Verbändereport AUSGABE 1 / 2006

Verbände-Barometer 2005 (Teil 1)

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Im Rahmen der jährlich von der 2K-verbandsratung durchgeführten Umfrage „Verbände-Barometer 2005“ wurden Entscheidungsträger von deutschen Wirtschaftsverbänden, hauptsächlich auf Bundesebene um ihre aktuelle Einschätzung zu verbandsrelevanten Fragestellungen gebeten.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Der Einfluss auf die nationale Politik und Verwaltung 2005/2006 im Vergleich zu 2004

Obwohl Lobbying allgemein als das Kerngeschäft von Verbänden angesehen wird, meinen lediglich ein Viertel der befragten Verbände, dass ihr Einfluss auf die nationale Politik und Verwaltung „groß“ ist. Die klare Mehrheit von 67 Prozent schätzt ihren Einfluss als „mittel“ ein. Fühlen die Verbände sich nur nicht angemessen gehört oder will die Politik nichts hören? Immerhin werden Politik und Verwaltung nicht müde immer wieder auf die große Bedeutung und die Sachkenntnis der Verbände hinzuweisen. Oder verwenden die deutschen Verbände schon gar nicht mehr so viel Energie auf die deutschen Ansprechpartner und konzentrieren sich bereits auf Brüssel?

Gesamt betrachtet, ist die Interessengemengelage in der Bundesrepublik schier unüberschaubar. Aufgrund der herausgehobenen Stellung der politischen Parteien sehen sich diese der Einflussnahme von Verbänden, Wirtschaftsunternehmen und auch Privatpersonen ausgesetzt. In der Lobbyliste des Deutschen Bundestages sind rund 1.900 Verbände eingetragen. Die Verbandslandschaft spiegelt diese unterschiedlichen Teilinteressen auch intern wider. Um wirksam auf Politik und Verwaltung Einfluss nehmen zu können, sind Verbände gezwungen, trotz bestehender interner Interessengegensätze, eine allgemeine einheitliche Verbandsmeinung zu entwickeln. 2004 sah man seinen Einfluss in Deutschland einerseits mit 32 Prozent noch größer, das Mittelfeld war schwächer, aber andererseits war auch die Anzahl derer, die ihren Einfluss als „gering“ bewerteten mit 15 Prozent gegenüber 8 Prozent im Jahr 2005 größer.

Die Notwendigkeit der Beteiligung an den jeweiligen europäischen Dachverbänden, um nationale Interessen erfolgreich zu vertreten 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Nach wie vor wird die Notwendigkeit, sich an den jeweiligen europäischen Dachverbänden zu beteiligen, um nationale Interessen erfolgreich vertreten zu können, von einer deutlichen Mehrheit von 61 Prozent als „groß“ gesehen. Nur für ganz wenige Verbände, etwa 5 Prozent spielt dies keine Rolle.

Gründe hierfür können zum einen sein, dass sich diese Verbände nicht angemessen von ihren europäischen Dachverbänden vertreten fühlen oder diese Branchen schlicht keinen europäischen Bezug haben. Von 2004 auf 2005 gibt es kaum eine Veränderung der Zahlen. Für das Jahr 2006 steigt der Wert sogar auf 66 Prozent an. Dies ist umso erklärlicher, wenn man bedenkt, dass in Brüssel rund 60 Prozent aller Gesetze ihre Grundlage haben, die sich auf 460 Millionen Europäer auswirken. Man schätzt, dass in Brüssel rd. 15.000 Lobbyisten täglich mit Hilfe von strategischem Know-how, Informationen und Kontakten die Gesetzgeber in der Union beeinflussen.

Die Probleme bei der Verbandsfinanzierung 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Große Veränderungen hat es von 2004 auf 2005 und auch beim Ausblick auf 2006 in dieser Frage nicht gegeben. Nach wie vor haben rund ein Drittel der Verbände „große“ Problem bei der Finanzierung, ca. die Hälfte bewerten diese als „mittel“ und knapp ein Fünftel haben hier „geringe“ Probleme. Diese Zahlen wundern angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen in den letzten Jahren nicht. Diesen Einflüssen können sich auch Verbände nur schwer entziehen.

Die Frage der eigenen Verbandsfinanzierung ist und bleibt damit die große Herausforderung der Stunde. Knapp 19 Prozent der Befragten haben nur geringe Probleme mit der Mittelbeschaffung. Der Schluss liegt nahe, dass diejenigen Verbände, die die Problematik der Verbandsfinanzierung mit „mittel“ bis „gering“ einstufen, bereits Maßnahmen zur Stabilisierung oder Verbesserung ihrer Haushaltssituation ergriffen haben oder sich in einer strategischen Monopolsituation befinden. Dagegen dürfte der starke Anstieg bei der Gruppe mit „großen“ Problemen bei der Verbandsfinanzierung auf die Verbände entfallen, die diesen Bereich noch nicht aktiv angegangen sind. Insgesamt stellt man fest, dass etwa die gleiche Anzahl an Verbänden die Zukunft als positiver betrachtet, als die Anzahl an Verbänden, die die Zukunft negativ betrachtet. Das bedeutet, dass sich für die Hälfte der befragten Verbände in diesem Bereich noch keine erfolgreiche Strategie entwickelt hat!

Die Bedeutung von Mitgliedsbeiträgen zur Verbandsfinanzierung 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Mitgliederbeiträge waren, sind und bleiben die wichtigste Einnahmequelle für die Verbände. Daher muss zur Sicherung einer Nachhaltigkeit der Verbandsfinanzierung das Hauptaugenmerk der verbandlichen Arbeit in diesem Zusammenhang das Binden bestehender sowie die Gewinnung neuer Mitglieder sein. Dies wird in Zeiten einer zunehmend kritischerer Überprüfung der Verbandsleistungen durch die Mitglieder immer anspruchsvoller.

Die Bedeutung von Fördermitteln zur Verbandsfinanzierung 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Auch bei der Rolle von Fördermitteln für die Verbandsfinanzierung haben sich keine neuen Trends abgezeichnet. Sie waren weder 2004, noch 2005 von Bedeutung und werden es laut Einschätzungen auch 2006 nicht sein. Mit Blick auf die öffentlichen Finanzen dürfte diese Einschätzung auch durchaus realistisch sein. Die deutschen Verbände setzen auf Eigeninitiative beim Finanzmanagement und nicht auf externe Förderung.

Die Bedeutung von Dienstleistungen gegen Entgelt zur Verbandsfinanzierung 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Obwohl ca. 80 Prozent „große“ und „mittlere“ Probleme bei der Verbandsfinanzierung haben, bewerten nur ca. die Hälfte der Befragten die Bedeutung von Dienstleistungen gegen Entgelt entsprechend wichtig. Scheinbar werden diese nicht als das momentan adäquate Mittel zur Steigerung der Einnahmen angesehen. Allerdings steigen die Zahlen im Bereich „große“ Bedeutung von 2004 über 2005 bis 2006 kontinuierlich an. Daraus lässt sich schließen, dass erst wenn der finanzielle Druck steigt, Dienstleistungen gegen Entgelt als Finanzierungsinstrument genutzt werden. Offensichtlich wird in der unternehmerischen Tätigkeit eine Möglichkeit zur Verbesserung der finanziellen Situation gesehen.

Die Bedeutung von Weiterbildungsmaßnahmen zur Verbandsfinanzierung 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Bei dieser Frage liegen die Angabenschwerpunkte etwa gleich stark mit gut 40 Prozent eindeutig bei „mittlerer“ und „geringer“ Bedeutung. Lediglich knapp 15 Prozent gaben hier eine „große“ Bedeutung an. Es gab einen deutlichen Abfall von 2004 auf 2005 in der Rubrik „große“ Bedeutung von knapp 25 Prozent auf knapp 15 Prozent und einen Anstieg bei der „geringen“ Bedeutung von knapp 12 Prozent bei den Weiterbildungsmaßnahmen zur Verbandsfinanzierung. Die „mittlere“ Bedeutung bleibt dagegen relativ konstant. Insgesamt scheint sich eine Verringerung in der Bedeutsamkeit abzuzeichnen. Grund hierfür kann auch die schwierige Lage der Bildungszentren sein, die immer stärkere Sparmaßnahmen bei staatlich geförderten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen verkraften müssen.

Die Bedeutung von Sponsoring zur Verbandsfinanzierung 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Nach wie vor wird das Instrument des Sponsoring zur Finanzierung von Verbänden nur „gering“ genutzt. Für über 61 Prozent der befragten Verbände spielt dieses nur eine „geringe“ Rolle. Und lediglich ein Viertel messen ihm eine „mittlere“ Bedeutung bei. Jedoch ist hier von 2004 bis 2006 ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen. Scheinbar gilt auch hier: je größer der finanzielle Druck, desto eher sind die Verbände bereit, neue Maßnahmen einzusetzen. Aber im Vergleich zu Verbänden im Ausland ist das Sponsoring bei deutschen Verbänden ein unterschätztes Instrument und hat zum Teil auch noch den negativen Beigeschmack des Käuflichen.

Der Organisationsgrad 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Für die Durchsetzungsfähigkeit der verbandspolitischen Ziele gegenüber Politik und Gesellschaft, ist die Frage des Organisationsgrades entscheidend. Der Organisationsgrad wird von den Befragten in allen Kategorien für die Jahre 2005 und 2006 als relativ stabil angegeben. So geben 50 Prozent einen Organisationsgrad von über 50 Prozent, knapp 30 Prozent einen Organisationsgrad zwischen 20 Prozent – 50 Prozent und knapp 13 Prozent einen „unter 20 Prozent“ an. Auch im Vergleich zu den Zahlen aus dem Jahr 2004 ergeben sich keine wesentlichen Veränderungen. Dies ist um so erfreulicher, als dass in der Öffentlichkeit immer wieder von Verbandsmüdigkeit gesprochen wird. Dennoch sind die innerverbandlichen Entscheidungsgremien gezwungen, stetig Strategien zur Konsolidierung und Steigerung des Mitgliederstandes zu entwickeln.

Die Bedeutung der Durchführung von Weiterbildung als Arbeitsfeld 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Obwohl nur 15 Pro-zent Weiterbildungsmaßnahmen als von „großer“ Bedeutung ein-gestuft haben, geben doch fast die Hälfte der befragten Verbände an, dass die Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen ein wichtiges Arbeitsfeld für sie ist. Und immerhin noch ein gutes Drittel misst ihr eine „mittlere“ Bedeutung bei. Hieraus lässt sich schließen, dass die Verbände die Weiterbildung zwar als eine ihrer zentralen Aufgaben ansehen, dieser Bereich jedoch nicht im entsprechenden Maße zur Finanzierung des Verbands beiträgt.

Die Bedeutung des QM (auch ohne Zertifizierung) 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Gut ein Drittel der Befragten bewerten die Bedeutung des Qualitätsmanagements als „groß“ und rund 41 Prozent noch als „mittel“, aber ca. 28 Prozent auch als „gering“. Die Veränderungen gegenüber 2004 und 2006 sind unwesentlich. Qualitätsmanagement wird zum einen sicherlich als geeignetes Instrument zur Optimierung des Ressourceneinsatzes genutzt, zum anderen dient es der Imagebildung, außerdem wird es oftmals für den Erhalt von Fördermitteln benötigt. Trotzdem ist noch kein eindeutiger Trend zum generellen Einsatz dieses Führungsinstrumentes zu erkennen. Die Gründe sind sicherlich vielfältig. So gibt es Verbände, die schlichtweg eine zu kleine Geschäftsstelle unterhalten. Andere wiederum meinen dafür kein Geld zur Verfügung zu haben oder lehnen es teilweise aus unzureichender Kenntnis der Methode ab.

Die Bedeutung von Marketing und Öffentlichkeitsarbeit 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Die Bedeutung von Marketing und Öffentlichkeitsarbeit wird von gut 76 Prozent der befragten Verbände als „groß“ und 20 Prozent als „mittel“ angegeben. Damit ist dies eines der zentralsten Themen des Verbandsmanagements. Es gilt also doch: klappern gehört zum Geschäft! Um so erstaunlicher ist es, dass dieser Aufgabenbereich oftmals „nebenbei“ von einem Mitarbeiter der Verbandsgeschäftsstelle mit erledigt wird und die Mitglieder teilweise die gesamten Leistungen ihres Verbandes gar nicht kennen, wie Befragungen ergeben haben.

Die Bedeutung von langfristiger, strategischer Planung 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Für knapp die Hälfte der Befragten steht eine langfristige, strategische Planung in ihrem Verband ganz vorne, ebenfalls für knapp die Hälfte ist dieses Thema von „mittlerer“ Bedeutung. Nur eine verschwindend geringe Zahl betrachtet dieses Thema als unwichtig. Hier zeigt sich deutlich, dass Verbände sich als dynamisches Gebilde sehen, die nur mit Professionalität und strukturierter, zukunftsgerichteter Planung erfolgreich arbeiten und sich entwickeln können.

Die Notwendigkeit zur Straffung der Verbandsstruktur 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Bei ca. 45 Prozent der Verbände ist die Notwendigkeit zur Straffung der Verbandsstruktur „groß“ und – ganz im Trend von 2004 – sie steigt auch 2006 auf knapp 54 Prozent weiter an. Die Zahl der Verbände, die dieses Thema mit „mittlerer“ und „geringer“ Bedeutung sehen, sinkt dagegen kontinuierlich. Insgesamt scheint sich der allgemeine finanzielle Druck und allgemeine Weiterentwicklungsbestrebungen auch auf eine ständige Optimierung der Organisationsstruktur auszuwirken. Teilweise ist festzustellen, dass vermehrt organisatorische und personelle Straffungen durchgeführt wurden. Der zunehmende professionelle Einsatz von informationstechnischen Kommunikationsmitteln ist sicherlich mit ein Grund hierfür. Dies führte zum einen zum Freisetzen von finanziellen Ressourcen, zum anderen allerdings auch dazu, dass in manchen Verbänden eine gewisse Überbeanspruchung besonders der personellen Ressourcen die Folge war.

Die Bedeutung von ehrenamtlicher Mitarbeit 2005/2006 sowie im Vergleich zu 2004

Der Trend ist eindeutig: Entgegen dem Trend, Verbandsarbeit in einem zunehmend globalen Kontext zu betrachten, der eine stärker als bisher vorhandene Professionalisierung von Verbänden verlangt, ist und bleibt die ehrenamtliche Mitarbeit eine tragende Säule der Verbandsarbeit. Die ehrenamtliche Mitarbeit in Verbänden war, ist und bleibt einer der Grundpfeiler. Mit über 85 Prozent wurde ihre Bedeutung als „groß“ eingestuft und wird zukünftig sogar noch leicht ansteigen. Ebenso ist ein deutlicher Anstieg um gut 13 Prozent aus 2004 erkennbar. Grund hierfür kann nicht allein der Kostendruck bei Verbänden sein. Ehrenamtliche bringen oftmals den nötigen Praxis- und Branchenbezug ein, aber sie qualifizieren sich auch zunehmend in Bereichen des Verbandsmanagements, um die Professionalisierung der Verbände weiter voran zu treiben. Von einer Müdigkeit zum ehrenamtlichen Engagement kann also keine Rede sein, wenn der Verband attraktive Rahmenbedingungen schafft. Dies belegen unter anderem die Zahlen zum ehrenamtlichen Engagement. In Deutschland werden jedes Jahr 3,34 Milliarden Stunden freiwillig für gemeinnützige Zwecke geleistet!

(wird fortgesetzt)

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