Verbändereport: Sehr geehrter Herr Professor Pestke, Sie haben in Ihrem Verband, dem Deutschen Steuerberaterverband, ein Qualitätsmanagementsystem eingerichtet und haben dieses auch zertifizieren lassen. Warum haben Sie das getan?
Pestke: Der Deutsche Steuerberaterverband hat sehr früh die Auffassung vertreten, dass das Thema Qualitätssicherung das entscheidende berufs- und verbandspolitische Thema der Zukunft sein wird. Seit geraumer Zeit haben wir immer wieder dafür plädiert, dass sich Steuerberater mit dem Qualitätsmanagement befassen und auch entsprechende Dienstleistungen hierfür entwickelt. Wer so etwas empfiehlt, sollte auch selbst zeigen, dass er Qualitätsmanagement nicht nur predigt, sondern es auch auf die eigene Arbeit anwendet.
Verbändereport: Wie sind Sie vorgegangen und wie sieht Ihr System aus?
Pestke: Wir haben einen langen und teilweise auch recht schwierigen Weg hinter uns, haben uns jetzt letztendlich aber doch „durchgebissen“. Das Ergebnis sieht so aus, dass wir ein elektronisches, intranet-gestütztes Qualitätsmanagementsystem entwickelt haben, auf das jeder Mitarbeiter jederzeit Zugriff hat und in dem nahezu alle unsere Arbeitsgänge, seien sie nun interner oder externer Art, dokumentiert sind. Dabei gehen wir prozessorientiert vor, das heißt, wir kategorisieren Führungs-, Leistungs-, Unterstützungs- und Überwachungsprozesse, listen innerhalb dieser Prozessgruppen die relevanten Prozesse auf und dokumentieren diese Tätigkeitsschritt für Tätigkeitsschritt nach den Gesichtspunkten „Was muss getan werden?“, „Wann muss es getan werden?“, „Wie muss es getan werden?“, „Von wem muss es getan werden?“, „Warum muss es getan werden?“ und „Womit?“, das heißt, mit welchem Hilfsmittel, welches dann immer auch gleich per Link angebunden ist, lässt sich diese Arbeit am einfachsten und sichersten erledigen? Technische Grundlage unseres Systems ist das Programm WissIntra der Firma WissGroup, Koblenz.
Verbändereport: Ist diese Vorgehensweise auch auf andere Organisationen übertragbar?
Pestke: Grundsätzlich ja, wobei natürlich nicht jede Besonderheit, die wir etwa bei unserem Verband vorfinden, von anderen Organisationen übernommen werden könnte. Das Grundmodell aber, wie ich es eben kurz angedeutet habe, ist auf andere Verbände und vergleichbare Organisationen übertragbar. Sie passen im Grund auf jedes Unternehmen.
Verbändereport: Welche konkreten Vorteile sehen Sie für sich, das heißt für Ihren Verband darin, ein Qualitätsmanagementsystem eingeführt zu haben?
Die Einführung eines solchen Systems stellt aus unserer Sicht eine erhebliche Professionalisierung dar. Mit Wirkungen nach innen und nach außen. Es entsteht Handlungssicherheit, indem die Mitarbeiter genau erkennen können, was zu geschehen hat und wie es zu geschehen hat. Die Transparenz in unserem Verband wird erheblich verbessert. Wir haben deshalb auch bewusst mehr in unser Qualitätsmanagementsystem hinein genommen als etwa nur risikorelevante Prozesse. Wir wollten sozusagen eine Abbildung unseres „Unternehmens“, die das relevante Know-How, welches sich im Laufe von Jahrzehnten in unserem Verband angesammelt hat, sichtbar macht: Wissensmanagement statt nur Risikomanagement. Schließlich bietet unser QM-System die Möglichkeit zu ständiger Verbesserung, indem wir uns immer wieder fragen, ob die Dinge so, wie wir sie geregelt haben, gut geregelt sind oder nicht doch noch besser geregelt werden können. Schließlich haben wir im Zuge unseres QM-Prozesses viel in Sachen Strategieentwicklung, Kommunikation, Human Ressource und Controlling hinzugelernt und dies im System auch festgehalten.
Verbändereport: Ist dafür eine Zertifizierung erforderlich?
Pestke: Eine Zertifizierung ist nicht zwingend, aus unserer Sicht ist sie aber sinnvoll. Qualitätsmanagement ohne Zertifizierung kommt mir vor wie ein Studium ohne Prüfung, irgendwie fehlt da etwas. Der Zertifizierer, in unserem Falle die DQS, hat uns auch während der Zertifizierung wichtige Anregungen zur weiteren Verbesserung unseres Systems gegeben. In diesem Sinne sollte ein Zertifizierer nie nur Kontrolleur sein, sondern Partner des Managements, die Organisation zu verbessern. Die Zertifizierung und insbesondere die jährlichen Überprüfungsaudits bewirken den Zwang, den inneren „Schweinehund“ zu überwinden und das System ständig im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung, z. B. im Rahmen interner Audis, auf den Prüfstand zu stellen und es fortzuentwickeln. Das ist es letztlich, was den Qualitätsfortschritten Schub gibt.
Verbändereport: Welche konkreten Vorteile sehen Sie für Ihre Mitglieder?
Pestke: Konkrete Vorteile für die Mitglieder sind die stärkere Ausrichtung unserer Aktivitäten an ihren Bedürfnissen und Wünschen sowie - einfach ausgedrückt - bessere Dienstleistungen.
Verbändereport: Sehen Ihre Mitglieder das auch so?
Pestke: Zu unserem QM-System gehören als integraler Bestandteil auch Mitgliederbefragungen, wobei wir unter Mitgliedern sowohl unsere Mitgliedsverbände als auch deren Mitglieder, also die einzelnen Steuerberater, verstehen. Erste Reaktionen sind sehr positiv ausgefallen.
Verbändereport: Wie viel Zeit und Aufwand waren erforderlich, bis Sie Ihren Verband haben zertifizieren lassen können?
Pestke: In unserem konkreten Falle, der allerdings durch den Umzug unseres Verbandes von Bonn nach Berlin und damit durch eine erhebliche Personalfluktuation beeinträchtigt war, hat es atypisch lange, nämlich rund vier Jahre gedauert, bis wir die Zertifizierung erreicht hatten. Dies ist aber auf besondere Umstände zurückzuführen und muss durchaus nicht bei jedem Verband so sein. Man muss berücksichtigen, dass bisher kaum Dachverbände zertifiziert sind und dass wir sozusagen Pionierarbeit geleistet haben. Noch dazu, ohne uns großartig extern beraten zu lassen. Normalerweise sollte sich – je nach der Größe des Verbandes – der QM-Prozess auch in deutlich kürzerer Zeit, etwa in 6 bis 12 Monaten, verwirklichen lassen, insbesondere dann, wenn man sich schon an internen und externen Vorlagen orientieren kann. Hierzu zwei Bemerkungen: Erstens: Ein QM-System kann nur eingeführt werden, wenn die Mitarbeiter mitziehen. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass die Verbandsspitze bzw. die Geschäftsführung eines Verbandes die Nützlichkeit dieses Vorgehens aus dem Selbstinteresse jedes Einzelnen und des Verbandes sowie seiner Mitglieder begründen und so die Akzeptanz und den Wunsch nach einem QM-System auch bei den Mitarbeitern fördern. Zweitens: Die Entwicklung eines QM-Systems wird deutlich beschleunigt, wenn man am Anfang einmal ganz nüchtern alle tatsächlich vorkommenden Prozesse auflistet, vorhandene Vorlagen (Musterschreiben, Musterprotokolle etc.) zusammenträgt und frühzeitig den Umgang mit der entsprechenden Software erlernt, um Prozesse schnell schreiben und umschreiben zu können.
Foto: RA/FAStR Prof. Dr. Axel Pestke, Hauptgeschäftsführer des DStV
Verbändereport: Was hat das Ganze gekostet?
Pestke: Das intensive Engagement aller Mitarbeiter, aber letztlich wenig Geld.
Verbändereport: Kann man nähere Informationen bekommen, wenn man sich für diese Methode interessiert?
Pestke: Wir haben bereits einige Informationen auf unsere Internetseiten (www.dstv.de) gesetzt. Außerdem entwickeln wir gemeinsam mit der DGVM gegenwärtig ein Konzept, wie Verbände ein verbandstypisches Gütesiegel erlangen können, mit dem die ISO-Anforderungen erfüllt und zum Teil übererfüllt werden. Ich denke, wir werden hierüber schon in Kürze mehr sagen können. (WL)