Verbändereport AUSGABE 4 / 2007

Fingerspitzengefühl

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Im Gefüge zwischen Bürgern, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Interessenlagen stehen Verbände als Scharnier, als ausgleichendes und moderierendes Element, per se in der Öffentlichkeit. Gleichwohl ist ihre Öffentlichkeit nicht mit der jener Einzelakteure wie zum Beispiel Wirtschaftsunternehmen oder Parteien vergleichbar. Verbände wirken nach innen wie nach außen. Ohne den Resonanzboden der Medien sind Verbandsziele zumeist nicht wahrnehmbar und daher chancenlos in Politik und Gesellschaft, Pressearbeit mithin das Gleitmittel jenes Scharniers.

Die Präsenz von Verbänden in den Medien steht in direktem Zusammenhang mit dem Ansehen bei Mitgliedern. So wie verbandliche Pressearbeit auch direkt nach innen wirkt. Kein Geheimnis ist, dass präsente Verbände von zufriedeneren und loyaleren Mitgliedern getragen werden.

Die Herausforderungen für Verbände in erfolgreicher Pressearbeit sind somit mannigfaltig: Von der Präsentation verbandlicher Standpunkte über den Ausgleich differierender Meinungen eigener Mitglieder bis hin zu Maßnahmen während Krisensituationen reichen die Handlungsfelder. Die Intensität und folglich die Maßnahmen, notwendig, um die Ziele zu erreichen, variieren in großer Breite. Es gibt schließlich nicht den Verband, sondern nur viele Verbände. Einzelne nach innen gerichtete Tätigkeitszwecke und andere nach außen gerichtete Ziele lassen sich PR-planerisch nicht immer leicht vereinbaren. Diese Doppelfunktion verbandlicher Pressearbeit gilt es zu beachten.

Jedoch birgt diese Doppelfunktion auch Chancen für Synergien, zur Verringerung von sogenannten Streuverlusten und im Allgemeinen für die Professionalisierung von Verbandsarbeit. So lassen sich trotz großer Arbeits- und Zielunterscheidungen von Verbänden und verwandten Organisationen einige Praxishinweise ableiten.

1. Pressearbeit ist Chefsache

Authentizität ist ein Hauptmerkmal erfolgreicher Pressearbeit. Nur wer wichtige Informationen durch die richtige Person vermittelt, erarbeitet sich Vertrauen und Ansehen. Das heißt aber auch, dass nicht nur in Richtung der Medien kommuniziert wird, sondern mit ihnen. Die Fähigkeit, auf Fragen reagieren zu können und inhaltlich fit zu sein, ist ebenso notwendig wie die Urteilsfähigkeit, eigenes Unwissen zu erkennen. Jeder wird verstehen, wenn im Falle von Tiefen- oder Fachwissen ein Referent zurate gezogen wird.

2. Plane langfristig und strategisch

Es kann nicht Aufgabe sein, zu jedem Lüftchen eine Wolke in die Pressewelt zu malen. Aus dieser Wolke wird schnell ein Wölkchen und die Stellungnahme verpufft im Nichts. Gut geplant ist halb veröffentlicht: Nur zu wichtigen Sachverhalten, zu denen selbst auch inhaltlich beigetragen werden kann, sollte Pressearbeit betrieben werden. Auch können Inhalte auf die Agenda gesetzt werden, wenn entsprechende Umstände es zulassen.

3. Spreche mit Journalisten

Journalismus ist auch Vertrauensfrage. Vor allem in der Beurteilung der Kompetenz des Gegenübers, der Kompetenz des Verbandes. Regelmäßige Gespräche, formell im Rahmen von Hintergrundkreisen oder informell, sind unabdingbar, um Gehör zu finden. Schließlich schärfen diese Gespräche auch das eigene Verständnis für die Arbeitsweise von Journalisten.

4. „Rede über dass, was Du tust“

Über Dinge und Sachverhalte Mitteilungen zu veröffentlichen, die nur der Veröffentlichungsstatistik dienen, erhöht das Risiko, in Ablage P zu enden. Mittelfristig ist der Papierkorb unter diesen Umständen unabdingbar. Nicht nur leidet die verbandliche Integrität unter dieser Art von Nullmeldungen, auch verbaut sich der Verband mit einem solchen Vorgehen den Weg zum Journalisten in wirklich wichtigen Augenblicken. Ergo: im eigenen Revier jagen und mit der eigenen Erfahrungskompetenz brillieren.

5. Nutze verschiedene Medien

Je nach Art der Information existieren verschiedene Wege zu dessen Verbreitung; Medienarbeit „von unten“ ebenso wie die gezielte Beschickung großer Verteiler. Alle haben ihre Vorteile. Diese zu erkennen und gezielt nutzbar zu machen, ob nun Online-Pressemitteilung oder gezielter Anruf ausgewählter Journalisten, ist ein Muss in erfolgreicher Pressearbeit.

6. Plane für den Ernstfall einer Krise

Krisen gibt es nicht. Es gibt nur Chancen. Nun gut, mag man denken. Das sehen andere jedoch unter Umständen ganz anders, und wenn in derartigen Umständen nicht angemessen reagiert wird, wächst sich der Schaden aus, die Heilung wird zunehmend aufwendiger. Ausgewogenes Krisenmanagement besteht zu einem großen Teil aus Pressearbeit in der breitesten Ausdehnung und feinfühligsten Weise. Diese zu durchdenken und regelmäßig den Verlauf eigener Themen in den Medien zu beobachten, um im Vorhinein zu wissen, welche Informationen für Journalisten notwendig sein könnten, eigene Statements vorzubereiten und die Reaktion unter stressigen Situationen (Interviews) zu trainieren, ist Aufgabe von Krisen-PR.

Fazit: Verbände arbeiten, wenn sie nach außen verlautbaren, automatisch auch nach innen, zu ihren Mitgliedern. Pressearbeit von Verbänden ist Inhalte-Vermitteln mit Fingerspitzengefühl. Nicht marktschreierisch jedem Thema hinterherzulaufen, sondern wohlgesetzt Themen anzusprechen, ist die Maxime guter Verbands-PR. Deshalb ist sie vielfältiger und facettenreicher als die in Unternehmen und erfordert mehr Sensibilität. (TR)

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