um nach außen schlagkräftig zu sein und mehr Aufgaben noch effizienter zu erfüllen, gibt es nur einen Weg, die Ressourcen des Verbandes optimal zu nutzen. Zu diesem Zweck kamen die Kernaufgaben und die Arbeitsprozesse auf den Prüfstand, ausgehend davon, dass bei einem 35-köpfigen Team mit vielen Spezialisten die Arbeitsprozesse optimal gestaltet und aufeinander abgestimmt sein müssen. Mit dieser Zielsetzung beschäftigten wir uns in einer ersten Phase selbst, in der zweiten Phase dann mit externer Unterstützung, um die verschiedenen Arbeitsprozesse zu erfassen, zu analysieren und zu optimieren. Das Ergebnis dieser Arbeit ist mit dem Begriff der Zertifizierung dabei viel zu mager beschrieben.

Ziele der Zertifizierung

Für Gesamtmetall waren mit der „Zertifizierung“ folgende Ziele und Erwartungen verbunden: Transparenz in den Abläufen, genaue Kenntnis der Verantwortlichkeiten, kritisches Hinterfragen der Vorgehensweise, Erkennen von ineffizienten Prozessen und systematisches Korrigieren, Identifikation mit den eigenen Prozessen, Zwang zur kontinuierlichen Verbesserung.

Auch wenn unsere Geschäftsstelle „nur“ 35 Mitarbeiter hat, ist es für eine effiziente Ablauforganisation von großem Vorteil, wenn jeder die Abläufe kennt. Die Mitarbeiter wussten zwar auch bisher in groben Zügen, wer für welche Aufgaben zuständig ist. Dies ist nun aber im Intranet dokumentiert, sodass im Zweifel jeder die Möglichkeit hat, sich entsprechend zu informieren. Unter anderem können mit diesem Instrument alle Anfragen unmittelbar adressatengerecht vermittelt werden, da auch die Telefonzentrale alle Abläufe und die entsprechenden Verantwortlichkeiten dem Intranet entnehmen kann.

Da im Laufe des Projektes auch der „Ist-Zustand“ der Prozesse aufgenommen wurde, brachte es die Zertifizierung mit sich, dass sich jeder Mitarbeiter nochmals intensiv mit den eigenen Prozessen beschäftigen musste. In dem Bewusstsein, dass die eigenen Prozesse auch im Qualitätsmanagement-Handbuch veröffentlicht werden, war jeder Mitarbeiter daran interessiert, bereits im Vorfeld seine Prozesse zu optimieren. Somit wurden die Abläufe bereits vor der eigentlichen Veröffentlichung im Intranet kritisch hinterfragt und optimiert dargestellt. Allerdings besteht dabei die Gefahr, dass „Idealprozesse“ dokumentiert werden, die mit der Realität nichts gemein haben. Hier ist es die Aufgabe des Qualitätsmanagement-Beauftragten, darauf hinzuweisen, dass spätestens bei der Zertifizierung ein Abgleich zwischen Realität und Wunsch stattfindet. Nicht „gelebte“ Idealprozesse bringen zum einen den Verband nicht weiter, können zum anderen darüber hinaus schlimmstenfalls sogar den Erfolg des gesamten Projektes gefährden.

Erwartungen an die Zertifizierung

Bei der Projektplanung wurden neben den Zielen auch unsere Erwartungen an eine Zertifizierung formuliert. Dies war wichtig, um berechtigter Kritik entgegentreten zu können. Folgendes wollte Gesamtmetall unbedingt im Rahmen der Zertifizierung sichern: keine Standardisierung von Prozessen, die auf Kosten der Kreativität und Spontaneität der Mitarbeiter geht; keine Dokumentationspflichten, die lediglich der Norm dienen und keinen Beitrag zur Steigerung der Effizienz leisten; keine Offenlegung von Netzwerken, deren Funktionieren auf verlässlicher Vertraulichkeit beruht; kein Regelwerk, das die Mitarbeiter nötigt, sich mehr mit der Form der Arbeit als mit deren Inhalt zu beschäftigen.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Zertifizierung

Ganz am Anfang galt es die Mitarbeiter mitzunehmen. Die Zweifel, ob eine Zertifizierung für die Verbandsarbeit hilfreich ist, konnten nur ausgeräumt werden, indem die Geschäftsführung bei zahlreichen Informationsveranstaltungen die Beweggründe, Vorteile und Ziele der Zertifizierung ausführlich darstellte und erläuterte. Dass die Befürchtungen der Mitarbeiter ernst genommen wurden und letztlich auch die Kritiker überzeugt werden konnten, war Grundlage für die erfolgreiche Durchführung des gesamten Projektes.

Genauso wichtig für das Gelingen war es, dass eine engagierte Geschäftsführung dem Projekt die volle Aufmerksamkeit und Unterstützung entgegenbrachte. Insbesondere für den Projektleiter war es unerlässlich, mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet und sich der Unterstützung der Geschäftsführung sicher zu sein. Eine Erkenntnis: Der Projektleiter sollte im Anschluss an die Zertifizierung auch die Aufgabe des Qualitätsmanagement-Beauftragten innehaben, um den begonnenen Weg ohne Reibungsverluste fortsetzen zu können.

Darüber hinaus mussten auch die Mitgliedsverbände von der Richtigkeit der Zertifizierung überzeugt werden. Zu diesem Zweck wurden im Vorfeld alle relevanten Gremien über Ziele und Erwartungen informiert. Sie wurden in das Projekt eingebunden und regelmäßig über den Projektstand unterrichtet.

Höchste Zielpriorität des Projektes hatte stets die Schaffung eines „Mehrwertes“ für die Verbandsarbeit. Die Erfüllung der Normanforderungen der DIN EN ISO 9001:2000 und die Erlangung eines Zertifikates waren „nur“ ein willkommenes Nebenprodukt, standen aber zunächst nicht im Zentrum unserer Bemühungen. Wir haben uns folglich bei der Projektdurchführung auch nicht von der ISO leiten lassen, sondern uns ausschließlich auf die notwendigen und hilfreichen Aspekte unserer Verbandsarbeit konzentriert. Erst zeitnah zur eigentlichen Zertifizierung wurde unser QM-System auf seine ISO-Normkonformität hin überprüft.

Partner bei der Einführung des QM-Systems

Das mögliche Zeitfenster für die Umsetzung des Zertifizierungsprojektes war im Jahr 2006 äußerst begrenzt. Ende April wurde die Tarifrunde 2006 abgeschlossen. Aufgrund der Kürze der Laufzeit des Tarifvertrages von 13 Monaten war auch klar, dass spätestens Anfang Dezember 2006 alle personellen Ressourcen für die Vorbereitungen der neuen Tarifrunde gebunden sein würden.

Ein solch enger Zeitplan – es standen lediglich viereinhalb Monate zur Verfügung – wäre ohne externe Unterstützung nicht zu realisieren gewesen. Aus diesem Grund haben wir die TQU ifqm GmbH (Institut für Qualität und Management) gebeten, ein nach DIN EN ISO 9001:2000 zertifiziertes Managementsystem bei Gesamtmetall aufzubauen.

Die eigentliche Zertifizierung unseres Qualitätsmanagement-Systems sollte dann die TÜV Rheinland Group übernehmen.

Projektplanung und -durchführung

Die Auftaktveranstaltung des Projektes „Zertifizierung“ fand am 19. Juni 2006 statt. TQU informierte im Rahmen einer Mitarbeiterveranstaltung alle Mitarbeiter detailliert über den geplanten Projektablauf. In dieser Phase war es wichtig, alle Mitarbeiter in das Projekt einzubeziehen und mitzunehmen, selbst dann, wenn ihre Arbeit nicht unmittelbar von der Zertifizierung betroffen war.

Das Projekt gliederte sich in die folgenden Phasen, wobei die einzelnen Projektphasen teilweise parallel abgewickelt werden mussten (s. Schaubild)

Managementmodell erarbeiten

In zahlreichen Meetings wurde das Gesamtmetall-Managementmodell entwickelt. Im Zentrum aller Bemühungen von Gesamtmetall steht der Kunde. Unsere Kunden sind unmittelbar unsere Mitgliedsverbände, mittelbar auch deren Mitgliedsunternehmen. Alle Prozesse müssen auf den Kunden ausgerichtet sein, sodass stets eine bestmögliche Leistung erbracht werden kann.

Die drei Kernprozesse „Modernisierung Flächentarifvertrag“, „Beeinflussung sozialpolitischer Entscheidungen“ und „Sicherung M+E-Nachwuchs“ beschreiben die Wertschöpfung von Gesamtmetall in Richtung der Kunden.

Die fünf Bindungsprozesse „Lösungen entwickeln und umsetzen“, „Service anbieten – Mehrwert schaffen“, „Entscheidungen vorbereiten – Meinungen vertreten“, „Beobachten und bewerten“ sowie „Internationale Beziehungen“ definieren Leistungsanforderungen, welche in den jeweiligen Kernprozessen realisiert sind.

Die Fokusprozesse „Interne & externe Kommunikation“, „Best Practice Sharing“ und „Projektmanagement“ bilden die Basis der erfolgreichen Leistungserbringung von Gesamtmetall und sind in allen Prozessen verwirklicht.

Die unterstützenden Prozesse gewährleisten die Fokussierung der Kernprozesse auf die Wertschöpfung in Richtung der Kunden.

Erfassung des Prozessnetzwerkes

Parallel wurden alle bestehenden Prozesse aufgenommen und bewertet. Die Aufnahme der Ist-Prozesse erfolgte ausschließlich durch den externen Berater, der in zahlreichen Einzelgesprächen die Prozesse der Mitarbeiter strukturiert und visualisiert hat. Die meisten Prozesse werden als Workflow dargestellt. Dies hat unseres Erachtens den Vorteil, dass die Prozessabläufe auch von Dritten leichter nachvollzogen werden können.

Einzelprozesse definieren und modifizieren

Bereits in der Phase der Aufnahme des Ist-Zustandes wurden die Prozesse in Zusammenarbeit mit TQU modifiziert. Hier war es besonders hilfreich, dass uns auch jemand mit Unternehmensbackground ein Feedback für unsere Prozesse geben konnte. Anregungen wurden konstruktiv diskutiert und – sofern dies für die Arbeit hilfreich war – unmittelbar in den Prozessen umgesetzt. Es war jedoch trotz aller Anregungen wichtig, dass nur nachprüfbar „gelebte“ Prozesse Eingang in das Qualitätsmanagement-Handbuch gefunden haben.

Begleitung der Prozessumsetzung

Sofern bei der Bestandsaufnahme Optimierungs- und Veränderungsmaßnahmen möglich waren, wurden diese in Abstimmung mit den Prozessverantwortlichen auch unmittelbar umgesetzt.

Interne Systemaudits

Die ISO-Norm fordert, dass jährlich interne Audits durchgeführt werden. Die internen Audits haben wir an zwei Tagen von einem weiteren externen Berater durchführen lassen. Das Ziel des internen Systemaudits war die Bewertung der Wirksamkeit der QM-Maßnahmen im Rahmen des Gesamtmetall-Managementsystems hinsichtlich Umsetzung der festgelegten Prozesse, Erfüllung der relevanten Forderungen aus der DIN EN ISO 9001:2000 und Ermittlung möglicher Verbesserungspotenziale.

Die internen Systemaudits hatten somit einen anderen Fokus. War bisher ausschließliches Ziel, Verbesserungspotenzial für die künftige Verbandsarbeit zu erschließen, musste nun die Konformität zu den ISO-Anforderungen hergestellt werden. Schließlich sollte Gesamtmetall in rd. sechs Wochen durch den TÜV entsprechend den Normforderungen der ISO zertifiziert werden.

Es hat sich gezeigt, dass es sehr hilfreich war, die Audits von einem anderen externen Berater durchführen zu lassen. Gesamtmetall hat auf diese Weise weitere wertvolle Hinweise und Anregungen erhalten, um den Anforderungen der ISO-Zertifizierung entsprechen zu können.

Managementbewertung

Ein weiterer Meilenstein folgte Anfang Oktober 2006: die von der ISO-Norm geforderte Managementbewertung. An der ersten Managementbewertung in der Geschichte Gesamtmetalls nahmen neben dem Berater, die Geschäftsführung sowie der Qualitätsmanagement-Beauftragte teil. In dieser Diskussionsrunde wurden insbesondere folgende Themen erörtert: die Ergebnisse der internen Audits, die Zielerreichung und Systembewertung des Jahres 2006 – wobei die Bewertung anhand von Kennzahlen erfolgte, die durch die Mitglieder- und Mitarbeiterbefragung gewonnen wurden –, die interne Zielbewertung durch die Geschäftsführung, der Fokus des Managementsystems des Jahres 2007, die erforderlichen Maßnahmen zur Umsetzung der vereinbarten Ziele der Managementbewertung.

Zertifizierungsvorbereitung und Zertifizierung

In der letzten Phase mussten die Mitarbeiter gezielt auf die eigentliche Zertifizierung vorbereitet werden. In einer Mitarbeiterversammlung wurden alle darüber informiert, was sie bei der Zertifizierung erwartet und was der Auditor von Gesamtmetall erwartet. Die Begrifflichkeiten, die Besonderheiten unserer Dokumentation sowie einige Formalien wurden nochmals in komprimierter Form den Mitarbeitern verabreicht, sodass jeder mit einem guten Gefühl in die Zertifizierung gehen konnte.

Die Zertifizierung wurde vom 30. Oktober 2006 bis 1. November 2006 von der TÜV Rheinland Group durchgeführt. Es war zunächst Überzeugungs- und Transferarbeit zu leisten, da unser QM-System an einigen Stellen von der in der Industrie üblichen Form, jedoch nicht von der Norm abweicht. So wird beispielsweise bei Gesamtmetall die ISO-Norm „Produktentwicklung“ ausschließlich über das Projektmanagement erfüllt. Es war ohne Zweifel Transferleistung nötig, um die ISO-Norm eins zu eins auf die Verbandsarbeit übertragen zu können. Dennoch waren wir jederzeit davon überzeugt, dass das Gesamtmetall-QM-System der ISO-Norm entspricht, sodass wir mit Ausnahme der „Mess- und Prüfmittel“ auch nichts ausschließen wollten. So ist es uns im ersten Anlauf gelungen, das Zertifikat ohne eine einzige Abweichung zu erhalten.

Ausblick und künftige Aufgaben

Die Zertifizierung ist ein dynamischer Prozess, der mit Erteilung des Zertifikates durch den TÜV eigentlich erst richtig begonnen hat. Nun ist es an der Zeit, die Früchte der Arbeit zu ernten. Dazu ist es notwendig, dass das neu entwickelte Management-System konsolidiert und dann stetig weiterentwickelt und neuen Begebenheiten angepasst wird.

Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter mit den Zertifizierungsergebnissen arbeiten, dass sie ihre Prozesse „leben“ und diese stetig optimieren. Zu diesem Zweck können die Mitarbeiter nun per Datenbank im Intranet auf die komplette Dokumentation einschließlich aller Workflows zugreifen. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, dass jeder Mitarbeiter Kommentare und Verbesserungsmöglichkeiten der Prozesse einpflegen kann. Der Prozessverantwortliche wird automatisch darüber informiert, sobald Änderungen seinen Prozess betreffen. Sofern die Änderungen akzeptiert werden, wird eine neue Version des Prozesses generiert. Der Änderungs- und Pflegedienst erfolgt demnach ausschließlich elektronisch.

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