Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist grundsätzlich sozialversicherungsfrei, soweit es sich um ein unentgeltlich geleistetes bürgerschaftliches Engagement handelt. Werden für ehrenamtliche Tätigkeiten gleichwohl so genannte Aufwandsentschädigungen oder angemessene Entschädigungen für Zeitversäumnis und Verdienstausfall gezahlt, ist in der Sozialversicherung eine Abgrenzung zwischen ehrenamtlicher und damit sozialversicherungsfreier Tätigkeit und einem entgeltlichen, abhängigen Beschäftigungsverhältnis erforderlich.
Die Sozialversicherungspflicht richtet sich danach, ob eine Tätigkeit, für die eine Aufwandsentschädigung gewährt wird, eine Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts ist. Dies wird nach den von der Rechtsprechung zum Begriff des Beschäftigungsverhältnisses entwickelten Kriterien beurteilt. Bei dieser Beurteilung sind die Sozialversicherungsträger und die zuständige Sozialgerichtsbarkeit nicht an die Entscheidungen der Finanzbehörde gebunden. Sie beurteilen unabhängig von der lohnsteuerrechtlichen Behandlung nach den tatsächlichen Verhältnissen gegebenenfalls auf Versicherungspflicht, sofern ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegen Entgeltzahlung vorliegt.
Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt
Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Merkmal eines solchen Beschäftigungsverhältnisses ist neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit, bezogen auf die Arbeitsentgeltzahlung durch den Arbeitgeber, vordergründig die „persönliche Abhängigkeit“. Diese ergibt sich aus der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers, Ort, Art, Zeit und Dauer der Beschäftigung festzulegen. Zwar kann die Weisungsbefugnis im Einzelfall stark eingeschränkt sein, dennoch liegt auch dann eine fremdbestimmte Arbeitsleistung des Beschäftigten vor, wenn die von ihm zu erfüllenden Aufgaben von der Ordnung des Betriebes geprägt werden, in welchen er eingegliedert ist.
Beitragspflichtiges Arbeitsentgelt
Wird allerdings Entgelt im Sinne der Sozialversicherung nicht ausgezahlt, entsteht keine Versicherungspflicht. Gemäß § 14 SGB IV gehören zum Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Ausdrücklich regelt § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV, dass steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz (EStG) genannten steuerfreien Einnahmen nicht als Arbeitsentgelt gelten. Für zahlreiche ehrenamtliche Tätigkeiten bleiben Aufwandsentschädigungen in einem nicht unerheblichen Anteil nach § 3 Nr. 12 oder auch nach § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei. Insoweit liegt dann nach § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt vor und somit auch keine Sozialversicherungspflicht. Soweit die gezahlten Aufwandsentschädigungen die steuerfreien Beträge überschreiten, sind sie steuerpflichtiges Einkommen beziehungsweise sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt.
Bei der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung von ehrenamtlicher Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis wird als starkes Kriterium die „persönliche Abhängigkeit“ angesehen. Beispielsweise beurteilen die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger die Führungskräfte in den Bayerischen Feuerwehrvereinen als abhängig Beschäftigte. Die Weisungsgebundenheit der Feuerwehrführungskräfte gegenüber den Kommunen beziehungsweise Landkreisen kommt bereits darin zum Ausdruck, dass diesen die Einrichtung, der Unterhalt sowie der Betrieb des Feuerwehrwesens obliegen. Die den Feuerwehrführungskräften gewährte Aufwandsentschädigung stellt insoweit Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung dar, als sie der Lohnsteuerpflicht unterliegt.
Ein weiteres Beispiel für ein sozialversicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis ist die Beurteilung von ehrenamtlichen Bürgermeistern sowie deren Stellvertretern. Zur versicherungsrechtlichen Beurteilung ehrenamtlich tätiger Bürgermeister hat das Bundessozialgericht (BSG) festgestellt, dass ein ehrenamtlich tätiger Bürgermeister, der im Wesentlichen Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen hat, nicht in einem versicherungsrechtlich relevanten Beschäftigungsverhältnis steht. Hat er dagegen überwiegend Verwaltungsaufgaben zu erfüllen, dann geht das BSG grundsätzlich von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis aus.
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vertreten darüber hinaus den Standpunkt, dass in den Bundesländern, in denen Bürgermeister nicht nur Repräsentations-, sondern auch Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, nicht nur der Erste Bürgermeister, sondern auch seine Stellvertreter in einem sozialversicherungsrechtlich relevanten Beschäftigungsverhältnis stehen. Das gilt für Stellvertreter, die für eine eventuelle Vertretung des Ersten Bürgermeisters ständig dienstbereit sein müssen und dafür - unabhängig von ihrer tatsächlichen Vertretung - eine laufende monatliche Aufwandsentschädigung erhalten. Hier ist von einem Dauerarbeitsverhältnis beziehungsweise einer sich regelmäßig wiederholenden Beschäftigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auszugehen. Die Auffassung, es könnte sich um eine kurzfristige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV handeln, ist ausgeschlossen. In der Arbeitslosenversicherung regelt § 27 Abs. 3 Nr. 4 SGB III ausdrücklich, dass die Beschäftigung als ehrenamtlicher Bürgermeister oder ehrenamtlicher Beigeordneter versicherungsfrei ist.
Besonderer Schutz in der Rentenversicherung
Das Arbeitsentgelt ist nicht nur Berechnungsgrundlage für die Beiträge zur Rentenversicherung, sondern auch für die spätere Rentengewährung. Entsteht einem Arbeitnehmer ein Entgeltausfall, führt dies zu einer Verringerung seiner „Entgeltpunkte“ in der Rentenversicherung und damit zu einer Minderung seiner Rentenansprüche. Soweit die Entgeltminderung oder der Ausfall des Arbeitsentgelts darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitnehmer bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten ausübt, besteht die Möglichkeit, diese Nachteile auszugleichen. Vergleichbare Regelungen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung fehlen.
Ehrenamt neben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung
§ 163 Abs. 3 SGB VI erfasst Personen, die in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, jedoch im Hauptberuf bei einem Arbeitgeber versicherungspflichtig beschäftigt sind. Wird aufgrund der ehrenamtlichen Tätigkeit das Arbeitsentgelt aus der Hauptbeschäftigung gekürzt, können Beiträge auch von dem Entgelt berechnet werden, das ohne die Ausübung des Ehrenamtes erzielt worden wäre. Der Beschäftigte hat Anspruch auf Aufstockung des Entgelts für seine Beitragsentrichtung. Aufstockungsbetrag ist der Betrag zwischen dem tatsächlich erzielten Entgelt aus der Hauptbeschäftigung und dem Entgelt, das ohne die ehrenamtliche Tätigkeit erzielt worden wäre. Nicht jede ehrenamtliche Tätigkeit, die zu einer Entgeltminderung führt, berechtigt zur Aufstockung. Erfasst werden nach § 163 Abs. 3 SGB VI nur ehrenamtliche Tätigkeiten für folgende Institutionen:
o Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, deren Verbände einschließlich der Spitzenverbände oder ihrer Arbeitsgemeinschaften,
o Parteien,
o Gewerkschaften,
o Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die wegen des ausschließlichen und unmittelbaren Dienstes für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke von der Körperschaftssteuer befreit sind.
Versicherungspflichtig im Ehrenamt
§ 163 Abs. 4 SGB VI betrifft Personen, deren ehrenamtliche Tätigkeit Versicherungspflicht begründet und die in dem Kalenderjahr vor der Aufnahme des Ehrenamtes freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet haben. Mit dieser Regelung werden die besonderen Interessen versicherungspflichtiger Ehrenamtsinhaber berücksichtigt. Nehmen sie eine niedrig bezahlte ehrenamtliche Beschäftigung auf und haben aber bisher hohe freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt, so müssten sie ohne eine solche Regelung Nachteile in ihrer Altersversorgung hinnehmen. Dieses Recht können nur Personen in Anspruch nehmen, die ein Ehrenamt bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ausüben. Ehrenamtliche Tätigkeiten für die anderen in § 163 Abs. 3 SGB VI genannten Institutionen, Einrichtungen werden nicht erfasst.
Als Aufstockungsbetrag gilt ein beliebiger Betrag zwischen dem Entgelt aus dem Ehrenamt und der jeweils geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (2002: 4.500,00 E West und 3.750,00 E Ost). Dabei ist unbedeutend, in welcher Höhe vor Aufnahme des Ehrenamtes freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden.
Freiwillige Entscheidung
In beiden zuvor beschriebenen Fällen ist die Aufstockung des Entgelts für die Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung (§ 163 Abs. 3 bzw. § 163 Abs. 4 SGB VI) nicht zwingend vorgeschrieben, sondern ein Angebot an den Ehrenamtsinhaber. Er hat, wenn er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen möchte, einen entsprechenden Antrag bei seinem Arbeitgeber zu stellen.
Ein Antrag ist erforderlich
Den Antrag, das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt aufzustocken, hat der Ehrenamtsinhaber bei seinem Arbeitgeber zu stellen. Dieser Antrag kann nur für laufende und künftige, nicht aber für zurückliegende Gehalts- und Lohnabrechnungszeiträume gestellt werden. Wird der Antrag nach Ablauf eines noch nicht abgerechneten Gehalts- und Lohnabrechnungszeitraumes gestellt, kann ausnahmsweise dem Antrag noch für diesen Abrechnungszeitraum entsprochen werden. Sind die Voraussetzungen erfüllt, hat der Arbeitgeber dem Antrag, der eine Willenserklärung darstellt, stattzugeben. Das heißt, er muss Meldungen und Beitragszahlung an die Krankenkasse nicht nach dem tatsächlich gezahlten, sondern nach einem fiktiven Arbeitsentgelt ausrichten (tatsächliches Arbeitsentgelt zuzüglich Aufstockungsbetrag). Der Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlich erzielten Entgelt und dem ausgefallenen Entgelt kann aber nur insoweit der Beitragsberechnung unterworfen werden, als die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung nicht überschritten wird.
Wer trägt den Mehrbetrag?
Die auf den Aufstockungsbetrag entfallenden Rentenversicherungsbeiträge hat der Ehrenamtsinhaber in voller Höhe (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) alleine zu tragen (§ 168 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI). Gegebenenfalls erhält der Ehrenamtsinhaber einen Ausgleich von der Stelle, für die er die ehrenamtliche Tätigkeit ausübt. Schuldner der Beiträge gegenüber der Krankenkasse ist weiterhin der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer hat sich die auf den Aufstockungsbetrag entfallenden Beiträge vom Arbeitsentgelt abziehen zu lassen.
Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung
Für die Berechnung der Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ist nur vom tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt auszugehen. Die Regelungen der Rentenversicherung sind auf die übrigen Sozialversicherungszweige nicht übertragbar.
Ergänzung der Redaktion
Der Begriff „Aufwandsentschädigung“ oder der gleichsinnige Begriff „Aufwendungsersatz“ (§ 670 BGB) wird in der Praxis oft unzutreffend gehandhabt.
Mit dem Aufwendungsersatz (Aufwandsentschädigung) sollen die Vermögensopfer des Vorstandsmitglieds kompensiert werden, die die Tätigkeit üblicherweise mit sich bringt. Dazu zählen beispielsweise Reise-, Post- und Telefonkosten, gegebenenfalls auch Repräsentationskosten (Lang/Weidmüller/Schaffland, Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, § 24 Rnr. 28), nicht jedoch eine Vergütung der Arbeitszeit oder des entgangenen Gewinns.
In einer neueren grundlegenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof hierzu ausgeführt:
„Danach sind Aufwendungen alle Vermögensopfer, die der Vorstand zwecks Ausführung seines satzungsgemäßen Auftrags freiwillig, auf Weisung der hierzu befugten Vereinsorgane oder als notwendige Folge der Auftragsausführung erbringt. Dazu zählen alle Auslagen des Vorstands, insbesondere für Reisekosten, Post- und Telefonspesen, zusätzliche Beherbergungs- und Verpflegungskosten etc. Sie sind erstattungsfähig, soweit sie tatsächlich angefallen, für die Führung des übernommenen Amtes erforderlich und sich in einem angemessenen Rahmen halten. Alle darüber hinaus gewährten Leistungen des Vereins an den ehrenamtlichen Vorstand sind Vergütung, das heißt offenes oder verschleiertes Entgelt für geleistete Tätigkeit als solche.“ (BGB NJW-RR 1088, Seite 745ff.)
Bei der Festlegung der Aufwandsentschädigung ist der Verband unter vereinsrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich frei, soweit er nicht gemeinnützig ist oder die Satzung etwas anderes bestimmt. Soweit die vereinsrechtliche Seite.
Steuerlich sind jedoch beim Aufwendungsersatz-Empfänger eventuell anfallende Abgaben zu berücksichtigen, wenn die Höhe des Aufwendungsersatzes erfahrungsgemäß über die tatsächlichen Aufwendungen hinausgeht. Dann handelt es sich - wie auch der BGH vorstehend ausgeführt hat - nicht mehr um reinen Aufwendungsersatz, sondern um steuerpflichtige geldwerte Vorteile (BGH a.a.O,). Bei Mitvergütung der zur Verfügung gestellten Arbeitszeit kommen auch lohnsteuerliche Aspekte in Betracht, da die Rechtsprechung in diesen Fällen teilweise einen Dienstvertrag annimmt (BFH BStBl. 1988, Seite 726).
Soweit Pauschalen gewährt werden, müssen sie den tatsächlich entstandenen und belegbaren Aufwand der Vorstandsmitglieder abdecken, um als Aufwendungsersatz anerkannt zu werden (BGH a.a.O.). Steuerlich führt pauschaler Auslagenersatz regelmäßig zur Annahme eines Arbeitslohnes, soweit es sich nicht um Bezüge handelt, die erfahrungsgemäß den Aufwand nicht übersteigen (Bundesfinanzhof, BStBl. 1966, Seite 607). Keinen geldwerten Vorteil stellt jedoch der Abschluss einer Haftpflichtversicherung für die Vorstandsmitglieder dar.