Dies sind die zentralen Ergebnisse der ersten verbandsübergreifenden Vergleichsstudie zur Mitgliederzufriedenheit und Mitgliederbindung in deutschen Verbänden. Mit den Ergebnissen liegen nun auch für die Verbandswelt erstmals Kennziffern für das externe Benchmarking in Sachen Mitgliederorientierung vor, an denen sich Verbände durch ihre Teilnahme am 2. Mitgliederfocus Deutschland 2002 messen können.
Hintergrund, Ziele und Vorgehensweise
Der wachsende Wettbewerb auf den „Mitgliedermärkten“, der durch die Konkurrenz privater Anbieter verschärft wird, geht mit einer zunehmenden Kosten-Nutzen-Kalkulation einher. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Themen Mitgliederzufriedenheit und Mitgliederbindung zunehmend an Bedeutung. Die Steigerung von Zufriedenheit und Bindung der Bestandsmitglieder zählt heute zu den wichtigsten strategischen Zielen des modernen Verbandsmanagements, zumal ein Verband wesentlich mehr finanzielle Mittel investieren muss, um ein neues Mitglied zu gewinnen, als ein Bestandsmitglied zu binden. Darüber hinaus tragen zufriedene Mitglieder ihre positiven Erfahrungen häufiger weiter und fungieren als die entscheidenden Multiplikatoren für die Neumitgliedergewinnung.
Für ein konsequentes Mitgliederzufriedenheits- und Member-Relationship-Management (MRM) werden Informationen über den Stand und die Entwicklung der Zufriedenheit und Bindung unter den Mitgliedern sowie diese beeinflussende Faktoren benötigt, die nur über regelmäsige und systematische Mitgliederbefragungen gewonnen werden können. Insgesamt führen solche kontinuierlichen Studien jedoch nur wenige Verbände durch, so dass die empirische Datengrundlage für die Umsetzung einer konsequenten Mitgliederorientierung bisher weitgehend fehlte. Diese Datengrundlage wurde für die teilnehmenden Verbände durch den 1. Mitgliederfocus Deutschland 2001 geschaffen und wird durch die jährliche Durchführung der verbandsübergreifenden Mitgliederbefragungen auf Dauer fortgeführt
Die Teilnahme am Mitgliederfocus Deutschland ermöglicht den Verbänden einen direkten Vergleich. Um die Erwartungen der Mitglieder richtig einschätzen zu können, benötigt man zusätzlich zu den Angaben der eigenen Mitglieder auch Vergleichswerte von Mitgliedern anderer Verbände. Gelangt man beispielsweise zur Überzeugung, die eigenen Mitglieder seien mit bestimmten Leistungen besonders unzufrieden, lohnt sich ein Blick auf die Bewertung der Wettbewerber, bevor Masnahmen zur Verbesserung initiiert werden: Werden die Mitbewerber ähnlich oder noch schlechter bewertet, ist es sinnvoll, diesen Einsatz von knappen Ressourcen zu überdenken. Eine Durchschnittsbewertung von 2,1 auf einer Skala von 1 „sehr zufrieden“ bis 5 „sehr unzufrieden“ kann eine Katastrophe sein, wenn alle Konkurrenten bei 1,9 liegen. Umgekehrt relativiert sich eine 2,9 als Bewertung, wenn dies im Vergleich zu anderen Verbänden der Spitzenwert ist. Aus diesem externen Benchmarking erlangen die Verbände somit Kenntnisse über ihre Positionierung auf den „Mitgliedermärkten“ und können diese im Erfahrungsaustausch nutzen, um von den Spitzenreitern in Sachen Mitgliederorientierung zu lernen.
Die Themen, die im Rahmen des 1. Mitgliederfocus Deutschland 2001 abgebildet wurden und über 2002 hinaus nun durch jährliche Zeitreihen fortgeführt werden sollen, umfassen folgende Aspekte:
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Image der teilnehmenden Verbände bei den befragten Mitgliedern
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Aktuelle und zukünftige Anforderungen / Erwartungen an die Verbände
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Mitgliederzufriedenheit, gegliedert in drei Ebenen:
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Globalzufriedenheit mit dem Verband insgesamt
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Zufriedenheit mit zentralen Leistungsbereichen (z. B. Interessenvertretung, Information)
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Zufriedenheit mit Einzelleistungen innerhalb der Leistungsbereiche
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Wichtigkeit von Leistungsbereichen und Einzelleistungen („satisfaction drivers“)
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Verknüpfung von Zufriedenheit und Wichtigkeit
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Mitgliederbindung (z. B. Dauer der Mitgliedschaft, Weiterempfehlungsbereitschaft)
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soziodemographische Merkmale
Diese Befragungsinhalte wurden anhand der Ergebnisse eines Workshops mit Vertretern aus Verbänden und Wissenschaft erarbeitet. Ein buntes Spektrum von Unternehmens- und Wirtschaftsverbänden, Berufs- und Fachverbänden, Naturschutz- und karitativen Organisationen hat bereits dort gezeigt, dass die zentralen zukünftigen Herausforderungen - insbesondere aus der Perspektive der Mitglieder - für alle Verbände im Spannungsfeld zwischen Interessenvertretung und Dienstleistung sehr ähnlich sind. Die gemeinsam erarbeiteten Inhalte wurden in einen Fragebogen umgesetzt. Mit Vortests wurde der Fragebogen auf Handhabbarkeit und Verständlichkeit überprüft und in Abstimmung mit führenden Verbandsexperten modifiziert.
Aus der Gesamtheit der Verbandsmitglieder eines jeden Verbandes wurde in Abhängigkeit von der Verbandsgröße eine repräsentative Zufallstichprobe gezogen. Insgesamt wurden 1.753 telefonische Interviews im Jahre 2001 geführt.
Die Ergebnisse wurden über alle teilnehmenden Verbände hinweg und individuell für jeden Verband speziell analysiert und grafisch aufbereitet. Dies ermöglicht einen Vergleich mit den globalen Ergebnissen über alle teilnehmenden Verbände hinweg (externer Benchmark). Für die Ermittlung der Benchmarkwerte wurden die Stichprobengrößen neutralisiert, d. h. alle Verbände gingen mit dem gleichen Gewicht in die Globalwerte ein. Dadurch wurden Verzerrungen verhindert, die aus einer ungleichen Anzahl von Interviews pro Verband resultieren. Im Folgenden stehen ausschließlich globale Ergebnisse für die Mitglieder aller teilnehmenden Verbände im Vordergrund.
Image der Verbände
Als ein zentrales Thema des 1. Mitgliederfocus Deutschland 2001 wurde das Image der Verbände analysiert. Das Image beeinflusst die Wahrnehmung und die Bewertung von Leistungen und damit auch die Zufriedenheit der Mitglieder. Denn Zufriedenheit ist keine Größe, die allein von objektiven Kriterien bestimmt wird. Zufriedenheit entsteht als Ergebnis eines Beurteilungsprozesses, in dem die wahrgenommene Leistung mit den eigenen Anforderungen und Erwartungen verglichen wird. Auch das allgemeine und subjektive Bild vom Verband spielt in diese Wahrnehmung und den Vergleich hinein („soft values“). Darüber hinaus ist das Image für die Gewinnung von neuen Mitgliedern von Bedeutung, weil die Wahl eines Verbandes nicht zuletzt von diesen subjektiven Eindrücken abhängt.
Das Image der Verbände wurde durch zehn „Image-Items“ getestet, deren durchschnittliche Bewertungen in Abbildung 1 dargestellt sind. Diese Items bringen Aspekte des Images zum Ausdruck, die im Vorfeld durch die Teilnehmer im Workshop als relevant für die Verbände definiert worden waren. Die befragten Personen bewerteten die Items auf einer Skala von 1 „stimme vollständig zu“ bis 5 „stimme überhaupt nicht zu“. Der besseren Darstellbarkeit halber wurden die Werte auf eine Skala von 0 bis 100 übertragen. Höhere Werte spiegeln dadurch eine bessere Bewertung wider. Eine „1“ entspricht 100 Punkten, eine „2“ 75 Punkten, eine „3“ 50 Punkten, eine „4“ 25 Punkten und eine „5“ 0 Punkten. Aus den erhobenen Werten wurden gewichtete Mittelwerte gebildet.
Abb. 1: Bewertung von vorgegebenen Image-Items (gewichtet)
Am stärksten unter allen Image-Items werden den teilnehmenden Verbänden demnach global eine sehr hohe fachliche Kompetenz und Zuverlässigkeit zugeschrieben (76 und 73 Punkte). Der Imagefaktor Innovation und Zukunftsorientierung wird mit 67 Punkten bewertet. Werte zwischen 62 und 65 Punkten erzielen die Aussagen zu den Image-Aspekten Mitgliederorientierung, Repräsentanten, Ansehen in der Fachöffentlichkeit und Transparenz. Mit 58 bis 56 Punkten schneiden die Verbände in den Augen der befragten Mitglieder am schlechtesten bei den Image-Faktoren Flexibilität, Einfluss und Individualität in der Mitgliederbetreuung ab.
In welchen Bereichen des Images aus der Perspektive der Mitglieder Verbesserungen anzustreben sind, kann jedoch nicht allein auf der Basis dieser Bewertungen abgeleitet werden. Hierzu ist es notwendig, auch die Bedeutung der einzelnen Imagefaktoren für die Mitgliederzufriedenheit mit einzubeziehen. Bei dieser kombinierten Betrachtung von Bewertung und Einfluss auf die Globalzufriedenheit (Wichtigkeit) erwiesen sich für die beteiligten Verbände global die Faktoren hohe fachliche Kompetenz, Zuverlässigkeit und (bedingt) Innovation und Zukunftsorientierung als die strategischen Imagevorteile (überdurchschnittliche Bewertung und Wichtigkeit). Als strategische Imagenachteile wurden dagegen die Faktoren Mitgliederorientierung, Flexibilität und Individualität der Mitgliederbetreuung identifiziert (unterdurchschnittliche Bewertung bei überdurchschnittlicher Wichtigkeit). Bei diesen drei Image-Aspekten besteht also aus der Sicht der befragten Mitglieder global Verbesserungsbedarf.
Die Aktuellen Anforderungen an die Verbände
Zum Thema Erwartungen wurden die Mitglieder gebeten, insgesamt sechs mögliche Anforderungen an Verbände nach Wichtigkeit zu bewerten. Die in Abbildung 2 dargestellten sechs möglichen Anforderungen kristallisierten sich im Workshop zu Beginn des 1. Mitgliederfocus Deutschland 2001 als die wichtigsten heraus. Zur Bewertung erhielten die Befragten insgesamt 100 Punkte, die sie jeweils auf die sechs Dimensionen verteilen sollten. Diese Abfragetechnik „zwang“ die Mitglieder dazu, bereits in der Befragungssituation eindeutige Prioritäten zu äußern und verhinderte dadurch ein Antwortverhalten im Sinne einer „Inflation der Ansprüche“ („Alles ist wichtig!“).
Abb. 2: Aktuelle Wichtigkeit vorgegebener Anforderungen (gewichtet)
Demnach geht das Bedürfnis nach Information mit 27 Punkten im Durchschnitt eindeutig als die wichtigste Anforderung an die teilnehmenden Verbände hervor, mit einigem Abstand gefolgt von Fort- und Weiterbildung und Interessenvertretung / Verbandspolitik (jeweils 19 Punkte). Beratung wird mit 15 Punkten auf Rang 4 platziert, während die Bedürfnisse nach Austausch- und Kontaktmöglichkeiten und Sonderkonditionen für Mitglieder durch Rahmenvereinbarungen am wenigsten wichtig sind (11 bzw. 10 Punkte).
Zufriedenheit mit den Verbänden
Die Bewertung der Verbandsleistungen durch die Mitglieder gehören zu den wichtigsten Informationen, die für ein aktives und effektives Zufriedenheitsmanagement benötigt werden. Schließlich lässt sich Zufriedenheit nicht allein durch objektive Leistungen erklären, sondern entsteht als Ergebnis eines Beurteilungsprozesses, im Rahmen dessen die Leistung mit den eigenen Anforderungen verglichen wird. Nur wenn die Erwartungen erfüllt oder sogar übertroffen werden, können eine hohe Zufriedenheit und eine dauerhafte Bindung der Mitglieder entstehen. Daher ist es wichtig, bei der Interpretation von Zufriedenheitswerten immer zwei Seiten zu beachten: Auf der einen die Qualität der den Mitgliedern gebotenen und von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen, auf der anderen deren Bezugsrahmen mit Bedürfnissen, Erwartungen und Wünschen.
Das im Rahmen des 1. Mitgliederfocus Deutschland 2001 zugrunde gelegte Modell der Mitgliederzufriedenheitsanalyse stützt sich auf die Untersuchung von drei Ebenen:
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Zufriedenheit auf globaler Ebene: Die Globalzufriedenheit der Mitglieder bezieht sich in erster Ebene auf die unspezifische Bewertung des Verbandes insgesamt.
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Zufriedenheit mit zentralen Leistungsbereichen: Das Gesamturteil wird anhand der Bewertung der wahrgenommenen Leistungsbereiche gefällt, die für die Mitglieder erbracht werden. Diese zweite Ebene umfasst die Leistungsbereiche Information, Beratung, Fort- und Weiterbildung, Interessenvertretung/ Verbandspolitik, Mitgliedsbeitrag, Sonderkonditionen für Mitglieder durch Rahmenvereinbarungen und Beschwerdemanagement.
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Zufriedenheit mit Einzelleistungen innerhalb der Leistungsbereiche: Die Zufriedenheit mit den Leistungsbereichen hängt in der dritten Ebene wiederum von der Bewertung konkreter Einzelleistungen ab. Die Gesamtbewertung eines Leistungsbereiches erfolgt, indem die Erfahrungen hinsichtlich der einzelnen Facetten beurteilt und zusammengefügt werden.
Dieses dreistufige multiattributive Modell der Mitgliederzufriedenheitsanalyse führt die Globalzufriedenheit auf die Bewertungen zentraler Leistungsbereiche zurück, die sich wiederum aus der Zufriedenheit mit konkreten Einzelleistungen zusammensetzen. So lässt sich der abstrakte Zufriedenheitsbegriff sehr präzise und detailliert fassen, was Voraussetzung für eine ursachenadäquate Herangehensweise bei der Entwicklung von konkreten Maßnahmen zur effizienten Steigerung der Mitgliederzufriedenheit ist.
Die Zufriedenheit wurde auf einer Skala von 1 „sehr zufrieden“ bis 5 „sehr unzufrieden“ erfragt. Die Angaben wurden – wie bereits bei den Image-Items – in eine Hunderter-Skala transformiert. Bei der Interpretation der Ergebnisse muss beachtet werden, dass Bewertungen auf einer Skala von 1 „sehr zufrieden“ bis 5 „sehr unzufrieden“ in die positive Skalenrichtung tendieren (® „1“). Das Auftreten dieser Verzerrung findet sich in allen Studien zur Zufriedenheitsmessung. Die positive Antworttendenz hängt damit zusammen, dass Menschen von ihnen getroffene Entscheidungen im Rückblick bestätigen wollen. Dies hat zur Folge, dass eine theoretisch durchschnittliche Beurteilung mit „3“ (50 Punkte) keine neutrale Einstellung, sondern schon eine latente Unzufriedenheit bedeutet.
Zufriedenheit auf globaler Ebene
Abbildung 3 zeigt die gewichtete Häufigkeitsverteilung der Globalzufriedenheit der befragten Mitglieder aller teilnehmenden Verbände. Demnach bewerten 66 Prozent ihren Verband insgesamt auf der Skala von 1 „sehr zufrieden“ bis 5 „sehr unzufrieden“ mit 1 oder 2 (100 oder 75 Punkte) und ein Viertel mit einer 3 (50 Punkte). 8 Prozent vergeben lediglich eine 4 (25 Punkte) und 2 Prozent sind mit einer Bewertung von 5 (0 Punkte) insgesamt sehr unzufrieden mit ihrem Verband. Der gewichtete Mittelwert über die Mitglieder aller teilnehmenden Verbände hinweg liegt für die Globalzufriedenheit damit bei 68 Punkten. Dies entspricht einer Bewertung von 2,29 auf der 5er-Skala. Mit diesem Ergebnis liegt nun erstmals ein Benchmarkwert für die verbandsübergreifende Mitgliederzufriedenheit in Verbänden aus Deutschland vor, an dem sich Verbände durch eine Teilnahme am 2. Mitgliederfocus Deutschland 2002 messen können.
Abb. 3: Globalzufriedenheit (gewichtete Häufigkeitsverteilung)
Spitzenreiter: Berufs- und Fachverband Freie Heilpraktiker e. V.
Als Spitzenreiter in Sachen globaler Mitgliederzufriedenheit für das Jahr 2001 ging der Berufs- und Fachverband Freie Heilpraktiker e. V. aus Düsseldorf hervor. Dessen Mitglieder bewerteten ihren Verband durchschnittlich mit 78 Punkten, was auf der 5er-Skala einem Mittelwert von 1,9 entspricht. Damit setzt der Sieger des 1. Mitgliederfocus Deutschland 2001 nicht nur Benchmarkwerte für die Verbandswelt. Denn auch in der Privatwirtschaft sind solche Werte für die globale Kundenzufriedenheit nur selten vorzufinden.