Auf der Suche nach immer neuen Produkten und Dienstleistungen zur Steigerung der Mitgliederbindung und -gewinnung sollte ein Verband seine Kernaufgaben nicht vernachlässigen. Je nach strategischer Ausrichtung gehört dazu neben der Bündelung und Vertretung von Brancheninteressen in der politischen Öffentlichkeit, der Netzwerkbildung zwischen den Verbandsmitgliedern sowie der Wissensvermittlung in Ausschüssen und auf Veranstaltungen bei vielen Verbänden nach wie vor die Sammlung, Analyse und Ergebnisinterpretation von statistischen Branchenkennzahlen und -daten.
Dies trifft insbesondere für die Verbandsorganisationen der Wirtschaft zu, die Unternehmen des produzierenden Gewerbes in sich vereinigen. Typischerweise behandeln solche statistischen Erhebungen und Vergleiche Ergebnis- und Finanzkennzahlen, Produktions- und Stückkosten, Wertschöpfung, realisierte und/oder geplante Investitionen, Personal- und andere Kostenvergleiche, Krankenstände oder Preis-, Umsatz-, Absatz-, Lager- und Orderentwicklung der teilnehmenden Unternehmen. Diese Auflistung ließe sich sicher noch beliebig ausweiten. Bei der Konzeption und Durchführung dieser Vergleiche gilt es selbstverständlich immer, die einschlägigen wettbewerbs- und kartellrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen.
Die industrielle Fertigung in westlichen Wirtschaftssystemen ist aufgrund ihres relativen Personalkostenniveaus im internationalen Vergleich durch hohe Stückkosten charakterisiert. Sowohl innerhalb der eigenen Branche als auch gegenüber ausländischen Wettbewerbern können Marktteilnehmer ihre Position bestenfalls durch Innovationen, Wissensvorsprünge, mindestens aber durch die optimale Ausnutzung ihrer Fertigungsanlagen behaupten und ausbauen. Diese Produktivmittel sind oftmals kapitalintensiv, das heißt, sie müssen über die Laufzeit ihrer Nutzung die durch die Investitionskostenrechnung vorgegebenen Ziele erfüllen.
Dieser Sachverhalt trifft insbesondere für die deutsche Faltschachtel-Industrie zu. Seit vielen Jahren gehört es daher zum Aufgabenspektrum des FFI Fachverbands Faltschachtel-Industrie e.V., seinen Mitgliedsunternehmen einen Zugang zu einem Branchenvergleich über die Kapazitätsausnutzung der Produktionsmaschinen zu verschaffen („Maschinenleistungsvergleich“).
Kurzer Abriss über die industrielle Produktion von Faltschachteln
Verkaufsverpackungen aus Karton (= Vollpappe, nicht Wellpappe) werden im Branchenjargon als Faltschachteln bezeichnet. Man begegnet ihnen als Konsument täglich an den verschiedensten Endverkaufsstellen: im Kaufhaus, im Supermarkt, in der Apotheke, der Drogerie …
Zu den unterschiedlichen Anwendungsgattungen von Faltschachteln zählen: Cerealien, Tiefkühlkost, Fertig- und Conveniencegerichte, Nährstoffe (Zucker, Salz), Tee, Kaffee, Filtertüten, Kekse und Backwaren, Schokolade und Süßwaren, Tiernahrung, Körperpflege, Kosmetik, Haarcolorationen, Zigaretten und Tabakwaren, Seifen, Reinigungs- und Waschmittel, Haushalts- und Elektrokleingeräte, Schuhe, Spielwaren und Medikamente.
Auf dem Weg zu ihren Endverkaufsstellen und im Regal selbst erfüllen Faltschachteln verschiedenste Funktionen: Sie garantieren einen sicheren und beschädigungsfreien Transport des Packungsinhalts in der Logistikkette vom Abfüller der Markenartikel und Handelswaren bis zu den Verkaufsstellen und lassen sich dabei platzsparend stapeln sowie im Regal positionieren. Dort, am „Point of Sale“ angelangt, informieren die Faltschachteln im Mindesten über den Packungsinhalt. Besser kommunizieren sie aber darüber hinaus mithilfe eines ansprechenden Verpackungsdesigns die Marke und stimulieren die Konsumenten so zum Kauf des Produkts. Von technischer Seite her stehen den Faltschachtelproduzenten dafür verschiedene Möglichkeiten der „Veredelungen“ der Verpackung zur Verfügung wie zum Beispiel Gold- oder Silberfolien- sowie Reliefprägungen oder auch „Befensterungen“, die den Blick auf das Produkt selbst ermöglichen.
Typischerweise produzieren die Abfüller ihre Packmittel nicht selbst, sondern kaufen diese von ihren Lieferanten (hier: Faltschachtelhersteller) zu.
Die Herstellung von Faltschachteln gliedert sich in drei wesentliche Produktionsstufen:
1. In der Druckmaschine werden zumeist in einem Durchlauf nacheinander die verschiedenen Farben auf die zunächst noch weiße Oberseite eines Kartonbogens aufgetragen, die am Ende zusammen ein Motiv (= Verpackungsdesign) ergeben. Dabei gilt es, durch eine optimale Anordnung möglichst vieler „Nutzen“ (= Verpackungen) die Fläche des Kartonbogens bestmöglich zu belegen.
2. In der Stanzmaschine werden anschließend die Nutzen ausgestanzt und mit Rilllinien versehen, die die späteren Kanten der dreidimensionalen Verpackung bilden.
3. In der Faltschachtelklebemaschine werden die Nutzen entlang den Rilllinien „umgebrochen“ und so verklebt, dass sie am Ende dieses dreistufigen Produktionsprozesses „flachgelegt“ und in Transportkartons verpackt an die Kunden in der Markenartikelindustrie ausgeliefert werden können, wo sie dann maschinell „aufgerichtet“ und befüllt werden.
Der neue Maschinenleistungsvergleich auf dem FFI-Statistik-Portal
Unabhängig von der theoretisch maximalen Ausbringungsmenge dieser Produktionsmaschinen hängt die tatsächliche „Performance“ von einer Reihe von Parametern ab:
— von der Auftragsstruktur, das heißt vom Umfang (Auflage) sowie der Anzahl der Aufträge, da je nach Maschinentyp unterschiedliche Zeiten für die Auftragswechsel („Rüstzeiten“ für Maschinenreinigung und Wechsel von Druckplatten, Stanzformen …) zu kalkulieren sind,
— von der „Qualität“ der Aufträge, das heißt zum Beispiel von der Anzahl der zu druckenden Farben,
— von der Maschinenbesatzung, das heißt von der Anzahl des Bedienerpersonals, welches den Fortlauf steuert und kontrolliert und die Rüstvorgänge bei Auftragswechseln durchführt, und
— vom Arbeitszeit-/Schichtmodell des Unternehmens.
Der neue FFI-Maschinenleistungsvergleich wurde zunächst für die Produktionsstufen Drucken und Stanzen konzipiert und bildet die erste Komponente eines neuen onlinegestützten Statistikportals auf der Homepage des FFI im Internet.
Der FFI führt bereits seit Jahren Umfragen für Maschinenkennzahlen bei seinen Mitgliedern durch. Die bisherige Daten-erhebung fand allerdings papierbasiert statt, das heißt, die teilnehmenden Unternehmen hatten ausgefüllte Formulare mit den eigenen Betriebskennzahlen an die Erhebungsstelle zu schicken und erhielten nach Ende der Auswertung einen Ergebnisbericht, ebenfalls als Hardcopy.
Dieses Angebot wurde aber von den Mitgliedern immer seltener genutzt. Deshalb sollte ein neues, auf einer modernen Internetlösung basierendes Erhebungssystem entwickelt und damit wieder mehr Teilnehmer für die jährliche Umfrage gewonnen werden.
Die Eigenschaften des Statistik-Portals
„Minimaler Erhebungsaufwand bei gleichzeitig hohem Nutzen für die Teilnehmer“
Dieses stärkste Argument für die Attraktivität einer statistischen Erhebung mag trivial klingen und oft strapaziert sein. Dennoch wurde dieser Leitgedanke der Konzeption zugrunde gelegt. Er beinhaltet zum einen, dass eine Maschine, mit der ein Unternehmen am Vergleich teilnehmen will, nur einmal in der Administrationsdatenbank des Systems angelegt werden muss. Lediglich die variablen, jährlichen Leistungsdaten müssen dann noch in den Folgejahren eingegeben werden. Zum anderen wird den Teilnehmern kein starrer und schriftlicher Ergebnisbericht übersandt, vielmehr haben die Teilnehmer die Möglichkeit, online die sie interessierenden Auswertungen und Grafiken auszuwählen sowie die kompletten Datensätze via Excel-Export auszulesen, um sie individuell auszuwerten und aufzubereiten.
Anonymität der Ergebnisse
Alle dargestellten Ergebnisse erhalten eine anonyme Maschinennummer, die bei jeder neuen Maschine aufsteigend vergeben wird. Damit kann der einzelne Teilnehmer keine Rückschlüsse auf die jeweiligen anderen teilnehmenden Firmen ziehen.
Registrierte Teilnehmer
Auf Ergebnisse kann nur von registrierten und freigeschalteten Unternehmen zugegriffen werden. Registrierte Teilnehmer ohne Eingaben sind automatisch für die Ergebnisansicht gesperrt.
Anwenderfreundlichkeit
Bei den Teilnehmern selbst ist kein EDV-technischer Installationsaufwand erforderlich. Ein allseits bekannter und eingesetzter Internetbrowser (zum Beispiel Explorer oder Firefox) und eine vertraute Benutzer-Oberfläche in Anlehnung an das Design des Internetauftritts des FFI sorgen für einen zügigen Einstieg. Die in den Formularfeldern online einzugebenden Kennzahlen orientieren sich an den Betriebsdaten, die in den Unternehmen vorliegen (sollten).
Datenkorrektheit
Während der Dateneingabe führt das System automatisch Plausibilitätsprüfungen durch, um den späteren Verifizierungsaufwand durch den Administrator zu verringern. So sind zum Beispiel beim FFI-Vergleich nur Werte im Bereich zwischen sechs und zwölf Stunden als Sollzeit für eine Arbeitsschicht eingebbar.
Vor Abschluss der Umfrage überprüft der Systembetreuer (Verbandsgeschäftsstelle) alle Ergebnisse auf Validität. Im Anschluss kann ein Jahresvergleich vom Administrator für weitere Eingaben oder spätere Änderungen durch die Teilnehmer gesperrt, das heißt in der Datenbank festgeschrieben werden.
Exportfunktionalität
Der Datenexport der anonymisierten Ergebnisse ermöglicht weitere Auswertungen durch die Teilnehmer selbst.
Modularer Aufbau
Das Statistikportal ist modular aufgebaut, um jederzeit weitere Module ergänzen zu können.
Sicherheit
Der Schutz vor unbefugtem Zugriff ist durch Vergabe von Benutzerkennungen, Passwörtern und die Überprüfung der Zugangsberechtigung nach erfolgter Anmeldung an das System gegeben. Nur für die Mitarbeiter der Verbandsgeschäftsstelle besteht die Möglichkeit, Nutzer zu sperren oder freizuschalten. Der gesamte Datenbestand wird täglich gesichert. Ein Administrator kontrolliert die technische Lauffähigkeit des Systems und korrigiert aufgetretene Fehler.
Der Ablauf einer Umfrage
Zum Start des Statistikportals werden die potenziellen Teilnehmer vom Verband per Mail zur Teilnahme eingeladen. In dieser Nachricht sind der Link des Portals und eine Aufforderung zur Registrierung enthalten. Nach erfolgter Registrierung entscheidet ein Verbandsmitarbeiter über die Freischaltung, die danach per E-Mail automatisch an den Teilnehmer gesendet wird. Nach der Freischaltung ist der Druckmaschinenpark der teilnehmenden Firma einmalig anzulegen.
Die Erhebung der Druckmaschinen
Auf Basis des angelegten Druckmaschinenparks kann anschließend die Erhebung für ein vergangenes Jahr erfolgen. Abb. 1 zeigt den Erhebungsbogen. Als Erstes ist eine noch nicht erhobene Druckmaschine auszuwählen. Danach erscheinen Kriterien zur Maschinenbelegung und geleistete Zeiten. Hinter jeder Eingabe liegen fest definierte Bereichsgrenzen, sodass nur gültige Werte akzeptiert werden. Zum schnellen Überblick dienen Informationsfelder, die durch Auswahl des Kriteriums angezeigt werden. Im Beispiel erhält der Nutzer die Information, dass Soll-Arbeitstage/Jahr im Wertebereich zwischen 200 und 300 Tagen liegen müssen.
Die Ergebnisse
Nachdem der Teilnehmer alle Druckmaschinen erhoben hat, können bereits die eigenen Ergebnisse angesehen werden. Abb. 2 zeigt eine Liste mit sechs teilnehmenden Druckmaschinen. In der Ergebnisliste sind die eigenen Maschinen mit den ermittelten Kennzahlen „Beschäftigungsgrad zur Sollbeschäftigung“, „Rüstgrad“ aufgeführt. Diese Übersicht dient zur Selbstkontrolle der Datenkorrektheit. Wenn der Teilnehmer das Ergebnis geprüft hat, kann er dies durch Setzen eines Hakens in der letzten Spalte bestätigen. Sind Fehleingaben aufgetreten, so kann die Erhebung vor Umfrageschluss geändert werden.
Im unteren Ergebnisbereich sind da-rüber hinaus grafische Auswertungen aufrufbar, diese zum jetzigen Zeitpunkt nur mit den Daten des Teilnehmers. Nach Umfrageschluss sind auch die Ergebnisse der anderen Teilnehmer verfügbar.
Hierbei können Auswertungen zur „durchschnittlichen Auflage“, zum „Beschäftigungsgrad“, der „Laufleistung“ aufgerufen werden. Zur besseren Einordnung ist die Selektion der Ergebnismenge nach den bei der Anlage einer Druckmaschine festgelegten Kriterien möglich. Neben einzelnen Maschinen können auch Firmenwerte verglichen werden. Dabei werden Durchschnittswerte jeder Firma gebildet. Zusätzlich können alle anonymisierten Werte eines Jahres exportiert werden, um beliebige eigene Auswertungen zu erstellen.
Die Ergebnisse als dynamische Grafiken
Schließlich sind die Ergebnisse in dynamischen Grafiken darstellbar. Abb. 3 zeigt den Beschäftigungsgrad bei normalem 3-Schicht-Betrieb aller Druckmaschinen. Die eigene Erhebung ist dabei grün markiert. In diesem Beispiel gibt es also sechs weitere Maschinen anderer Teilnehmer. Der Durchschnittswert der jeweiligen Grafik ist als Linie erkennbar.
Dieser Überblick stellt die wesentlichen Elemente des ersten Moduls des Statistikportals dar. Für Interessierte ist das Statistikportal unter folgendem Link als Testsystem mit allgemeinem Zugang und Testdaten verfügbar: http://test.ffi-statistik.de.
Fazit
Nach Fertigstellung des Statistikportals Mitte 2007 startete die Umfrage „Maschinenleistungsvergleich“ für das Jahr 2006. Diese Umfrage war der Gradmesser für die Akzeptanz des neuen FFI-Statistik-Portals. Bei einer Teilnahme von weniger als zehn Firmen sollte das Projekt als gescheitert gelten, da die Ergebnisse zum einen nicht repräsentativ wären und zum anderen von den Teilnehmern durch geschicktes „Erraten“ von Daten Rückschlüsse auf andere Teilnehmer hätten gezogen werden können. Es nahmen jedoch 25 Firmen (ein Drittel der Verbandsmitglieder) mit 49 Erhebungen für Druckmaschinen und 65 Erhebungen für Stanzmaschinen teil, dabei auch jeweils ein Unternehmen aus Österreich und der Schweiz. Aufgrund der guten Akzeptanz soll das Statistikportal fortgeführt und sukzessive um weitere Module ergänzt werden.
Verbandsstatistik für andere Verbände
Auch für weitere Verbände kann ein Statistikportal von Nutzen sein, da der Erhebungs- und Verwaltungsaufwand verringert und den Teilnehmern mit minimalem Aufwand ein deutlicher Mehrwert geliefert wird. Allerdings sind Statistikportale nur teilweise standardisierbar, da jeder Verband individuelle Anforderungen hat.
Kontakt
FFI Fachverband Faltschachtel-Industrie e.V.
Lyoner Str. 14, 60528 Frankfurt am Main
Telefon: (0 69) 89 012-0, christian.schiffers@ffi.de, www.ffi.de