Verbändereport AUSGABE 2 / 2012

Erste OLG-Entscheidung zu virtuellen Mitgliederversammlungen liegt vor

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Die Frage, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen Mitgliederversammlungen auch online durchgeführt werden können (virtuelle Mitgliederversammlungen), war bislang obergerichtlich noch nicht geklärt. Mit der Entscheidung des OLG Hamm vom 27.09.2011 (Az.: I-27 W 106/11) hat sich das nun geändert. Anders als noch das Amtsgericht hielten die OLG-Richter eine virtuelle Mitgliederversammlung grundsätzlich für möglich.

Das Vereinsregister hatte die Eintragung einer Satzungsänderung abgelehnt, mit der die Einführung einer virtuellen Mitgliederversammlung ermöglicht werden sollte. Es ging um einen Verein zur Selbsthilfe und Hilfestellung für Menschen mit Alkoholproblemen und deren Angehörigen. Der Vereinszweck sollte laut Satzung insbesondere über die Präsenz des Vereins im Internet erreicht werden.

Um diese Neuregelung ging es

Neben einigen anderen Änderungen in der Satzung sollte § 11 der Satzung wie folgt neu gefasst werden:

Der Vorstand lädt, unter Angabe der vorläufigen Tagesordnung, mit einer Frist von vier Wochen zur Mitgliederversammlung per E-Mail an die letzte vom Mitglied dem Vorstand mitgeteilte E-Mail-Adresse bzw. auf ausdrücklichen Wunsch des Mitglieds, das über keinen eigenen Internetzugang verfügt, per einfachen Brief postalisch. Für die ordnungsgemäße Einladung genügt jeweils die Absendung der E-Mail bzw. des Briefes. Die Mitglieder können binnen zwei Wochen die Aufnahme weiterer Punkte beantragen; in eiligen Fällen kann der Vorstand eine Tagesordnung festsetzen, ohne Gelegenheit zur Aufnahme weiterer Punkte zu geben. Verspätet eingegangene Anträge finden keine Berücksichtigung. Der Vorstand kann hiervon Ausnahmen machen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt wird oder andere Gründe, insbesondere die Verfahrensökonomie, die Aufnahme des Punkts rechtfertigen. Der Vorstand entscheidet nach billigem Ermessen.

Die Mitgliederversammlung erfolgt entweder real oder virtuell (Onlineverfahren) in einem nur für Mitglieder mit ihren Legitimationsdaten und einem gesonderten Zugangswort zugänglichen Chat-Raum.

Im Onlineverfahren wird das jeweils nur für die aktuelle Versammlung gültige Zugangswort mit einer gesonderten E-Mail unmittelbar vor der Versammlung, maximal drei Stunden davor, bekannt gegeben. Ausreichend ist dabei die ordnungsgemäße Absendung der E-Mail an die letzte dem Vorstand bekannt gegebene E-Mail-Adresse des jeweiligen Mitglieds. Mitglieder, die über keine E-Mail-Adresse verfügen, erhalten das Zugangswort per Post an die letzte dem Vorstand bekannt gegebene Adresse. Ausreichend ist die ordnungsgemäße Absendung des Briefes zwei Tage vor der Mitgliederversammlung. Sämtliche Mitglieder sind verpflichtet, ihre Legitimationsdaten und das Zugangswort keinem Dritten zugänglich zu machen und unter strengem Verschluss zu halten.

Vorstandsversammlungen und Versammlungen der ordentlichen Mitglieder können ebenfalls online oder in Schriftform erfolgen.

Diese Eintragung lehnte das Vereinsregister mit verschiedenen Argumenten ab. Das OLG hielt die Satzungsänderung materiell für zulässig.

Eine „virtuelle Mitgliederversammlung“ ist zulässig

Das Gericht stellte zunächst fest, dass es nicht zu beanstanden ist, dass die Satzung eine virtuelle Mitgliederversammlung vorsieht. Das Gericht sah hier eine nach § 40 BGB zulässige Abweichung von § 32 BGB, der grundsätzlich eine reale Versammlung der Mitglieder vorsieht. Es handele sich hierbei um eine nach § 40 BGB zulässige Ausgestaltung der Binnenstruktur des Vereins. Das Gericht schloss sich damit der herrschenden Auffassung in der Literatur an.

Der Umstand, dass § 11 Abs. 2 der Satzung alternativ eine reale oder eine virtuelle Mitgliederversammlung vorsieht, führte gleichfalls nicht zu Beanstandungen. Auch dies ist nach Ansicht des OLG Hamm von der Satzungsautonomie gedeckt. Das Gericht wies lediglich darauf hin, dass die Vereinsmitglieder rechtzeitig über den Modus der jeweils stattfindenden Versammlung informiert werden müssen. Dies könne mit der Einladung geschehen.

Das OLG sah auch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass nur Vereinsmitglieder an der Online-Versammlung teilnehmen können. Denn die Satzung sieht in § 11 Abs. 3 ausdrücklich vor, dass die Mitgliederversammlung in einem nur für die Mitglieder mit ihren Legitimationsdaten und einem gesonderten Zugangswort zugänglichen Chatroom erfolgt. Das Gericht betonte weiter, dass die Mitglieder per Satzung ausdrücklich die Verpflichtung auferlegt bekommen haben, die Legitimationsdaten und das Zugangswort unter Verschluss zu halten.

In der Tat ist die mögliche Beteiligung von Nichtmitgliedern an einer Online-Versammlung eines der größten Probleme bei einer virtuellen Mitgliederversammlung. Eine Satzungsregelung, die die Mitglieder ausdrücklich verpflichtet, die Zugangsdaten unter Verschluss zu halten, ist daher unbedingt zu empfehlen.

Schließlich konnte das Gericht auch keine unangemessene Benachteiligung der Vereinsmitglieder erkennen, die entweder über keinen eigenen Computer oder über keinen eigenen Internetzugang verfügen. Abgesehen davon, dass der Verein seinen Vereinszweck laut Satzung ausdrücklich über die Internetpräsenz verwirklichen wollte, muss er auch nicht einem beliebigen Personenkreis offenstehen. Er muss daher nicht jede mögliche Kommunikationsmöglichkeit vorsehen. Außerdem betonte das Gericht, dass auch die Nutzung öffentlicher Internetzugänge (Internetcafé o. Ä.) für Vereinsmitglieder zumutbar ist.

Fazit

Eine virtuelle Mitgliederversammlung ist sicherlich nicht für jeden Verband oder Verein geeignet. Denn sie hat unter anderen den Nachteil, dass die Möglichkeit zum persönlichen Austausch unter den Mitgliedern eingeschränkt wird. Auf der anderen Seite kann es für internetaffine Verbände oder Verbände, deren Mitglieder weit verstreut sind, eine interessante Alternative sein. Insofern ist es zu begrüßen, dass mit dieser ersten OLG-Entscheidung Klarheit über Voraussetzungen und Zulässigkeit von virtuellen Mitgliederversammlungen geschaffen wurde. 

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