In zahlreichen Berufs- und Wirtschaftsverbänden werden die Mitgliedsbeiträge als steuerlich völlig unproblematisch behandelt. Vielfach ist das Argument zu hören, die subjektive Steuerbefreiung der Berufs- und Wirtschaftsverbände gemäß §5 Abs. 1 Nr.5 KStG mache weitgehend Überlegungen in steuerlicher Hinsicht überflüssig. Dem ist jedoch nicht so - jedenfalls nicht in dieser allgemeinen Form. Steuerliche Auswirkungen können sich im Einzelfall vielmehr sowohl bei der Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer ergeben.
Wann handelt es sich begrifflich um Mitgliedsbeiträge?
Die Finanzverwaltung behandelt gem. Abschnitt 38 Abs. 2 der amtlichen Körperschaftssteuer-Richtlinien 1995 Zahlungen der Mitglieder an einen Berufs- oder Wirtschaftsverband als Mitgliedsbeiträge, wenn die Satzung
- Art oder Höhe der Mitgliedsbeiträge bestimmt, oder
- einen bestimmten Berechnungsmaßstab vorsieht, oder
- ein Organe bezeichnet, das die Beiträge der Höhe nach erkennbar festsetzt.
Abschnitt 4 Abs. 2 der amtlichen Umsatzsteuer-Richtlinien 1996 verlangt die gleichmäßige Berechnung nach einem für alle Mitglieder verbindlichen Bemessungsmaßstab. Die Finanzverwaltung sieht die Gleichmäßigkeit jedoch als gewahrt an, wenn die Beiträge nach einer für alle Mitglieder einheitlichen Staffel erhoben werden oder die Höhe der Beiträge nach persönlichen Merkmalen der Mitglieder, z.B. Lebensalter, Stand, Vermögen, Einkommen oder Umsatz abgestuft wird.
Echte und unechte Mitgliedsbeiträge bei der Körperschaftsteuer
Richtig ist, dass Mitgliedsbeiträge kraft der allgemeinen Bestimmung in § 8 Abs. 6 KStG nicht als der Körperschaftsteuer unterliegende Einnahmen gelten. Denn nach dieser Vorschrift bleiben bei Personen Vereinigungen - also auch den Berufs- und Wirtschaftsverbänden - für die Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens "Beiträge, die auf Grund der Satzung von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglied erhoben werden, außer Ansatz". Diese Vorschrift, die sich auf die Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens bezieht, gilt auch für nichtrechtsfähig oder rechtsfähige Vereine.
§ 8 Abs.6 KStG ist jedoch für Berufs- und Wirtschaftsverbände so lange ohne Bedeutung, als diese keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten. Denn für Berufs -und Wirtschaftsverbände ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist wegen der subjektiven Steuerbefreiung nach § 5 Abs.1 Nr. 5 KStG keine Einkommensermittlung durchzuführen.
Diese Betrachtungsweise ändert sich jedoch, wenn ein Berufs- oder Wirtschaftsverband einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne de §14 AO unterhält. Für diesen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ist, da der Verband mit diesem einer partiellen Körperschaftsteuerpflicht unterliegt, eine Einkommensermittlung durchzuführen, bei der zunächst die Körperschaftsteuerpflichtigen Einnahmen zu erfassen sind.
Hier gewinnt auch § 8 Abs. 6 KStG für Berufs- und Wirtschaftsverbände praktisch an Bedeutung. Die Befreiung gilt nur für Mitgliedsbeiträge, die "von Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglied erhoben werden". In der Praxis ist häufig die Meinung anzutreffen, allein die Bezeichnung als "Mitgliedsbeitrag" und seine Erhebung auf der Grundlage einer Beitragsordnung seien ausreichend, um die Geldzahlung als steuerlich irrelevanten Mitgliedsbeitrag behandeln zu können. Diese geht mit der (irrigen) Auffassung einher, steuerpflichtige Einnahmen könnten bei Berufs- und Wirtschaftsverbänden nur vorliegen, wenn für eine besondere Leistung des Verbandes an seine Mitglieder auch ein besonders Entgelt gezahlt wurde.
Diese Auffassung verkennt, dass der Bundesfinanzhof in langjähriger, ständiger Rechtsprechung (seit dem Urteil vom5.6.1953- I 104/52 U-, BStBl. 1953 III 212, im Anschluss an den RFH) einen anderen Denkansatz vertritt. Der BFH stellt nicht auf das äußere Erscheinungsbild der Zahlung als "Mitgliedsbeitrag" ab, sondern auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Ist der Mitgliedsbeitrag - ganz oder teilweise - ein verdecktes Entgelt für eine konkrete Leistung an das betreffende Mitglied, so entfällt nach BFH der Beitragscharakter. In diesen Fällen ist der Mitgliedsbeitrag - zumindest teilweise - als körperschaftsteuerpflichtige Einnahme zu behandeln. Da es sich insoweit nicht um "echte" Mitgliedsbeiträge, sondern um ein Entgelt in der (äußeren) Form eines Mitgliedsbeitrages handelt, hat sich hierfür der Terminus "unechter Mitgliedsbeitrag" eingebürgert.
Besonders instruktiv hierzu ist das BFH-Urteil vom 9.2.1965 (Az. I 25/63 U, BStBl. 1965 III, 294), in dem das Gericht zur Steuerpflicht von Haus- und Grundbesitzvereinen oder Mietervereinen Stellung genommen hat, die u.a. eine durch Mitgliedsbeiträge gedeckte Rechtsberatung und Prozessführung anbieten. Dazu der BFH: "Wird diese Tätigkeit von den Mitgliedern nicht zu ihrem vollen Wert entgolten, d.h. werden die durch ihre Leistung des Vereins verursachte Unkosten durch die Entgelte nicht voll gedeckt, so ist es gerechtfertigt anzunehmen, dass in den Mitgliedsbeiträgen Leistungsentgelte enthalten sind.. . Soweit die Summe aus (geschätzten) 20 Prozent der Beitragseinnahmen und den Einnahmen aus Prozessvertretung die Aufwendung für die Rechtsabteilung übersteigt, liegt ein körperschaftsteuerlicher Gewinn vor."
Die Finanzverwaltung folgt der Rechtssprechung des BFH. Dies ergibt sich für die Körperschaftsteuer aus Abschnitt 38 Abs. 1, 3 der amtlichen Körperschaftsteuer-Richtlinien1995.
Echte und unechte Mitgliedsbeiträge bei der Gewerbesteuer
Berufs- und Wirtschaftsverbände unterliegen gemäß § 2 Abs. 3 GewStG mit ihrem Gewerbeertrag aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) der Gewerbesteuer. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages werden echte Mitgliedsbeiträge nicht angesetzt. Unechte Mitgliedsbeiträge sind jedoch wie bei der Körperschaftsteuer zu behandeln. Die körperschaftssteuerliche Einordnung als echte oder unechte Mitgliedsbeiträge gilt in gleicher Weise für die Gewerbesteuer (BFH, Urteil vom 12.7.1955 - I 104/53 U -, BStBl. 1955 III, 271).
Echte und unechte Mitgliedsbeiträge bei der Umsatzsteuer
Bei der Umsatzsteuer kommt es darauf an, ob sich eine Leistung und eine Gegenleistung im Sinne eines Leistungsaustauschs gegenüberstehen. Bejahendenfalls liegt ein sog. umsatzsteuerbarer Vorgang vor. Dieser führt, sofern nicht eine der zahlreichen Befreiungsvorschriften des UStG eingreift, zur Umsatzsteuerpflicht des Leistungsaustauschs. Spezielle Umsatzsteuer - Befreiungsvorschriften für Berufs- und Wirtschaftsverbände gibt es - sieht man einmal von § 4 Nr. 22a UStG betreffend bestimmte Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art ab - nicht. Auch ist die steuerliche Systematik im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich anders als bei den Ertragsteuern (Körperschaft- und Gewerbesteuer). Trotzdem stellt sich die Abgrenzungsfrage zwischen echten und unechten Mitgliedsbeiträgen auch bei der Umsatzsteuerfrage.
Grundsätzlich stellen Mitgliedsbeiträge kein Entgelt für eine bestimmte Leistung des Verbandes an das Mitglied dar, sondern einen Solidarbeitrag, der die Existenz des Berufs- und Wirtschaftsverbandes erst ermöglicht. Daher versteht sich die Regelung, die in Abschnitt 4 Abs. 1 Satz 1 der amtlichen Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR 1996) getroffen ist:
"Soweit eine Vereinigung zur Erfüllung ihrer Gesamtbelange sämtlicher Mitglieder dienenden satzungsgemäßen Gemeinschaftszweck tätig wird und hierfür echte Mitgliedsbeiträge erhebt, die dazu bestimmt sind, ihr die Erfüllung dieser Aufgaben zu ermöglichen, fehlt es an einem Leistungsaustausch mit dem einzelnen Mitglied."
Dies schließt indessen nicht aus, dass ein Berufs- und Wirtschaftsverband im Einzelfall gegenüber einzelnen oder mehreren seiner Mitglieder auch Individualleistungen im Eigeninteresse des Mitgliedes erbringt. Werden in diesem Fall die Kosten nicht oder nicht vollständig durch ein Einzelentgelt des begünstigten Mitgliedes gedeckt, sondern ganz oder teilweise aus dem Mitgliedsbeitrag, so nimmt die Rechtsprechung auch hier einen unechten Mitgliedsbeitrag an. Dieser hat den Charakter eines umsatzsteuerlichen Entgelts und unterliegt daher der Umsatzsteuer. Der BFH (Urteil vom 9.5.1974 - V R 128/71 -, BStBl. II 1974, 530) hat hierzu ausgeführt: "Erbringt der Verein... auch oder nur Leistungen, die den Sonderinteressen der einzelnen Mitglieder dienen, liegt insoweit Leistungsaustausch vor. Die hierfür erhobenen (unechten) Mitgliedsbeiträge sind Leistungsentgelte."
Wie wird die Höhe des unechten Mitgliedsbeitrages ermittelt?
Die exakte Höhe des steuerlich relevanten Mitgliedsbeitrags lässt sich in der Praxis häufig nicht ermitteln. Die Finanzverwaltung greift in diesem Fall bei steuerlichen Betriebsprüfungen zu Schätzungen. Abschnitt 4 Abs. 7 UStG regelt dazu:
"Bewirkt eine Vereinigung Leistungen, die zum Teil den Einzelbelangen, zum Teil den Gesamtbelangen der Mitglieder dienen, so sind die Beitragszahlungen in Entgelte für steuerbare Leistungen und in echte Mitgliedsbeiträge aufzuteilen.. . Der auf die steuerbaren Leistungen entfallende Anteil der Beiträge entspricht der Bemessungsgrundlage, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG anzusetzen ist."
Bemessungsgrundlage sind grundsätzlich die Kosten. Diese müssen jedoch in der Praxis häufig mangels eines aussagekräftigen internen Rechnungswesens ebenfalls geschätzt werden. Da die Schätzungen einzelfallbezogen vorgenommen werden, lassen sich über die Höhe einer Schätzung im vorhinein kaum zuverlässige Aussagen machen.