Verbändereport AUSGABE 3 / 1999

Dynamisches Verbandsmanagement

Phasen- und krisengerechte Führung von Verbänden

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Auch Verbände durchlaufen von ihrer Gründung bis zu ihrem möglichen Ende typische Entwicklungsphasen, wobei die Phasenübergänge durch Krisen gekennzeichnet sind, zu deren Bewältigung eine Neuausrichtung des Verbandes und seiner Strukturen erforderlich ist. Das ist das Ergebnis einer kürzlich von dem Verbandsforscher Prof. Dr. Burkhard von Velsen-Zerweck unter dem Titel „Dynamisches Verbandsmanagement“ vorgelegten Studie.

Und wie bei der noch aus dem Biologieunterricht bekannte Haeckelschen Hypothese, wonach im Bereich der Fauna die Ontogenese eine verkürzte Wiederholung der Phylogenese ist, zeigen sich auch in der Evolution sozialer Organisationen vergleichbar ähnliche Prozesse und Strukturen.

Denn trotz aller berechtigten Vorbehalte vor einer allzu glatten Gleichsetzung evolutionärer Prozesse von sozialen und biologischen Organisationen, können nämlich Erkenntnisse anderer Wissenschaftsdisziplinen, wie etwa die Theorie der Instabilitäten fern von Gleichgewichtszuständen, wie sie vor allem von der „Brüsseler Schule“ um den Biochemiker Ilya Prigogine entwickelt worden ist, oder die Prozesse spontaner Selbstorganisation, wie sie Haken in der „Synergetik“ untersucht, gleichwohl einen heuristischen Wert für die Untersuchung von „Lebenszyklen“ sozialer Organismen wie Verbände aufweisen.

Phylogenese: Historische Entwicklungsphasen von Verbänden

Unter Phylogenese wird die evolutionäre Stammesentwicklung einer Spezies verstanden, während der Begriff Ontogenese die Einzelentwicklung eines individuellen Lebewesens bezeichnet. Phylogenetisch lassen sich in Europa folgende historische Entwicklungsphasen von Verbänden unterscheiden:

  1. Phase (1800 - 1871): Anfänge organisierter Interessenvertretung
  2. Phase (1871 - 1914): Entstehung eines Interessenverbandssystems
  3. Phase (1914 - 1933): Wandel des Interessenverbandssystems
  4. Phase (1933 - 1945): Verformung des Interessenverbandssystems ("Gleichschaltung")
  5. Phase (seit 1945): Wiederherstellung des Interessenverbandssystems

Diese Typisierung geht auf H.-P. Ullmann zurück, der sie 1988 seiner Untersuchung „Interessenverbände in Deutschland“ zu Grunde gelegt hat. Ulrich von Alemann unterscheidet vier historische Entwicklungsphasen von Verbänden:

  1. Phase (1848 - 1914): Entstehung
  2. Phase (1914 - 1933): Entfaltung
  3. Phase (1933 - 1945): Zwangskorporative Formierung
  4. Phase (seit 1945): Ausdifferenzierung und Festigung

Nach von Alemann lassen sich vier große politische Konfliktfelder in Europa unterscheiden, die für die Entstehung von Verbänden ursächlich geworden sind:

Konflikt Kapital

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