Am Anfang stand die Brille. Der erste urkundliche Beleg für deren Produktion in Deutschland stammt aus Nürnberg. Im Jahre 1478 eröffnete dort der „Parillenmacher“ Jakob Pfuhlmeier seine Werkstatt. Zwanzig Jahre später gab es in der freien Reichsstadt schon elf weitere Konkurrenten. Es waren, wie beim Handwerk damals üblich, meist Familienbetriebe. Dennoch galt das optische und feinmechanische Gewerbe nie als Handwerk wie jedes andere.
Die feinmechanische und optische Industrie ist aus der in Jahrhunderten gewachsenen Zusammenarbeit von Naturwissenschaft und Handwerk entstanden. Auch die Standesvertretung ließ nicht lange auf sich warten. Im Jahr 1881 wurde „zur Wahrung gemeinsamer Interessen“ die Deutsche Gesellschaft für Mechanik und Optik gegründet, hervorgegangen aus dem „Fachverein Berliner Mechaniker“. Mit der Änderung des Namens erfolgte auch eine Erweiterung der Organisation auf ganz Deutschland. Einmal im Jahr trafen sich die Mitglieder zu ihrer Hauptversammlung, dem „Deutschen Mechanikertag“. 125 Jahre und viele industrielle Entwicklungen später war es wieder so weit: Die Branche traf sich am 9. Mai 2006 in Berlin, um dort den historischen Geburtstag in modernem Ambiente zu begehen. Ein willkommener Anlass zu einem Resümee und Ausblick gleichermaßen, verbunden mit herzlichen Glückwünschen der zahlreichen Besucher aus Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft für die gelungene Entwicklung zu einem modernen und leistungsfähigen Industrieverband.
Die Bilanz ist in der Tat beeindruckend: Technologieprodukte aus den Bereichen Consumer Optics, Photonik, Präzisionstechnik, Mechatronik und Medizintechnik sind nahezu in allen Bereichen unseres Lebens zu Hause. Ob Computer, Handy, CD-Player – kein Gerät kommt beispielsweise ohne Optische Technologien aus. In Flugzeugen, Zügen und Autos kommen sie ebenso zum Einsatz wie in modernen medizinischen Diagnose- und Therapiesystemen oder automatisierten Fertigungsanlagen der Industrie. Und die nächsten Veränderungen stehen schon an. Bald wird die Glühbirne durch leistungsfähigere Leuchtdioden ersetzt, Laser ermöglichen neue Anwendungsmöglichkeiten bei der Materialbearbeitung und mithilfe optischer Biochips können rasch neue Medikamente entwickelt werden. Während im letzten Jahrhundert das Elektron viele entscheidende Fortschritte ausgelöst hat, ist nun das Zeitalter des Photons, der Elementarteilchen des Lichts, angebrochen. Die 125-Jahr Feier in Berlin wurde dann auch mit einer großen Lasershow gekrönt.
Die ehemals feinmechanische und optische Industrie repräsentiert bereits heute einen Gesamtumsatz von etwa 40 Milliarden Euro. Für die nächsten Jahre wird zudem ein jährliches Wachstum von teilweise bis zu 10 Prozent erwartet. Mehr als 250.000 Beschäftigte sind direkt in der Branche beschäftigt und knapp eine Million Arbeitsplätze werden zudem alleine von den Optischen Technologien beeinflusst. Die Quote an Facharbeitern liegt deutlich über der Quote des Verarbeitenden Gewerbes und rund 70 Prozent der SPECTARIS-Mitgliedsunternehmen bilden aus. Das ist wahrlich eine Investition in die Zukunft.
SPECTARIS vertritt als Nachfolgeorganisation der deutschen Gesellschaft für Mechanik und Optik von 1881 heute drei Branchen, die wesentliche Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft darstellen: Consumer Optics, Photonik und Präszisionstechnik sowie Medizintechnik. Ungeachtet der Eigenheiten der einzelnen Teilbereiche gibt es dabei viele gemeinsame Anwendungsfelder und Berührungspunkte.
Die Hersteller und Händler von Brillengläsern, -fassungen, Sonnenbrillen, Sportbrillen, Kontaktlinsen und Pflegemitteln, vergrößernden Sehhilfen, Sehtestgeräten, Ferngläsern, Zielfernrohren, Spektiven und Optikerbedarf blicken nach Umsatzrückgängen in den vergangenen Jahren wieder auf ein zufrieden stellendes Umsatzplus. Die Streichungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu Beginn des Jahres 2004 hatten der Branche kräftige Umsatzeinbrüche beschert.
Zukunftsorientiert und breit gefächert ist auch der zweite Branchenbereich, die Photonik und Präzisionstechnik. Innovative Hightech-Unternehmen im Bereich Photonik produzieren Laser und optische Komponenten. Die Präzisionstechnik umfasst dazu die Bereiche Messtechnik, Sensorik, Analysen-, Bio- und Labortechnik, Technologien für die Telekommunikation und den Bereich Imaging und Phototechnik.
Auf der wachsenden Bedeutung Optischer Technologien beruht auch die führende Stellung der deutschen Medizintechnik, der dritten großen Teilbranche im SPECTARIS-Verband. Die Produktpalette ist vielseitig: Medizinprodukte für Diagnostik und Chirurgie, Medizinische Versorgungssysteme und therapeutische Geräte für Anästhesie, Intensivmedizin, Pädiatrie, Notfallmedizin und Chirurgie, Ophthalmologische Geräte, Groß- und Kleinsterilisatoren, Einrichtungen für medizinische Funktionsräume, Krankenhaus- und Pflegeeinrichtungen, Respiratorische Heimtherapie, Hilfsmittel für die Rehabilitation oder Orthopädietechnik und Passteile.
Investitionen in Innovationen: Das kennzeichnet die Mitgliedsunternehmen von SPECTARIS. Rund 10 Prozent des Umsatzes – in vielen Fällen sogar deutlich mehr – investieren die Firmen in Forschung und Entwicklung. Zielgerichtete öffentliche Förderung, insbesondere Projektförderung, auf diesem Gebiet ist ein weiterer wesentlicher Faktor für den Erfolg der Innovationen.
Für die strategische Neuausrichtung des Verbandes war wieder Berlin der entscheidende Ort: Auf seiner Mitgliederversammlung in Berlin am 24. Mai 2002 hatte der damalige „Verband der deutschen feinmechanischen und optischen Industrie e.V. (F+O)“ mit überwältigender Mehrheit die Änderung seines Namens beschlossen. Der neue Name lautet seither: SPECTARIS. Deutscher Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e.V.. SPECTARIS, lateinisch für „du wirst gesehen, du wirst erkannt“, steht für die klare Ausrichtung als moderner und kompetenter und dienstleistungsorientierter Verband. Der Untertitel „Deutscher Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien e.V.“ integriert zudem erstmalig sämtliche Branchengruppierungen namentlich und verweist zugleich auf die neue, gestraffte Gliederung in drei (statt wie bis dahin sechs) Fachverbände: Consumer Optics, Photonik und Präzisionstechnik sowie Medizintechnik. Für seine erfolgreiche Umstrukturierung hin zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen hat die Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement SPECTARIS dann auch mit dem DGVM Innovation Award 2002 ausgezeichnet.
Mit seinen vier Kernkompetenzen Branchenmarketing und Lobbyarbeit, Marktforschung und Statistik, Technologieberatung und Forschungsförderung sowie Auslandsmarketing und Exportförderung, einer praxisnahen Fachverbandsarbeit und vielfältigen Netzwerkaktivitäten bietet der Verband heute seinen rund 400 Mitgliedsunternehmen einen echten Mehrwert. Dies wird am neuen Verbandsstandort Berlin mit seinen kurzen Wegen zu politischen Entscheidern noch stärker der Fall sein. Die optische, medizinische und mechatronische Industrie ist ein entscheidender Motor der deutschen Wirtschaft und wird das Gesicht unseres Landes auch in Zukunft in vielfältiger Weise prägen. (WL)