Verbändereport AUSGABE 2 / 2011

Print ist tot! Es lebe Print!

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Die Neuen Medien samt Web 2.0 und Social Media sind in aller Munde, doch was ist eigentlich mit der guten alten Verbandszeitschrift? Wo hat das klassische Medium seinen Platz in der neuen Medienwelt? Und worauf muss ein Verband achten, um diesen Platz künftig erfolgreich zu belegen? Ein Einblick in die Entwicklung und Umsetzung von Verbandszeitschriften.

Wer einen Blick in die prall gefüllten Regale eines Zeitschriftenladens wirft, ahnt, was eine der größten Herausforderungen für die Macher einer Verbandszeitschrift ist: Wie unterscheidet sich das Verbandsmedium von der sonstigen Medienflut? Oder wie kann es zumindest Schritt halten? Die großen Verlage geben nicht nur die Geschwindigkeit des Magazinmarktes vor, sie haben auch wesentlichen Einfluss auf unsere Lesegewohnheiten. Zudem liegt die Qualitäts-Messlatte aufgrund der immensen Vielfalt der deutschen Zeitschriftenlandschaft sehr hoch. Zwar stehen die Verbandsmedien nicht in direkter Konkurrenz mit dem freien Medienmarkt, jedoch müssen sie sich an „Alltagsmedien“ messen lassen. Keine leichte Aufgabe für einen Verband, aber dennoch eine große Chance für Mitglieder und Stakeholder. Wenn auch die statistischen Erhebungen für die Landschaft der Verbandsmedien fehlen, ist eine enorme Vielfalt erkennbar. Selbst kleinste Verbände geben Magazine heraus, die mitunter nur ein paar Hundert Hefte auflegen.

Aber was sind die entscheidenden Elemente für den Erfolg einer Verbandszeitschrift? Eine Zeitschrift um der Zeitschrift willen ist zu teuer und kann auf Dauer nicht bestehen. Also braucht es zunächst ein inhaltliches und redaktionelles Konzept für solch ein Medium, das zum Verband und seinen Mitgliedern passt. Darin müssen im Wesentlichen die Ziele und Aufgaben sowie die Zielgruppen und die inhaltliche Ausrichtung definiert werden. Die wichtigste Aufgabe einer Konzeption ist das Fragenstellen. Die wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: Braucht der Verband eine Zeitschrift und wenn ja, warum? Gründe gibt es so viele, wie es in Deutschland Verbände gibt: Angefangen von der Informationspflicht beispielsweise zu gesetzlichen Veränderungen über Lobbyarbeit und Agenda Setting bis hin zum Service für Verbandsmitglieder. Zudem gilt es im Rahmen der Konzeption aber auch ganz praktische Dinge zu klären, wie beispielsweise die Auflage, die Erscheinungsweise, den Heftumfang und die Frage, ob es sich um ein reines Verbandsmedium oder gar eine Fachzeitschrift für eine Branche handelt.

Auf den Inhalt kommt es an

Mit der Zielgruppe steht und fällt letztlich auch der Inhalt eines Magazins. Die Leserschaft erwartet einen Mehrwert aus den Inhalten. Um ein Zeitschriftenkonzept nachhaltig zu gestalten, kann eine Befragung der Zielgruppen ob ihrer Interessen und Erwartungen an solch ein Medium wichtige Auskünfte geben. Die Einbindung der Adressaten hat zudem den Charme, dass von Beginn an ein Dialog zwischen den Machern und der Leserschaft besteht. Ein wichtiges Element, schließlich braucht die Redaktion Protagonisten und Inputgeber und die Leser wollen sich oder zumindest ihre Belange und Themen im Heft wiederfinden. Zudem kann aus solch einem Dialog eine „Community“ entstehen, die nicht nur für das Medium Zeitschrift, sondern vor allem auch für die interne Kommunikation eines Verbandes neue Möglichkeiten eröffnet, etwa durch eine Onlineplattform.

Aus der Leseranalyse lassen sich die Bestandteile für das inhaltliche und redaktionelle Konzept ableiten. Etwa mit welchen journalistischen Stilen und Instrumenten die Redaktion arbeitet und in welchem Maß Fachjargon verwendet wird. Wendet sich das Blatt nur an die Mitglieder, ist davon auszugehen, dass die Leserschaft mit der „Fachsprache“ vertraut ist. Erfüllt die Zeitschrift jedoch auch den Zweck der Öffentlichkeits-, Lobby- und Aufklärungsarbeit, braucht es eine verständliche Sprache, in der Termini erklärt werden. Der inhaltliche Aufbau der Zeitschrift muss der Zielgruppe Orientierung geben und Themenbereiche als Rubriken wiedererkennbar machen. Ein besonderes Augenmerk verlangt das Inhaltsverzeichnis. Hier gilt: klare und einfache Struktur, die auf den ersten Blick die wichtigsten Informationen liefert. Eine Kombination aus Bild und Text eignet sich, um ausgewählte Themen hervorzuheben. Übrigens: Der Blick in andere Magazine aus möglichst verschiedenen Bereichen inspiriert und hilft bei der Gestaltung der eigenen Zeitschrift.

Zum redaktionellen Konzept gehört auch die Frage, ob die Zeitschrift journalistisch „unabhängig“ ist und wer am Ende vor dem Druck das letzte Wort hat. Vor allem aber: Wer bildet die Redaktion? Hier bieten sich eine Reihe von Möglichkeiten: hauptamtliche Mitarbeiter oder ehrenamtliche Mitglieder oder beides. Eine Reihe von Verbänden greift aber auch auf externe Redaktionen, freie Mitarbeiter, Journalisten und Agenturen zurück. Die Beantwortung dieser Fragen ist eng an die Frage nach der Finanzierung einer Mitgliederzeitschrift gebunden.

Zahlreiche Finanzierungsmodelle möglich

Abonnement- oder anzeigenbasierte Finanzierung, freier Verkauf, Finanzierung über die Mitgliederbeiträge, ein eigenes Budget im Verbandshaushalt oder eine externe Partnerlösung, bei der ein Dienstleister das wirtschaftliche Risiko trägt. Der Möglichkeiten gibt es viele. Entscheidend ist eine detaillierte Prüfung aller organisatorischen Abläufe und der wirtschaftlichen Komponenten der verschiedenen Optionen und eine realistische Einschätzung der eigenen Ressourcen. Denn soll die Redaktion und Gestaltung durch hauptamtliche Mitarbeiter übernommen werden, müssen entsprechende Stellen geschaffen werden — eine Zeitschrift macht man nicht nebenbei. Übernehmen die Ehrenamtlichen die Texterstellung, braucht es dennoch eine Schnittstelle über die alle redaktionellen und organisatorischen Abläufe koordiniert werden.

Auch der Anzeigenvertrieb ist ein Ganztagsjob und die Frage der Gestaltung des Magazins und von Kosten für Bilder und Grafiken muss in der Finanzierung Berücksichtigung finden. Mit der Produktion und der Distribution werden in der Regel Dienstleister beauftragt. Hierbei gilt es jedoch sehr genau die Angebote zu prüfen und regelmäßig neue Angebote einzuholen, da gerade die Preisveränderungen der letzten Jahre in der Druckbranche enorm waren. Je nach Größe und Aufgaben des Verbandes kann die Gründung einer eigenen Gesellschaft für die Abwicklung der Zeitschrift und eventuell auch anderer Publikationen sinnvoll sein. Für diese Entscheidung braucht es zuvor eine wirtschaftliche und juristische Beratung.

Neben all den infrastrukturellen Herausforderungen braucht es einen Prozess, der die alltägliche Redaktionsarbeit strukturiert. Dazu gehören zu Beginn die Themensuche und die Festlegung der Themen in einer Redaktionssitzung. Je nach Verband wohnen der Redaktionssitzung verschiedene Vertreter des Verbandes bei. Wichtig ist an dieser Stelle vor allem für Verbände mit ehrenamtlichen Strukturen, dass die Besetzung des Redaktionsteams nicht nach Amt, sondern nach Kompetenz erfolgt. Stehen die Themen für ein Heft, erfolgen meist parallel die Texterstellung und grafische Heftplanung sowie die Bildersuche beziehungsweise die Erstellung von Bildern und Grafiken. Mit Blick auf das Budget bieten sich heute vor allem bei der Bildsuche zahlreiche Bilddatenbanken mit einer großen Bandbreite verschiedener und oft vergleichsweise günstiger Fotomotive an. Die nächsten Schritte im Umsetzungsprozess sind das Layout und das Lektorat, bevor das Magazin nach einer Endabnahme in die Produktion
geht.

Das Auge isst mit

Neben der Frage, wer die Gestaltung übernimmt, ist vor allem wichtig, wie das Erscheinungsbild aussieht. Grundsätzlich ist zu empfehlen, eine Verbandszeitschrift an das grafisch Erscheinungsbild (Corporate Design) eines Verbandes anzulehnen. Denn dies stärkt den Wiedererkennungswert und somit die Präsenz des Verbandes. Bei Verbänden mit großem ehrenamtlichem Beteiligungsanteil trägt die kontinuierliche Präsenz des Erscheinungsbildes dazu bei, es bis an die Basis durchzusetzen. Entscheidend für die optische Gestaltung ist eine hohe Professionalität, denn die Konkurrenz an Printmedien ist ebenso hoch wie der Qualitätsstandard dieser Blätter.

Veränderung tut gut

Die Entwicklung eines Zeitschriftenkonzeptes ist komplex, braucht Zeit und nicht selten erweist sich externe Unterstützung als sinnvoll, denn sie bringt eine neue Perspektive mit und schützt vor „Betriebsblindheit“. Übrigens gehört eine Zeitschrift regelmäßig auf den Prüfstand, denn es gilt beispielsweise auf Entwicklungen der modernen Internetwelt zu reagieren und auch den Heftaufbau zu hinterfragen. Und die beschriebenen Konzeptelemente gelten sowohl für eine Neuentwicklung als auch für die Neugestaltung einer bestehenden Zeitschrift. Die Überprüfung eines Konzeptes bedeutet auch nicht, das gesamte Konzept permanent infrage zu stellen oder jeden medialen Trend mitzumachen, sondern vielmehr die maßvolle Anpassung an Entwicklungen. Denn ein steter Wandel tut jedem Medium gut. Oftmals braucht es nicht viel, um einer Verbandszeitschrift neuen Schwung zu geben. Die klassischen Elemente, die sich kontinuierlich überprüfen lassen, sind:

  • Heftaufbau und Lesefreundlichkeit
  • Qualität des journalistischen
    Handwerks
  • Einbindung der Leserschaft
  • Erscheinungsbild der Zeitschrift

Daraus lassen sich auch verschiedene Phasen beziehungsweise Möglichkeiten einer Optimierung ableiten: kleine Änderungen ohne Kosten, kleine Änderungen mit Kosten und große oder grundsätzliche Veränderungen des Konzeptes die meist mit deutlich mehr Kosten verbunden sind. Für den Relaunch oder die Optimierung einer Verbandszeitschrift gibt es einige Grundregeln, auf die ein Verband achten sollte, um solch einen Prozess erfolgreich gestalten zu können. Die Grundvoraussetzung ist eine ausführliche Analyse. Auch hier kann es sinnvoll sein, die Leserschaft etwa durch eine Befragung einzubinden und auf externe Unterstützung zurückzugreifen, um neue Sichtweisen zuzulassen. Zudem können externe Experten bei Überzeugungsarbeit innerhalb des Verbandes helfen. Wichtig ist jedoch, dass Optimieren oder Verändern nicht bedeutet, dass alles Bisherige schlecht ist und wegmuss. Last but not least gilt es auch bei einem Veränderungskonzept zu beachten, dass eine für den jeweiligen Verband realistische Zeitplanung aufgestellt wird.

Verbandszeitschriften und die „neuen Medien“

Facebook, Twitter und dann noch das iPad. Die Welt wird immer digitaler. Wo ist da noch Platz für ein klassisches Zeitschriftenformat eines Verbandes? Vieles weist darauf hin, dass wir uns aktuell in einer Umbruchphase befinden, in der sowohl die klassischen als auch die modernen Medien ihren Platz suchen. Wo die Reise hingeht, kann derzeit niemand wirklich sagen. Sicher ist aber, dass die Macher von Zeitschriften sich mit den Möglichkeiten und Chancen des Web 2.0 und all seinen Errungenschaften vertraut machen müssen. Letztlich eröffnen sich dadurch weitere Wirkungsmöglichkeiten für eine Verbandszeitschrift. Denn das Internet bietet zahlreiche Schnittstellen, die dazu beitragen können, die Leserschaft der Zeitschrift zu vergrößern oder auf die Inhalte und somit auf die Themen eines Verbandes aufmerksam zu machen. Auf der Website des Verbandes sollte ein Bereich für die Zeitschrift eingerichtet werden, in dem neben dem E-Paper weiterführende Informationen zu im Heft behandelten Themen zu finden sind.

Für die Nutzer von Smartphones und dem iPad sollten entsprechend optimierte Applikationen bereitstehen, damit auch über diese Geräte ein barrierefreier Zugang zur Zeitschrift möglich ist. Podcasting bietet sich an, um ausgewählte Beiträge zusätzlich in einer anderen redaktionellen Form darzustellen und so auch für die Zeitschrift zu werben. In einer eigenen Community oder einem sozialen Netzwerk wie Facebook können Artikel und Themen diskutiert werden und so kann ein Erfahrungs- und Meinungsaustausch unter den Mitgliedern ermöglicht werden. So kann der bereits beschriebene Dialog zwischen Redaktion und Lesern, der auf dem analogen Weg erfahrungsgemäß eher selten ist, befördert und fortlaufend aufrechterhalten werden. Wenn eine Zeitschrift Zukunft haben soll, müssen im Umgang mit den beschriebenen Webelementen folgende Dinge Berücksichtigung finden: Alles, was der Zeitschrift nutzt, ist gut. Das heißt, die Aktivitäten im Internet sollten dazu dienen, die Zeitschrift bekannter zu machen, den Mehrwert für die Leser zu verdeutlichen und vor allem einen einfachen Zugang zum Medium zu ermöglichen. Die Webaktivitäten rund um eine Zeitschrift dürfen die Zeitschrift nicht ersetzen oder überflüssig machen.Fast 150 Jahre lang haben wir Menschen uns an das Zeitungs- und Zeitschriftenformat gewöhnt. Das heißt, es wird nicht von heute auf morgen durch Touchdisplays abgelöst. Dennoch müssen auch die Macher von Verbandszeitschriften die Entwicklung der Mediennutzung kontinuierlich beobachten und sich vor allem mit der eigenen Leserschaft darüber austauschen, um den Veränderungsprozess aktiv mitzugestalten. Denn nur so hat die Zeitschrift auch in Zukunft ihren Platz in der Kommunikationswelt der Verbände.

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Autor/in

Daniel Günther

arbeitete zunächst als freier Journalist, bevor es ihn zum Radio und später in die PR zog. Seit 2005 ist er Inhaber der Agentur DIALOG Public Relations mit Sitz in Bremen und Berlin, Verleger verschiedener Zeitschriften und seit 2009 Dozent für PR an der Universität Bremen. Die verbandliche Kommunikationswelt kennt er durch jahrelanges Engagement in verschiedenen Organisationen.

http://www.dialog-pr.de

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