Verbändereport AUSGABE 1 / 2010

Qualitätsmanagement ist ein offener Prozess

Erfahrungsbericht über die Einführung eines QMS nach DGVM ZERT beim Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ)

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Die Wirtschafts- und Finanzkrise spüren insbesondere die Unternehmensverbände durch wegschmelzende Beitragseinnahmen. Bis zum Jahre 2008 konnten sie sich auf konstante Mitgliedsbeiträge und Drittmittel als zusätzliche Einnahmequelle verlassen und das Leistungsangebot gegenüber den Mitgliedern ausbauen. Diese Situation hat sich jetzt verändert. Nunmehr können die wenigsten Verbände noch auf steigende Beitragseinnahmen bauen. Das ist der Zeitpunkt, an dem ein gutes Qualitätsmanagementsystem (QMS) im Verband Wirkung zeigt.

Das QMS hilft, frühzeitig auf Veränderungen der Rahmenbedingungen aufmerksam zu machen. Effizienz, Kreativität und Innovation zählten schon immer zu den Grundsätzen des VDZ. Mehr als ein reiner Dienstleistungsverband hat sich der VDZ als Frühwarnsystem für potenzielle Probleme der Branche verstanden und seinen Mitgliedern belastbare Lösungen angeboten.

Mit der Entscheidung, ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen, wurde der Wunsch verfolgt, die besonders gute Performance des Verbandes, die 2004 von der DGVM mit der Auszeichnung „Verband des Jahres“ gewürdigt wurde, nachhaltig sicherzustellen.

Im September 2007 hat der Verband damit begonnen, ein Qualitätsmanagementsystem nach den Kriterien der ISO und DGVM ZERT aufzubauen. Mit der Einführung eines QMS sollte einerseits der hohe Qualitätsstandard gesichert und andererseits der Verband auch für schwierige Zeiten gewappnet werden. Neben den Kriterien der ISO Norm 9001:2000 wurden auch die Kriterien der DGVM ZERT angelegt, die über die Anforderungen der ISO hinausgehen. Mit besonderem Augenmerk für das verbandliche Finanzmanagement machen die Anforderungen der DGVM ZERT eine lüc-kenlose Dokumentation des Finanz- und Rechnungswesens erforderlich. Die Entscheidung, beide Normen anzuwenden, wurde bewusst getroffen, um den besonderen Spezifikationen eines Verbandes gerecht zu werden.

Die Grundanforderung beider Normen ist es, die Geschäftsabläufe in Prozesse zu unterteilen und diese in einer angemessenen Auflösung zu dokumentieren, siehe Abbildung 1.

Aufteilung in Prozesse

Im Gegensatz zu einer arbeitsplatzbezogenen Betrachtung, die auf den ersten Blick naheliegend erscheinen würde, ist es vorteilhaft, den Geschäftsablauf in logisch verknüpfte Prozesse zu zerlegen. Damit ist die Absicht verbunden, einen Ablauf mit all seinen Aspekten unabhängig von den handelnden Personen aufzuzeichnen; beispielsweise alle Tätigkeiten, die mit dem Prozess Veranstaltungsmanagement von der Akquirierung von Referenten über die Sicherung einer Location bis hin zum Feedback zusammenhängen. Die Prozesse lassen sich auf verschiedene Ebenen bündeln. Dabei stehen als übergeordnete und strategische Prozesse die Geschäftsführung und alle Querschnittsaufgaben, wie das Finanzwesen und das Personalwesen. Darunter hat der VDZ alle mitgliederbezogenen und produktiven Prozesse angeordnet. Hierzu gehören Serviceleistungen, Dienstleistungen und Angebote für die Mitglieder. Verbände haben dabei eine Reihe ganz eigener Prozesse, die für einen Verband charakteristisch sind: die Mitgliederwerbung, -betreuung und -datenpflege.

Die prozessuale Betrachtung der Geschäftstätigkeit hat mehrere Vorteile: Um eine Leistung darzustellen, die ein Verband für seine Mitglieder produziert, verlangt die Prozessdarstellung eine detaillierte Aufzeichnung aller Schritte, die mit der Erstellung dieser Leistung verbunden sind. Eine Arbeitsplatzbeschreibung lässt sich dann wiederum aus der Summe aller Prozessschritte darstellen, die mit einer bestimmten Person verbunden sind.

Die Visualisierung und ausführliche Beschreibung eines Prozesses macht oftmals Redundanzen und Verzögerungen sichtbar. Dieser Vorteil lässt sich auch für eine bessere Ressourceneinteilung zur Vermeidung von Über- oder Unterauslastungen nutzen. Die lückenlose Dokumentation erlaubt es, den Prozess also auf Effizienz hin zu optimieren. Diese verschiedenen „Rollen“, die in einem Prozess verteilt werden, können jederzeit innerhalb der Organisation neu vergeben werden, sodass die Prozesse ein Stück unabhängig von den spezifischen Arbeitsplätzen werden.

Die Norm verlangt eine klare Zuordnung von Verantwortungsbereichen. Dazu gehören auch die Organisationsdarstellung im Organigramm und Vertretungsregelungen. Der Ausgangspunkt jeder einzelnen Prozessbeschreibung ist eine klare Zieldefinierung. Die Prozessbeschreibung endet meistens mit einer Feedback-Abfrage und einem Soll-Ist-Vergleich, der dann wieder mit dem Prozessbeginn gekoppelt wird. Damit ergibt sich ein Kreislauf, der zu einer stetigen Optimierung jedes Prozesses genutzt werden kann.

Geschäftsführung – Personal – Finanzen

Besondere Anforderungen stellen die Normen an die strategischen Prozesse. In diesem Bereich müssen klare Ziele für den Verband definiert werden, die in regelmäßigen Abständen mit einem Soll-Ist-Vergleich zu überprüfen sind. Die definierten Ziele müssen sich deshalb in Kennzahlen darstellen lassen, um das Delta zwischen Zielvorgabe und Ist-Situation genau beziffern zu können. Die Schwierigkeit liegt darin, sinnvolle und pragmatische Ziele und Kennzahlen zu definieren, die im Verband auch nutzbringend angewendet werden können. Es macht keinen Sinn, Kennzahlensysteme aufzubauen, um der Norm gerecht zu werden. Diese Ziele unterliegen auch gewissen Veränderungen und müssen über die Zeit angepasst werden. Dabei gilt, dass ein Qualitätsmanagementsystem nicht in einem Ruck erstellt werden kann, sondern eine Entwicklung über die Zeit erfährt, die zu kontinuierlichen Verbesserungen und Veränderungen führt.

Besonders im Bereich sensibler Prozesse wie dem Finanz- und Personalmanagement, welche mit vertraulichen Daten arbeiten, sind eine lückenlose Prozessdokumentation und die eindeutige Zuordnung von Kompetenzen und Zuständigkeiten besonders wichtig. Klare Zielvorgaben helfen, den Jahreserfolg zu messen und zu bewerten.

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess – KVP

Ein Qualitätsmanagement zeichnet sich dadurch aus, dass Verbesserungen und Optimierung nicht zufällig passieren, sondern gezielt und gelenkt vorgenommen werden. Dazu gehört es, dem Qualitätsmanagement einen eigenständigen Prozess zu widmen, der regelt und dokumentiert, wie Verbesserungen in das System einfließen und umgesetzt werden. Zu den bedeutenden Zielen dieses Prozesses gehört es, die Mitgliederzufriedenheit zu bewerten und zu verbessern und die Anforderungen der Norm weiter zu erfüllen und durch erfolgreiche Audits zu dokumentieren. Der Qualitätsmanagementprozess regelt auch alle Details der jährlich wiederkehrenden Audits. Dabei fällt es dem Qualitätsmanagementbeauftragten zu, die Verbesserungsvorschläge bzw. Probleme zu erfassen. Mit der Lösung eines Problems oder Umsetzung einer Verbesserung müssen sich dann die Prozessverantwortlichen befassen. Dieses System ist besonders wichtig, da es die qualitative Weiterentwicklung der gesamten Organisation sichert. Es erfordert aber ein hohes Maß an Disziplin.

Mitglieder und Dienste

Die mitgliederbezogenen und produktiven Prozesse stellen den Kern der Verbandsarbeit dar. In einem Industriebetrieb würden sie den Prozessen für Kundenzufriedenheit und Produktion entsprechen. Diese Prozesse zeichnen sich durch hohe Komplexität und die Notwendigkeit hohen Fachwissens aus. Deshalb sind personelle Ausfälle in diesen Bereichen schmerzlich für den Verbandsbetrieb und können zu Engpässen führen. Damit geht oft die Notwendigkeit einher, einen temporären oder permanenten Ersatz kurzfristig einarbeiten zu können. Mit einer lückenlosen Prozessoptimierung lassen sich die Einarbeitungszeiten verkürzen und Know-how im System erhalten. Außerdem können im Rahmen der Dokumentation beispielsweise wichtige Checklisten für regelmäßige Veranstaltungen aufgenommen werden, die die Organisation drastisch vereinfachen und die Fehleranfälligkeit des Systems reduzieren. Von diesen Dokumenten können alle Mitarbeiter jederzeit profitieren. Der VDZ hat hierfür eine dezentrale Datenbank zur Dokumentation der Prozesse angelegt. Der Vorteil einer solchen Anordnung liegt in der Möglichkeit zur dezentralen Erstellung, Pflege und Nutzung des Systems.

Auditor und Organisation

Durch das Qualitätsmanagementsystem erstellt die Organisation eine transparente Dokumentation über ihre Geschäftsabläufe. Dies fördert viele sensible Prozesse der Organisation zutage, in die der Zertifizierer Einsicht erhält. Dabei sollte man zu dem Auditor ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis haben. Jeder Auditor ist zwar zur Diskretion verpflichtet, die Zusammenarbeit wird aber vereinfacht, wenn beide Seiten gegenseitiges und unvoreingenommenes Vertrauen gewähren und genießen. Ebenso wichtig für eine erfolgreiche Zertifizierung ist das Einfühlungsvermögen des Auditors in die Organisation. Alle Organisationen sind verschieden und leben unterschiedliche Kulturen. Deshalb werden auch nicht alle Normen in jeder Organisation auf die gleiche Art und Weise erfüllt. Es ist nützlich, wenn der Auditor genügend Verständnis für den Aufbau und die Aufgaben der Organisation sowie der Branche mitbringt. Es ist sinnvoll, die notwendigen jährlichen internen Audits durch einen externen Berater vornehmen zu lassen. Sie gehören zu den Anforderungen der Auditierung. Beim internen Audit werden alle Prozesse mit den Normanforderungen verglichen und etwaiger Anpassungsbedarf dokumentiert, sodass bis zum tatsächlichen Audit alle Mängel bereinigt werden können.

Resümee

Mit der Hilfe des Zertifizierungs-Coaches und Beraters Dirk Lötsch von Mindfruits hat es der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger geschafft, von September 2007 bis August 2008 ein Qualitätsmanagementsystem aufzubauen, das die Erstzertifizierung ohne Beanstandungen durchlaufen konnte. Die Zertifizierung eines Verbandes ist nicht nur gegenüber den Mitgliedern ein deutliches Zeichen, dass man sich der Einhaltung von Qualitätsstandards verpflichtet fühlt. Es dokumentiert auch nach innen gegenüber den Mitarbeitern, dass es klar gegliederte Bereiche und Zuständigkeiten sowie definierte Ziele für die -Organisation gibt. Die Visualisierung der Abläufe und des Geschäftsprozesses hilft, den Zusammenhang eines jeden Arbeitsschritts in der Organisation darzustellen und zu erklären.

Qualitätsmanagement ist ein offener Prozess, der nie abgeschlossen oder in eine feste Form gegossen ist. Jede Organisation ist auch eine lernende Organisation. Qualitätsmanagement hilft, das Gelernte festzuhalten und nachhaltig zum Vorteil der Organisation zu verankern. Dieser Charakter des Qualitätsmanagements stimmt mit dem Anspruch des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger überein, sich immer wieder neu zu erfinden und zu hinterfragen und seinen Mitgliedern ein wertvoller Dienstleister und Berater zu sein.

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