Noch vor wenigen Jahren beschäftigte der VdTÜV einen ausgebildeten Drucker, der mithilfe einer Druckmaschine die umfangreichen Beratungsunterlagen für die zahlreichen Gremien und ihre Sitzungen vervielfältigt hatte. Anschließend wurden diese Unterlagen dann per Post an die einzelnen Teilnehmer versandt. Mit der wachsenden Verbreitung von E-Mail wurde der Versand in digitaler Form aus Zeit- und Kostengründen favorisiert. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass auch diese Methode ihre Nachteile hat: E-Mail ist nicht zur Versendung von vielen, eventuell auch großen Dateien ausgelegt, die Postfächer werden verstopft, die E-Mail-Verteiler sind nicht gepflegt, für die Empfänger ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Oft war nicht klar, ob tatsächlich die aktuellste Fassung eines Dokuments zur Verfügung stand.
Auch innerhalb des Verbandes war es nicht immer einfach, relevante Dokumente aus der Vergangenheit zu finden. Zwar gab es ein umfangreiches Papierarchiv von mehr als 1.500 Aktenmetern, das vor allem gremienrelevante Dokumente seit Beginn des 20. Jahrhunderts nach einem ausgefeilten Aktenplan und einer Registratur auffindbar machte. Allerdings war das Aktenarchiv nicht mehr vollständig, denn viele Dokumente lagen nur noch in digitaler Form auf den individuellen verteilten Festplatten oder auf dem zentralen Server. Eine Suche war zeitintensiv: Die Verbandsmitarbeiter mussten an verschiedenen Orten recherchieren und konnten nie sicher sein, ob sie auch tatsächlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatten.
Im Sommer 2004 beschloss die VdTÜV-Geschäftsleitung ein zentrales Dokumenten-Management-System einzuführen.
So funktioniert die Dokumentenbearbeitung heute
Rechtsanwalt Rainer Gronau ist beim VdTÜV verantwortlich für die Themen Politik, Recht und Europa. Am 15. Juni erhält er die Information über eine Konsultation der EU-Kommission zum Thema „New Approach“ (Binnenmarktgesetzgebung für Produkte). Er erstellt den ersten Entwurf einer Stellungnahme, die er möglichst schnell mit den Mitgliedern seiner VdTÜV-Kommission Europafragen abstimmen möchte. Um sich aktiv an der Konsultation zu beteiligen, muss eine gemeinsame Position der Verbandsmitglieder erarbeitet werden.
Er stellt das Dokument in das zentrale Dokumenten-Management-System ein und gibt es zur Veröffentlichung für seine Kommission frei. Automatisch werden seine Gremienmitglieder per E-Mail darüber benachrichtigt, dass ein neues Dokument im virtuellen Gremienraum für sie bereitliegt. Dort geben sie ihre Kommentare und Stellungnahmen ab, die Gronau dann abschließend zu einer gemeinsamen VdTÜV-Position zusammenfasst. Nachdem er sie in das Dokumenten-Management-System eingestellt hat, können sich seine Gremienmitglieder das neue Positionspapier im Gremienportal abholen oder automatisch senden lassen.
Wenn Gronau das Dokument in einem Jahr suchen sollte, weil er eine neue Stellungnahme zu diesem Thema veröffentlichen möchte, dann kann er im lückenlosen Archiv aller gremienrelevanten Dokumente einfach recherchieren, indem er sich alle Positionspapiere des Jahres 2006 zum Thema „New Approach“ anzeigen lässt.
Ein Dokumenten-Management-System und ein Portal
Zur zentralen Ablage aller verbandsrelevanten Dokumente wurde ein Dokumenten-Management-System (DMS) eingeführt, in das alle archivierungspflichtigen Dokumente aus der Vergangenheit übernommen wurden. Archivierungspflichtig sind vor allem diejenigen Dokumente, die der VdTÜV selbst herausgibt, wie beispielsweise Technische Regeln, Merkblätter und Prüfgrundlagen. Seit der Einführung werden alle verbandsrelevanten Dokumente dort zentral abgelegt und nach einem auf den Verband abgestimmten System mit Dokumententyp und Sachgebiet verschlagwortet.
Ein personalisiertes Portal mit einer Schnittstelle zum DMS bietet den Gremienbetreuern die Möglichkeit, auf Knopfdruck ein neues Gremium einzurichten und ihm Mitglieder zuzuordnen. Diese erhalten dann per E-Mail eine Einladung und ihre Zugangsdaten. Im Gremienraum kann der Betreuer seinen Gremienmitgliedern Dokumente zur Verfügung stellen (indem er sie ins DMS einstellt), er kann auf Termine und interessante Webseiten aufmerksam machen und die Mitglieder zu einer Diskussion zu gerade aktuellen Themen einladen. Die Mitglieder können von überall per Internet auf die Informationen zugreifen, sie pflegen selbst ihre Kontaktdaten und haben die Möglichkeit, sich per E-Mail unmittelbar, täglich, wöchentlich oder monatlich über Neuigkeiten in ihrem Gremium informieren zu lassen. Am Arbeitsbereich können sie vor und nach ihren Sitzungen, die immer noch persönliche Treffen sind, gemeinsam an Dokumenten arbeiten. Abbildung 1 zeigt die Startseite eines Gremiums.
Abbildung 2 illustriert den Aufbau der Lösung: Während die Gremienbetreuer direkt auf das DMS zugreifen, haben die Gremienmitglieder über das Portal Zugang zu den für sie relevanten Dokumenten.
Die Einführung eines neuen Systems erfordert ein klares Vorgehensmodell
Wie hat der VdTÜV das System eingeführt? Gestartet wurde das Projekt im Herbst 2004, indem die Geschäftsführung einer Mitarbeiterin die Projektleitung übertragen und ein Budget bereitgestellt hat. Unterstützt wurde die Projektleiterin von einer studentischen Hilfskraft und punktuell von einem kleinen Team wechselnder Mitarbeiter.
Der erste Schritt war die ausführliche Analyse und Beschreibung der damaligen Prozesse, die Aufschluss darüber gaben, wie die Mitarbeiter bisher ihre Gremienarbeit und die Ablage ihrer Dokumente bewerkstelligt hatten. Auf der Basis dieser Bestandsaufnahme hat das Projektteam einen Vorschlag für neue Prozesse erarbeitet und in einem Sollkonzept dokumentiert. In Workshops und Einzelgesprächen wurde das Sollkonzept mit allen Beteiligten ausführlich diskutiert und abgestimmt. Besonders aufwendig war die Abstimmung der einzelnen Schlagwortlisten für die Dokumenttypen (wie Präsentation, Protokoll, Technische Regel, juristisches Dokument) und die Sachgebiete (wie Tankanlagen, Dampfkessel, Bildung, Umwelt, Fördertechnik). Die Erstellung und Abstimmung des Sollkonzeptes fand von September 2004 bis März 2005 statt. Hier lag für den VdTÜV die größte Eigenleistung und der höchste personalbezogene Aufwand des gesamten Projektes.
Anschließend wurde auf der Basis des Sollkonzeptes eine Ausschreibung vorbereitet, um die geeignete Software und einen passenden Dienstleister zur Einführung auszuwählen. Die potenziellen Anbieter und Systeme wurden durch den Besuch einer Fachmesse und zahlreiche Gespräche mit Experten auf eine überschaubare Anzahl eingeschränkt. Das Projektteam erstellte eine Checkliste zur Auswahl einer Software, in der alle gewünschten Funktionalitäten aus Sicht der Anwender aufgeführt und von „zwingend erforderlich“ bis hin zu „wünschenswert, aber nicht unbedingt notwendig“ gewichtet wurden. Die Entscheidung wurde dann auf der Basis einiger weniger ausgewählter Angebote und Präsentationen einstimmig vom Projektteam getroffen.
Die erste Aufgabe des Dienstleisters bestand darin, ein Pflichtenheft zu erstellen, das detailliert beschreibt, welche Funktionalitäten wie umgesetzt werden. Auch hier war wieder eine umfangreiche Abstimmung vor der Freigabe des Pflichtenheftes notwendig, denn das Pflichtenheft stellt die Grundlage für Implementierung dar. Während der Dienstleister mit der Umsetzung beschäftigt war, konnte sich das VdTÜV-Projektteam der Aufgabe widmen, die Daten auszuwählen, die in das DMS übernommen werden sollten. Außerdem mussten Schulungen für die Mitarbeiter vorbereitet und Handbücher erstellt werden.
Hindernisse überwinden
Die Einführung eines solchen Systems läuft niemals völlig reibungslos ab. Es gibt Widerstände in der Organisation, die Veränderungen schwierig machen. Auch im VdTÜV gab es eine Reihe von Barrieren, die zu überwinden waren: Über Jahrzehnte gewachsene und eingeschliffene Arbeitsabläufe lassen sich nur schwer neu formen, die Bereitschaft zur Veränderung ist häufig gering. Die Verbandsmitarbeiter leisten sehr spezifische Facharbeit, die sie über lange Zeiträume nach ihren Anforderungen gestaltet und optimiert haben, so dass es sehr unterschiedliche Wünsche an ein unterstützendes IT-System gab.
Akzeptanz bei den Mitarbeitern
Seit mehreren Monaten ist das System erfolgreich im Betrieb. Die Akzeptanz des Systems ist bei allen Beteiligten groß. Welche Maßnahmen trugen dazu bei?
Das Vorgehen im Projekt war immer angepasst an das Veränderungstempo der Organisation. Ein zu schnelles Vorpreschen hätte eventuell zu einem System ohne Anwender geführt. Außerdem wurden die zukünftigen Anwender in alle Phasen der Gestaltung einbezogen; sie hatten immer die Möglichkeit, ihre Wünsche und Anregungen einzubringen. Wichtig für den Erfolg war auch die klare Unterstützung der Geschäftsführung, die den Mitarbeitern immer wieder die Relevanz des Systems für die Modernisierung des VdTÜV deutlich gemacht hat.
Ausschlaggebend für den Erfolg des Systems war allerdings, dass die Mitarbeiter einen realen Nutzen für ihre Arbeit erkennen und sich als moderne Dienstleister gegenüber ihren Gremienmitgliedern positionieren konnten. Inzwischen ist das System für die meisten Mitarbeiter zu einem positiven Identifikationsmittel geworden.
Nutzen auf verschiedenen Ebenen
Was bringt das System den Verbandsmitarbeitern?
Mit der Einführung des Dokumenten-Management-Systems sind Effizienzsteigerungen, eine höhere Informationssicherheit und mehr Transparenz verbunden. Die Effizienz wird dadurch gesteigert, dass die Mitarbeiter schneller auf relevante Inhalte zugreifen können, dass die Prozesse durchgängig optimiert wurden und es weniger Medienbrüche gibt. Der Mitarbeiter kann sehr einfach aus seinen Office-Anwendungsprogrammen (zum Beispiel aus Word heraus) Dokumente im DMS ablegen und archivieren und muss seine Akte nicht erst aus dem Papierarchiv holen.
Eine höhere Informationssicherheit ergibt sich dadurch, dass die relevanten Informationen jetzt vollständig im DMS zu finden sind, dass mit dem System auch klare Regeln und Verantwortlichkeiten eingeführt wurden und dass durch die DMS- Funktionalitäten viel leichter die Entstehung von Dokumenten nachvollziehbar ist. Das DMS bietet zu jedem Dokument die gesamte Bearbeitungshistorie.
Die komfortable Suche über den Volltext oder die Schlagworte bietet einen zielgerichteten Zugriff auf alle verbandsrelevanten Inhalte und erhöht somit die Transparenz im Verband. Auch wenn Mitarbeiter oder Zuständigkeiten wechseln, kann das Geschäft weiter verfolgt werden.
Der Nutzen für die Gremienmitglieder liegt auf der Hand: Mit einer Internetverbindung haben Sie immer alle relevanten Informationen im Zugriff, sie müssen keine eigene Ablage aufbauen, und sie sind immer im Bilde darüber, was gerade aktuell ist. Zwischen den Sitzungen erleichtert das Portal die Kommunikation untereinander: Die Mitglieder können im Arbeitsbereich Dokumente und Meinungen austauschen, außerdem hält das Portal die Kontaktdaten aller Mitglieder bereit.
Aus Sicht der Geschäftsführung ist das Gremienportal ein strategisches Instrument. Dr. Klaus Brüggemann, Geschäftsführer des VdTÜV betont, dass „wir mit dem VdTÜV-Gremienportal unseren Mitgliedern ein zukunftsweisendes Werkzeug für die tägliche Verbandsarbeit anbieten.“ Das kommt auch bei den Mitgliedern an. VdTÜV-Vorsitzender und TÜV SÜD Vorstandsvorsitzender Dr.-Ing. Peter Hupfer erklärte, der VdTÜV verfüge nun über ein Instrument, das in der Verbändewelt einmalig sei.
Interessant für andere Verbände?
Das VdTÜV-Gremienportal ist auf die Anforderungen des Verbandes maßgeschneidert. Trotzdem lohnt sich die Frage, wie viel dieser Lösung wieder verwendbar und für andere Verbände nützlich ist.
Gremienarbeit spielt in technisch-wissenschaftlichen Verbänden eine besondere Rolle, das Management der Gremien ist ein wesentlicher Bestandteil der Verbandsarbeit. Für Verbände dieser Art sind die richtigen Werkzeuge lebensnotwendig.
Fast jeder Verband unterhält Arbeitskreise oder andere Gremien, in denen häufig gemeinsam Themen beraten werden. Schon die Bündelung von Mitgliederinteressen ist in vielen Verbänden eine Herausforderung, die durch den Einsatz eines Gremienportals erleichtert werden kann, denn es bietet eine Plattform, in der ein geschlossener Kreis sich austauschen kann.
Das Portal kann auch verwendet werden, um ganz spezifischen Communities eine Plattform zu geben. Der Verband kann mithilfe des Portals maßgeschneiderte Informationskanäle aufbauen, die je nach Zielgruppe ganz individuelle Inhalte beinhalten. Der erfolgreiche Einsatz eines solchen Portals wirkt sich unmittelbar auf die Mitgliederbindung aus.
Rainer Gronau jedenfalls ist zufrieden. Die Mitglieder seiner Gremien sind nun immer zeitnah informiert und finden alle wichtigen Informationen auf einen Blick. So bleibt für alle Beteiligten mehr Zeit für die inhaltliche Arbeit.
Das VdTÜV-Gremienportal — Die Technische Lösung
Das eingesetzte Dokumenten-Management-System ist ELOprofessional Version 5.0 (www.elo-digital.de). Dieses System hat gegenüber anderen DMS den Vorteil, dass die Benutzungsoberfläche sich stark am MS-Explorer orientiert und dadurch schnell von den Anwendern akzeptiert wird. ELO bietet für mobile Wissensarbeiter eine Offline-Version des Systems, den so genannten Mobile Client. So haben die Gremienbetreuer, die zu ihren Gremiensitzungen unterwegs sind, auch ohne einen Internetzugang die relevanten Dokumente auf ihrem Laptop. Auf ihren Reisen können sie Dokumente bearbeiten oder neue einfügen; wenn sie wieder im Büro sind, synchronisieren sie ihre Offline-Version mit dem zentralen System.
Das Portal und Content-Management-System basiert auf Plone (plone.org). Plone baut auf dem Open Source Application Server Zope und dem zugehörigen Content Management Framework auf.
Der Aufbau des Portals und die Einführung von ELO wurden von der Condat AG (www.condat.de, Ansprechpartnerin: Frau Jesorsky, (0 30) 39 49 11 16) geleistet. Den Styleguide lieferte die Firma Yellowtoo (www.yellowdesign.com).
Kontakt zur Autorin:
Dr. Birte Schmitz
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