Eine Kernaufgabe von Verbänden liegt in der schnellen und effektiven Informations- und Wissensvermittlung. Gleichzeitig kann Verbänden ein Interesse an der Förderung von Kooperationen unter den Mitgliedsfirmen und dem Austausch derselben mit Wissenschaft und Praxis unterstellt werden. Wie diese Aufgabe mit modernen Kommunikationsmitteln von jedem Verband gemanagt werden kann, zeigt der folgende Beitrag.
In einer hochgradig spezialisierten und globalisierten Wirtschaft mit immer kürzeren Innovationszyklen und dem Bedarf an stetig komplexeren Lösungsangeboten sind kleine und mittelständische Unternehmen zunehmend gezwungen, sich mit Geschäfts- oder Kooperationspartnern zu vernetzen, um sich am Markt behaupten zu können. Großunternehmen benötigen Kooperationen mit kleinen, flexiblen Firmen, um schneller auf veränderte Markttrends reagieren zu können. Forciert wird die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit externen Kompetenzträgern allgemein durch den Trend der Unternehmen zur Konzentration auf ihre Kernkompetenzen und die gestiegene Fluktuation der Mitarbeiter als Wissensträger im Unternehmen.1
Hierbei habt sich eine Reihe neuer interorganisationaler Kooperationsformen entwickelt. Ein Beispiel sind organisationsübergreifende Netzwerke, die einen effizienten Austausch von Ressourcen und Wissen organisieren, um schneller und effektiver auf neue Entwicklungen reagieren zu können.2 Die beteiligten Unternehmen profitieren von dem Wissen, den Erfahrungen und Lösungsangeboten der im Netzwerk vertretenen Experten oder Praktikern. Kooperationen in Netzwerken helfen so bei der zeitnahen (Weiter-)Entwicklung, Einführung und Vermarktung innovativer Produkte und Dienstleistungen oder der Etablierung unternehmensübergreifender Wertschöpfungsprozesse.3
Verbände als Provider von Wissenskooperationsnetzwerken
Als mögliche „Provider“ von Wissenskooperationsnetzwerken und den dazugehörigen Webplattformen bieten sich interorganisationale Wissensträger wie Unternehmens- und Beratungsnetzwerke, Handelskammern, staatliche Organisationen und nicht zuletzt Verbände an.
Die Kernaufgaben von Verbänden liegen unter anderem in den Bereichen Netzwerkarbeit sowie Informations- und Wissensvermittlung. Des Weiteren haben sie ein genuines Interesse an der Förderung von Kooperationen unter den Mitgliedsfirmen und dem Austausch derselben mit Wissenschaft und Praxis. Dieses Aufgabenspektrum lässt sie für die Rolle als Provider von Netzwerkplattformen besonders geeignet erscheinen.
Schaut man sich die Kernaufgaben von Verbänden an, so gewinnt der Bereich Information und Beratung zunehmend an Bedeutung: Laut einer Studie des Forums Marktforschung (2006)4 zur Wichtigkeit der Leistungsbereiche von Verbänden entfielen insgesamt 36 Prozent auf den Bereich „Information“ (23 Prozent) und „Beratung“ (13 Prozent). (Der Bereich „Networking“ wird in der Studie granularisiert und nicht explizit aufgeführt.) Networking oder Netzwerkarbeit war und ist jedoch ebenfalls unbestritten ein wichtiger Aspekt der Verbandsarbeit, ob in der Vernetzung der Mitglieder untereinander oder „Lobbying“ im Politikbereich.
In allen Kernaufgaben spielen dokumentenbasierte Geschäftsprozesse eine zentrale Rolle, wie etwa in der Öffentlichkeitsarbeit, der Erstellung von Informationsmaterialien oder einfach der Mitgliederinformation. Aufgrund der häufig dezentralen Prozesse zur Dokumentenbearbeitung sind diese geradezu prädestiniert für eine Unterstützung durch Collaborations-Werkzeuge.
Networking im Verband läuft auch heute noch fast ausschließlich über „face2face“-Kommunikation, also Veranstaltungen. Zwei Entwicklungen der letzten Jahre führen hier jedoch zu einem nicht zu unterschätzenden Anpassungsdruck: Entscheidungsträger werden mit einem nicht mehr zu bewältigenden Angebot an Veranstaltungen konfrontiert, das sie bei ihrer ohnehin schwierigen Terminlage nicht mehr wahrnehmen können. Zudem konkurrieren Verbände als Personennetzwerke mit Web 2.0 oder Community-Plattformen (wie Xing, Linked-In, The Greater IBM u. v. a. m.), in denen sich Firmenvertreter und unabhängige Experten austauschen und selbst organisieren können – und das nicht selten kostenlos.
Verbandsmitglieder erwarten geldwerte Services für ihre Beiträge und eine effektive Arbeit der Geschäftsstelle, da sich auch Verbandsmitgliedschaften dem Controlling gegenüber rechnen müssen. Nicht zuletzt konkurrieren Verbände untereinander um Mitglieder.5 In diesem für Verbände ungewohnt kompetitiven Umfeld genügt es nicht mehr, sich auf Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying zu fokussieren. Verbände müssen sich vielmehr zu Betreibern von Kooperations- und Wissensnetzwerken weiterentwickeln, wobei das Web eine zentrale Rolle spielt.
Dass bereits etliche Verbände zumindest die Potenziale von Wissensmanagement-Aktivitäten und deren Unterstützung mittels Webplattformen erkannt haben, zeigen verschiedene Projekte unter anderem bei dem Verband der TÜV e.V. (VdTüV), dem Deutschen Verband technisch-wissenschaftlicher Vereine (DVT), Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) und dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM).
In seinem Strategiepapier 2010 formuliert der BITKOM als wesentliche Forderung: „Die Förderung der Kooperationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen mit Forschungseinrichtungen und Großunternehmen sind wesentliche Parameter für die Wettbewerbsfähigkeit des ITK-Mittelstandes.“6 In demselben Papier wird eine Vernetzung der Mitgliedsfirmen nach außen mit Wissenschaft und Anwendergruppen und der Verbandsgremien untereinander (sog. Transdisziplinarität) als wichtige Schwerpunkte genannt.
Am Beispiel des ITK-Verbandes wird im Folgenden demonstriert, wie Verbände ihr großes Wissenspotenzial, repräsentiert durch die Experten der Mitgliedsfirmen, die Kooperationspartner, den Bestand und die Produktion von Informationsmaterialien bzw. Daten sowie den eigenen Mitarbeitern darstellen, nutzen und weiterentwickeln können.
Plattformen für Wissenskooperationsnetzwerke
Der gestiegene Anspruch an komplexe, zeitlich und örtlich flexible Koordinierungsaufgaben insbesondere zwischen geografisch entfernt liegenden Partnern ist ohne den Einsatz webbasierter Plattformen kaum mehr effizient zu bewältigen. Der ITK kommt deshalb neben den auf die jeweiligen sozioökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen abgestimmten organisatorischen Maßnahmen eine wichtige, wenn nicht gar konstituierende Bedeutung für die Etablierung solcher Netzwerke für Wissenskooperationen zu.
Der Begriff „Wissenskooperationsnetzwerk“ wird im Folgenden als Dachbegriff für die beiden häufigsten Ausprägungen, in denen Wissen innerhalb eines Netzwerkes über Organisationsgrenzen hinweg produktiv ausgetauscht, verarbeitet und distribuiert wird, verwendet7 : 1. Wissensmanagement in offenen Gruppen oder Communitys, 2. Wissensmanagement in geschlossenen Arbeitsgruppen.
Communitys in diesem Sinne wurden im deutschsprachigen Raum bekannt durch Webplattformen, auf denen Nutzer aus aller Welt in offenen Themenforen diskutieren oder Inhalte unterschiedlicher Medien und persönliche Informationen bereitstellen und austauschen können. Das sogenannte „Peoples“ oder besser „Social Web“ wird häufig gleichgesetzt mit unter dem Schlagwort „Web 2.0“ zusammengefassten Technologien wie vor allem Wikis und Weblogs/Blogs, aber auch RSS Feeds, User-Tagging, Mesh-up und anderen Angeboten.
Kooperationen innerhalb von Netzwerken führen in der Regel zu geschlossenen Arbeitsgruppen, in denen sich eine Gruppe aus benannten Vertretern der kooperierenden Organisationen mit einem bestimmten Ziel produktiver Zusammenarbeit bildet, etwa um ein gemeinsames Vermarktungskonzept zu erstellen. Zur Unterstützung von Online-Arbeitsgruppen haben sich sogenannte Collaboration Tools etabliert, die in einer Online-Umgebung Dokumenten-, Termin-, Aufgaben-, Expertenmanagement, Foren und synchrone Kommunikationsmedien wie Webconferencing kombinieren.
Plattformen für Wissenskooperationsnetzwerke können noch erheblich mehr leisten, als „nur“ Communitys oder Arbeitsgruppen zu unterstützen. Mithilfe von Semantic-Web-Technologien lassen sich Datenarchive anlegen, die neben den eigentlichen Informationsträgern (Dokumente und andere Inhalte) auch bedeutungstragende Strukturinformationen verarbeiten. So können semantische Netze in Form von Topic Maps grafisch und Ontologien formell Verknüpfungsstrukturen innerhalb von Kooperationsnetzen beschreiben.8 Die Beziehungen zwischen Personen, Dokumenten, Terminen, Themen-, Foren-, Weblog-, Wiki-Einträgen etc. in organisationsübergreifenden Netzwerken, die naturgemäß vielschichtiger als in intraorganisationalen Netzwerken sind, können so transparent gemacht werden. Insgesamt sind Webplattformen mit Web 2.0 ergänzt um Collaboration Tools und Semantic-Web-Technologien eine gute Basis für die Unterstützung von Arbeitsgruppen und Communitys und damit für Wissensmanagement in Netzwerken.
Der Einsatz von ITK-Plattformen zur Unterstützung von Communitys und Arbeitsgruppen lohnt sich insbesondere, je mehr Partner zeitlich und geografisch verteilt an oder mit digitalen Dokumenten auf Basis komplexer, digital repräsentierbarer Informationsmaterialien arbeiten. Persönliche Treffen werden in diesem Umfeld eher für den sozialen Austausch und als besondere Abstimmungstreffen denn als Arbeitsmeetings eingesetzt. Die Verlagerung eines Großteils der Arbeit auf eine Plattform bringt neben der zeitlichen und örtlichen Flexibilität, der Strukturierungsmöglichkeit durch IT-gestützte Workflows und einer zentralen Datenhaltung auch die oft genannten Einsparungen bei den Reisekosten.
Für kleine, lokale Netzwerkgruppen, bei denen die regionale Identität, der persönliche Kontakt oder die persönliche Vertrauensbasis eine entscheidende Rolle spielten, sind Arbeitstreffen im Vergleich zur Arbeit auf einer Plattform nicht selten das probatere Mittel. Aber natürlich können auch in diesen Fällen Webplattformen sinnvoll eingesetzt werden, etwa für die zentrale Datenablage, nur sind die Anforderungen hier deutlich geringer.
1 Pawlowsky, P.; Gerlach, L.; Hauptmann, S.; Puggel, A.: „Studie zum Wissen als Wettbewerbsfaktor in kleinen und mittelständischen Unternehmen“, TU-Chemnitz Lehrstuhl für „Personal und Führung“, www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl6/prints/fokus_prints_09-06.pdf (Chemnitz) 2006.
2 Vgl. Dufft, N.: „Report – Web 2.0 in Unternehmen – Potenziale von Wikis, Weblogs und Social Software“, Berlecon Reseacrh, www.berlecon.de/web2.0, April 2007
3 Vgl. DIN-PAS 1063 – Einführung von Wissensmanagement in Netzwerken, erstellt im Rahmen des Förderprojektes WivU – Wissensmanagement in virtuellen Unternehmen zur Effizienzsteigerung des Service
4 http://forum-mainz.de
5 Vgl. Finke, I., Kohl, H.: „Verbandsinteressen statt Unternehmensziele“, Wissensmanagement Heft 5 Juli/August 2006
6 Strategie BITKOM 2010 – Status-Ziele-Maßnahmen, Informationsbroschüre des Verbandes, Berlin 2004
7 Denisson, E., Hrsg. Prof. E. Frieling: „Netzwerke als Form der Weiterbildung“, Schriftenreihe Personal- und Organisationsentwicklung, Dissertation an der Universität Kassel (Kassel) 2006, S. 31Ff
8 Damm, D.: „Eine IS-Plattform zur Unterstützung interorganisationaler Netzwerke“ (Dissertation), Universität Zürich, Dezember 2003, S. 325; John, M.: „Semantische Technologien in der Anwendung“, Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (FIRST), 2006
Thomas Klauss ist Projektleiter beim BITKOM für das Projekt METORA. Seit circa zehn Jahren arbeitet er als Projektmanager und IT-Berater im Bereich webbasierter Projekte im Bereich Dokumenten-, Content-, Medien- und Wissensmanagement für große und mittelständische Unternehmen und Institutionen.
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