Verbändereport AUSGABE 2 / 2009

Ich rate den Verbänden, die Herausforderungen von Lobby Control und anderen offensiv anzunehmen

Interview mit Dr. Hermann Otto Solms, MdB Vizepräsident des Deutschen Bundestages

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Dr. Hermann Otto Solms war als Gastreferent im Rahmen des Seminars „Parlamentarisches Lobbying für Verbände“, das von den „Kölner Verbände Seminaren“ durchgeführt wurde, am 13. Oktober 2008 vorgesehen. Wegen Sondersitzungen im Deutschen Bundestag zur Verabschiedung des Bankenrettungsgesetzes, für das er in der FDP Fraktion als Finanzpolitischer Sprecher verantwortlich ist, musste er seine Teilnahme jedoch am Morgen des Veranstaltungstages absagen.

 

Die wesentlichen Aussagen seines Vortrags hat Dr. Solms dem Verbändereport im Rahmen eines Interviews übermittelt.

VR Verbände haben in den letzten Jahren das Monopol auf Interessenvertretung verloren. Gerade die Wirtschaftsverbände stehen in der Hauptstadt in Konkurrenz zu einer Vielzahl von Public-Affairs-Agenturen, über die mitunter die eigenen Mitglieder einen Dialog mit der Politik organisieren. Wie bewerten Sie diese Veränderung?

Solms Wie in allen Bereichen professionalisiert sich auch das Lobbying immer weiter. Gleichzeitig wird Lobbying differenzierter und zielgenauer betrieben. Neben dem klassischen Verbände-Lobbying hat sich das Unternehmens-Lobbying entwickelt. Seit dem Umzug nach Berlin sind zahlreiche Public-Affairs-Agenturen hinzugekommen, die den Kontakt mit dem „politischen Berlin“ dienstleistungs- und kundenbezogen wahrnehmen. Hinzu kommen Thinktanks und neuerdings auch advokatische Thinktanks. Diese Diversifizierung des Lobbyings bringt Vorteile mit sich, weil mehr Wettbewerb entsteht. Andererseits wird uns Parlamentariern und unseren Mitarbeitern dadurch die Arbeit nicht immer erleichtert. Aus dem sinnvollen Informationsaustausch und der Informationsvielfalt kann schnell Informationsüberfluss werden. Dennoch: „panta rhei“ — alles fließt und ist in Veränderung — das gilt auch für den Bereich der Interessenvertretung.

VR Ist Ihnen verbandliches oder unternehmerisches Lobbying lieber?

Solms Da kann ich Ihnen keine besonderen Vorlieben nennen, denn beides hat seine Legitimation.

VR Welche Bedeutung hat Lobbying für die Arbeit von Abgeordneten des Deutschen Bundestages?

Solms Abgeordnete benötigen qualitativ hochwertige Informationen von Fachleuten, um sich bei Sachfragen ein möglichst umfassendes und fundiertes Meinungsbild machen zu können. Dies ist mit gut aufbereitetem Hintergrundwissen — Informationen, Analysen, Bewertungen — natürlich besser möglich. Außerdem brauchen wir schon während des Gesetzgebungsprozesses Rückmeldung von den Betroffenen. So kann verhindert werden, dass die Gesetze an den Betroffenen vorbei formuliert werden.

VR Lobbyisten haben in Deutschland keinen guten Ruf. Wie kommt das und was können Verbandsmanager tun, dies zu ändern?

Solms Das Bild vom heimlichtuenden Strippenzieher im Vestibül des Reichstages entspricht der Arbeit eines Lobbyisten wohl nur in seltenen Fällen. Das Fachwissen und die Expertise, die in den Verbänden und Interessengruppen vorhanden sind, stellen für die Politik und den Gesetzgebungsprozess eine unverzichtbare Quelle seriöser Information dar. Ein Mittel, um den Ruf der Lobbyisten zu verbessern, könnte zum Beispiel sein, die Transparenz der Lobbyarbeit zu erhöhen. Formen und Wege der Einflussnahme von Interessengruppen sollten für den Souverän — das Volk — nachvollziehbarer sein. Das schafft Vertrauen, Akzeptanz und Legitimation. So werden Vorurteile bzw. vorschnelle Urteile verhindert.

VR Welche Rolle werden Verbände bei einem weiteren Fortschreiten der europäischen Integration in der Zukunft für die Berliner Politik spielen?

Solms Das ist eine Frage, die wahrlich zu Spekulationen anregt, die aber von den Verbänden selbst beantwortet werden muss. Gewiss ist jedoch, dass die zunehmende Verlagerung politischer Entscheidungen auf die Ebene der EU auch für die Verbandsarbeit in Berlin Konsequenzen haben wird.

VR Wie bewerten Sie die zunehmenden Forderungen von Gruppen wie „Lobby Control“ nach mehr Reglementierungen der politischen Interessenvertretung? Was raten Sie Verbänden in diesem Kontext?

Solms In Deutschland wird schnell nach Regeln gerufen — in der irrigen Sehnsucht, die Dinge mit weiteren Regeln zu vereinfachen. Außerdem gibt es in Deutschland ein großes Bedürfnis nach Harmonie und Konsens. Dieses Bedürfnis findet auch auf Politik und Parlament Anwendung. Ein Konsens lässt sich aber zumeist nur in der fachlichen Auseinandersetzung erarbeiten. Hierzu tragen die Verbände und andere Interessengruppen in hervorragender Weise bei. Ich rate den Verbänden, die Herausforderungen von Lobby Control und anderen offensiv anzunehmen und in eigenes Handeln umzusetzen, bevor sich die Brüsseler Ministerialbürokratie des Themas umfänglich annimmt. Denkbar wäre zum Beispiel ein einheitlicher Verhaltenskodex, wie es ihn beispielsweise auch für die Bundestagsabgeordneten gibt.

Herr Solms, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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