Verbändereport AUSGABE 2 / 2011

Umsatzbesteuerung von Seminaren

Bundesfinanzhof nimmt in einem neuen Urteil zu Grundsatzfragen Stellung

Logo Verbaendereport

Fast alle Verbände veranstalten Seminare und Fortbildungsveranstaltungen der verschiedensten Art, teils nur für Mitglieder, teils auch für Außenstehende. Das Thema „Seminare“ hat deshalb Bedeutung nicht nur für Berufsverbände, sondern in gleicher Weise auch für gemeinnützige Verbände und Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Steuerlich steht bei diesen Veranstaltungen meist die Frage im Vordergrund, ob die Teilnehmergebühren der Umsatzsteuer unterliegen. Nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG sind Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Diese Vorschrift wirft in der Praxis eine ganze Reihe von Fragen auf, von denen einige durch ein neues Urteil des BFH (vom 7.10.2010, Aktenzeichen: VR 12/10) mehr oder weniger geklärt sind.

Inhalt des vermittelten Lehrstoffs entscheidet

Nach dem bloßen Gesetzeswortlaut könnte man annehmen, dass es für die Umsatzsteuerbefreiung unerheblich ist, was in den Veranstaltungen „wissenschaftlicher oder belehrender Art“ an Lehrstoff vermittelt wird. Tatsächlich wurde bis vor wenigen Jahren diese Frage als unwichtig angesehen. Doch seit der BFH im Jahre 2006 unter Berufung auf das europäische Gemeinschaftsrecht entschieden hat, dass die Steuerbefreiung (neben der Schul- und Hochschulausbildung und beruflicher Umschulung) auf Kurse zur beruflichen Aus- und Fortbildung beschränkt ist, war fraglich, was in diesem Zusammenhang unter „beruflicher Aus- und Fortbildung“ zu verstehen ist. In dem entschiedenen Streitfall wurden u. a. Vorträge vor „gestandenen“ Unternehmern zu recht allgemein gehaltenen betriebswirtschaftlichen und unternehmensbezogenen Themen gehalten. Daher hielt der klagende Berufsverband – mangels Fortbildungsbedürfnisses der berufserfahrenen Teilnehmer – die Vorträge für nicht umsatzsteuerbefreit, was im konkreten Fall den Vorsteuerabzug aus den Vortragshonoraren ermöglicht hätte.

Aus- und Fortbildung: Definitionen des deutschen Rechts unerheblich

Zur Begründung seiner Auffassung berief sich der Berufsverband auf das deutsche Berufsbildungsgesetz, das näher definiert, was unter beruflicher Aus- und Fortbildung zu verstehen ist. Der BFH hält das deutsche Berufsbildungsgesetz aber im konkreten Fall für nicht maßgeblich, weil das nationale Recht für die Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs der beruflichen Aus- und Fortbildung nicht herangezogen werden dürfe. Diese Begriffe könnten letztlich nur durch den EuGH verbindlich definiert werden. Gleichwohl hat der BFH diese Frage nicht dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt, sondern aus eigener Kompetenz entschieden, dass die behandelten Themen der beruflichen Fortbildung der teilnehmenden Unternehmer dienten. Es reiche aus, wenn die Seminare ihrer Thematik nach dazu dienten, „die Effizienz bei der Bewältigung beruflicher Herausforderungen zu verbessern“. Der BFH nimmt insoweit für sich das Recht in Anspruch, gemeinschaftsrechtliche Begriffe „richtlinienkonform“ auszulegen, und sieht sich dabei an die Begriffe des deutschen Rechts nicht gebunden.

Damit herrscht weiterhin eine gewisse Rechtsunsicherheit, welchen Inhalt Verbandsveranstaltungen haben müssen, um umsatzsteuerfrei bzw. umsatzsteuerpflichtig zu sein. Jedenfalls dürfte nun geklärt sein, dass für diese Umsatzsteuerbefreiung die Begriffe „Ausbildung“ und „Fortbildung“, wie sie im deutschen Einkommensteuerrecht definiert sind, ebenfalls nicht zur Auslegung herangezogen werden können.

Erstreckung der Umsatzsteuerfreiheit der Seminare auf Verpflegungsleistungen?

Bei den meisten Verbändeseminaren werden Erfrischungsgetränke gereicht. Häufig ist auch ein Mittagessen im Seminarpreis enthalten. Sind auch diese Verpflegungsleistungen von der USt-Befreiung umfasst oder kann der veranstaltende Verband zumindest die Vorsteuer aus dem Preis für das Mittagessen ziehen? Auch hierzu hat sich der BFH nun verbindlich geäußert. Das Ergebnis kann eigentlich nicht überraschen:

Die Verpflegung von Seminarteilnehmern kann i. A. nicht als eine mit der Aus- und Fortbildung eng verbundene Dienstleistung angesehen werden und bildet keine bloße Nebenleistung zur Aus- und Fortbildung.

Anders steht es u. U. bei einer Bewirtung mit Sandwichs oder kalten Gerichten, die in den Tagungsraum serviert werden, oder Darreichungen in den Kaffeepausen. Bei der Veranstaltung von Tagesseminaren kann die Gewährung von Verpflegung zur Erreichung des Tagungszwecks unter bestimmten Voraussetzungen unerlässlich sein. Dies entspricht auch der EuGH-Rechtsprechung.

Verlangt der Veranstalter von den Teilnehmern eine einheitliche Seminargebühr, durch die auch ein umsatzsteuerpflichtiges Mittagessen abgegolten ist, so ist nach BFH der einheitliche Preis im Schätzungswege nach „der einfachst möglichen Berechnungs- und Bewertungsmethode aufzuteilen“. In dieser Weise verfahren die Betriebsprüfungen durch die Finanzämter schon seit jeher. Wird eine Seminarveranstaltung in einem Hotel abgehalten, wird sich der Wert des Mittagessens ohne Weiteres aus der Hotelabrechnung ermitteln lassen.

Die Steuerbefreiung ist nicht durch Art. 134 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ausgeschlossen

Der klagende Verband hatte ergänzend vorgetragen, dass die betreffenden Seminare – selbst wenn § 4 Nr. 22 Buchst. a) UStG einschlägig sein sollte – jedenfalls nach einer speziellen Vorschrift des Gemeinschaftsrechts umsatzsteuerpflichtig seien, da eine USt-Befreiung zu einer Verzerrung des Wettbewerbs führen würde. Der klagende Verband stützte sich hierfür auf eine in Verbandskreisen wenig bekannte Vorschrift der 6. EG-Richtlinie, die heute gleichlautend in Art. 134 MwStSystRL geregelt ist. Diese Vorschrift schließt die USt-Befreiung für bestimmte Umsätze aus, die „im Wesentlichen dazu bestimmt (sind), der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden.“

Der BFH hielt es zwar für möglich, dass der klagende Verband mit seinen Seminaren in Wettbewerb mit kommerziellen Seminaranbietern trete. Jedoch komme ein Ausschluss der Steuerbefreiung für Seminare, die den Kernbereich der Steuerbefreiung beträfen, nicht in Betracht, da anderenfalls die Steuerbefreiung nach Gemeinschaftsrecht in weiten Teilen leerlaufe. Im Ergebnis bedeutet diese Rechtsprechung, dass es im „Kernbereich“ der einschlägigen Kurse, Seminare und anderer Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art keinen Konkurrenzschutz gibt. Die Vorschrift des Art. 134 MwStSystRL läuft nach Auffassung des BFH insoweit leer. Es wäre interessant zu erfahren, ob diese Auffassung vom EuGH geteilt werden würde.

Worauf der BFH im Entscheidungsfall nicht eingegangen ist

Der Sachverhalt des Entscheidungsfalls wies offenbar einige Besonderheiten auf, auf die der BFH – aus welchen Gründen auch immer – nicht eingegangen ist. Aus dem Sachverhalt des Urteils geht nämlich hervor, dass es sich keineswegs um ein „typisches“ Fortbildungsseminar für Unternehmer gehandelt hat. Teilnehmer waren langjährig erfahrene, gestandene Unternehmer, die sich in bestimmten Abständen in Hotels der Spitzenklasse mit entsprechenden Wellness- und kulinarischen Angeboten trafen, um Kontakte zu pflegen. Folgt man dem Vortrag des klagenden Verbandes, so stand die Kontakt- und Netzwerkpflege im Mittelpunkt der Veranstaltung, und die Vorträge waren – auch im Kostenpunkt – nur begleitendes Beiwerk, das nicht spezifisch der beruflichen Aus- und Fortbildung der Teilnehmer diente. Dieser Argumentation sind sowohl das Finanzgericht (in erster Instanz) als auch der BFH ausgewichen. Man hätte möglicherweise auch zu dem Ergebnis kommen können, dass es sich um eine Veranstaltung auf rein geselliger Ebene mit einem kleinen informativen Zusatzprogramm gehandelt hat. Entsprechend hatte auch der klagende Verband argumentiert – jedoch ohne Erfolg.

Artikel teilen:
Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

Das könnte Sie auch interessieren: