Verbändereport AUSGABE 2 / 2008

Verbände überprüfen ihre Zukunftsfähigkeit: Erfolgskonzepte und Ideen für den Verband von morgen

Vorbericht zum 11. Deutschen Verbändekongress am 7. und 8. April in Düsseldorf

Logo Verbaendereport

Der Deutsche Verbändekongress ist das zentrale Jahrestreffen der Führungskräfte hauptamtlich geführter Verbände und findet in diesem Jahr zum 11. Mal statt. Die Teilnehmer informieren sich an zwei Veranstaltungstagen in Vorträgen, Diskussionen und Foren über aktuelle Verbandsthemen. Zudem bietet der Kongress eine Plattform für den Erfahrungsaustausch untereinander. In diesem Jahr steht der Kongress unter dem Oberthema „Best Practice: Erfolgskonzepte und Ideen für den Verband von morgen“.

„Wir bleiben in Zukunft eine organisierte Gesellschaft, auch wenn wir Organisationsmüdigkeit und Verbandsverdrossenheit begegnen und sich die Interessenpolitik wandelt.“ Mit dieser These wird Professor Ulrich von Alemann, Parteien- und Verbändeforscher an der Universität Düsseldorf, den Verbändekongress eröffnen. Neben dem Eröffnungsreferat wird sich der Kongress – in Fortsetzung der bisherigen Tradition – ganz dem Motto „Aus der Praxis für die Praxis“ verpflichten. „Erfolgreiche Verbandsarbeit erfordert eine permanente Anpassung an die wechselnden Anforderungen der Mitglieder und die sich ändernden Rahmenbedingungen im politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Umfeld“, so Dr. Hans-Joachim Mürau, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. (DGVM). „Wir sind uns bewusst, dass es keine Patentrezepte für eine erfolgreiche Verbandsführung gibt. Wohl aber viele Erfolgsbeispiele von Verbänden, die ausgesprochen gute Arbeit leisten. Deswegen haben wir Kolleginnen und Kollegen dieser Verbände gebeten, ihre Praxiserfahrungen weiterzugeben.“

Erfolgsbeispiele aus Praktikersicht und wissenschaftliche Vorträge ergänzen einander während der Zweitagesveranstaltung. Ein Höhepunkt der Veranstaltung wird die Bekanntgabe des Preisträgers des DGVM INNOVATION AWARD. Zahlreiche Verbände haben sich um diese Auszeichnung und den damit verbundenen Titel „Verband des Jahres 2008“ beworben. Die bereits Anfang Dezember vergangenen Jahres in Bonn bekannt gegebenen vier Nominees wurden mit ihren „Best-Practice-Beispielen“ in das Programm des ersten Kongresstages eingebunden.

„Management Excellence“ in Verbänden und Non-Profit-Organisationen

Der bekannte Schweizer Verbändeberater Dr. Charles Giroud befasst sich in seinem Vortrag zum Thema „Management Excellence in Verbänden und Non-Profit-Organisationen“ damit, wie Verbände die Zukunftsorientierung gezielt gestalten können, Dienstleistungsmarketing bewusst fördern und dabei die Managementorientierung verantwortungsvoll wahrnehmen.

Der Nachmittag des ersten Kongresstages steht ganz im Zeichen der Benchmarks: Der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (BGL) steigerte seine Mitgliederzufriedenheit nachhaltig durch innovative Serviceleistungen. Dass dies auch eine klare Ansprache und ständige Überprüfung der Angebote bedeutet, stellt der BGL vor. Dabei überwand der Verband das Imagedefizit des Berufsbildes in der Öffentlichkeit, erhöhte seine Mitgliederzahlen und stellte sich strategisch und organisatorisch neu auf. Das Ergebnis beeindruckt: Eine überdurchschnittlich hohe Mitgliederzufriedenheit fällt mit einem hoch anerkannten Berufsbild in der Öffentlichkeit zusammen.

Markenführung in Verbänden

Was die Garten- und Landschaftsbauer mit ihrem Berufsbild erreichten, nahm sich der Gesamtverband der Kommunikationsagenturen (GWA) für sich selbst als „Treiber der Branche“ vor: „Gute Kommunikation treibt die Wirtschaft. Wir setzen die Standards“ ist der hohe Anspruch, an dem sich der Gesamtverband misst. Diese Positionierung verlangt die Einhaltung eines strikten Kurses in der Verbandspolitik, den Maßnahmen und Mitgliederservices. Dabei, so die Verantwortlichen der GWA, schützt eine gut geführte Marke vor abnehmender Lo-yalität gegenüber dem Verband. Der GWA präsentiert, wie und warum er in den vergangenen Jahren seine Markenbildungsstrategie ganzheitlich, konsequent und evolutionär weiterentwickelt hat. Wie erfolgreich konsequentes Reputationsmanagement als Schlüsselbegriff für verbandliches Handeln ist, zeigt auch die erreichte Position des Verbandes in der Branche: „Mittendrin und als Antreiber“.

Ein Verband im Wandel: Strategie – Umsetzung – Erfolge

Wenn schon Wandel, dann gleich richtig. So könnte das Motto des Arbeitgeberverbandes HessenChemie lauten. In der Vergangenheit als eher konservativ und wenig dynamisch wahrgenommen, bestand die Gefahr, aus der Mode zu geraten. Eine Rundumerneuerung war notwendig, um sich – zum Nutzen der Mitglieder – mit einem starken Profil als regionaler Arbeitgeberverband neu zu positionieren. Dieses Best-Practice-Beispiel zeigt, wie Veränderungsprozesse, gefördert durch das Ehrenamt, zu einer innovativen, kreativen und schlagkräftigen Organisation führen können.

Planvolle Organisationsentwicklung

Einer Herausforderung ganz anderer Art sah sich der Bundesverband Deutscher Stiftungen gegenüber: Die Qualität seiner Verbandsleistung drohte den Anforderungen der stark wachsenden Zahl an Stiftungen nicht gerecht werden zu können. Dank planvoller Organisationsentwicklung, Nachhaltigkeit in der gemeinsamen Arbeit und konsequenter Personalentwicklung hat er sich in einem kompetitiven Umfeld in kurzer Zeit zu der anerkannt führenden Interessenvertretung für Stiftungen entwickelt. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen stellt vor, wie er sich anhand eines Qualitätsmanagementsystems neu aufgestellt hat und maßgeblich zum Gründungsboom von Stiftungen beiträgt.

Was macht Verbände erfolgreich?

Das einzig Stete ist der Wandel, vergegenwärtigt offenbar diese Tour d‘Horizon. Ob dies jedoch alles ist, erörtert die anschließende Podiumsdiskussion zum Thema „Zukunft durch Wandel?“ und hebt auf die Frage ab, inwieweit es Patentrezepte für einen erfolgsstabilen Verband geben kann. Schließlich zeigen sich auch Grenzen des Wandlungsprozesses, bei deren Überschreitung ein Verband seine Legitimationsbasis verlässt und „nur noch“ als Dienstleister wahrgenommen wird. Lassen sich Vereinsdemokratie und unternehmerisches Agieren also überhaupt vereinbaren, wird eine Frage sein, die es zu erörtern gibt.

Festlicher Abend der DGVM

Im Rahmen des festlichen Abendempfanges der DGVM wird der Juryvorsitzender Lutz Weidner den Preisträger des DGVM INNOVATION AWARD bekannt geben. Der DGVM INNOVATION AWARD „Verband des Jahres 2008“ ist die unikale Auszeichnung für Verbände, deren erfolgreiche Arbeit auf einem zukunftsfähigen Konzept, hoher Veränderungsbereitschaft und herausragender Führungsqualität beruht. Der Preis erkennt Leistungen an, die sich aus dem Durchschnitt deutlich abheben, und schafft Anreize für Verbände, neue, Erfolg versprechende Wege zu gehen. Ausgezeichnet wird jeweils lediglich eine Organisation. Der Award verdeutlicht qualitätsvolle Verbandsführung im Interesse der Mitglieder, der jeweiligen Branche, Berufsgruppe oder gesellschaftlichen Gruppe sowie von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Preis wendet sich damit auch gegen eine Verbandsarbeit, die lediglich in Bewegungslosigkeit verharrt. Neben den „offiziellen Programmpunkten“ bietet der Abend die Möglichkeit zu guten Gesprächen im Kreise von Kolleginnen und Kollegen bei exzellentem Essen.

Der 2. Tag: Praxis für die Praktiker

Der zweite Kongresstag steht ganz im Zeichen der Best Practice: Wie schafft man es, dass Hauptamt und Ehrenamt an einem Strang ziehen? Wie funktioniert Lobbying auf EU-Ebene und wo helfen Qualitätsmanagementsysteme? Wie kreiert man erfolgreiche Kampagnen zur Mitgliederbindung und -gewinnung? In verschiedenen, teilweise parallel verlaufenden Praxisforen vermitteln Verbandspraktiker ihr Wissen „aus der Praxis für die Praxis“. Dabei steht das auf diese Weise entfaltete Ideenportfolio exemplarisch für die Vielfältigkeit der Verbandswelt.

Haupt- und Ehrenamt

Den Auftakt am Vormittag machen die Praxisforen zum Haupt- und Ehrenamt sowie zum Lobbying auf nationaler wie europäischer Ebene. Ehrenamtliche Funktionsträger sind für Verbände unerlässlich. Nach innen bringen sie Sachverstand und Erfahrung ein, nach außen repräsentieren sie den Verband. Vor dem Problem, geeignete Personen für das Ehrenamt zu gewinnen, diese langfristig und zum Wohl des Verbandes zu binden, stehen viele Verbände. Der Verbandsberater und Psychologe Claus Philippi befasst sich seit Jahren mit der „Wechselbeziehung“ zwischen Haupt- und Ehrenamt und zeigt in diesem Praxisforum auf, wie aus dem Spannungsfeld auch Vortriebskraft gewonnen werden kann und wie Wahlämter sinnvoll besetzt und Ehrenamtliche langfristig motiviert werden können.

Die steigende Bedeutung der EU

Es ist eine Binsenweisheit, dass Europa auch für Verbände immer wichtiger wird. Sowohl in gesetzgeberischer Hinsicht als auch mit Blick auf die integrierten Märkte verlagert sich ein Teil der Lobby-Arbeit auf europäisches Parkett. Als langjähriger Vertreter des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) in Brüssel und Inhaber einer PA-Agentur vermittelt Dr. Hans Bellstedt gemeinsam mit dem Kommunikations- und Lobbying-Spezialisten Dr. Hubert Koch Parkettsicherheit in Brüssel und Straßburg.

Neue Konzepte für Marketingkampagnen

Dem umfangreichen Feld des Verbandsmarketings widmen sich am Nachmittag gleich drei Praxisforen: Unter dem Titel „Kampagnen – Den Corpsgeist im Verband wecken“ erläutern Cornelia Hawemann und Tobias Jüngert vom Deutschen Reiseverband e.V. (DRV), wie ein schlagkräftiger Verband von der Motivation seiner Mitglieder profitiert und diese erst ermöglicht. Wie Mitgliederbindung und -gewinnung durch eine ganzheitliche Marketingstrategie dem Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. (VDH) hilft, sich als Allroundverband gegenüber Hundehaltern zu etablieren, erläutern Udo Kopernik, Vorstandsmitglied des Verbandes, und der Marketingexperte Karl L. Krakow. Mitgliederorientierung oder neudeutsch: Member Relationship Marketing ist für einen Verband unerlässlich, wenn auch häufig inhaltsleer und wenig durchdacht, wie Dr. Marcus Stumpf, Geschäftsführer der Service GmbH des Deutschen Turner-Bundes, zeigt. Das muss nicht so bleiben, führt Dr. Stumpf anhand einer erfolgsrelevanten und strategischen Einbettung anschaulich aus. Ergänzt wird das Praxisforum durch den Vortrag eines Experten des Siegfried Vögele Institutes, eines Tochterunternehmens der Deutschen Post AG, der sich mit der Thematik der Werbewirkungsmessung von Mailings befassen wird. Ein Thema, das sicher für die Verbände außerordentlich interessant ist, die Mailings in der Mitgliederkommunikation und der Mitgliederwerbung einsetzen.

Qualitätsmanagement in der Verbandspraxis

Bereits im Jahre 2004 vollzogen die Unternehmerverbände Südhessen erfolgreich die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 für ihre Beratungsarbeit in den Bereichen Arbeits- und Sozialrecht sowie Öffentlichkeitsarbeit und Gesellschaftspolitik. In den Folgejahren wiederholte die Geschäftsstelle das Audit regelmäßig und absolvierte 2007 als einer der ersten Verbände erstmals auch das Audit nach DGVM ZERT. Der Geschäftsführer der Unternehmerverbände, Wolfgang Drechsler, berichtet über die Intention zur Implementierung und die bislang gemachten Erfahrungen mit der Einführung des Qualitätsmanagementsystems.

Dr. Ralph Hintemann vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V. – BITKOM stellt die 2004 entwickelte Strategie BITKOM 2010 vor, deren Ziel es ist, die Position von BITKOM in Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit weiter zu verbessern und das Leistungsportfolio zu optimieren. Gleichzeitig diente BITKOM 2010 als Grundlage zur Zertifizierung nach DGVM ZERT Anfang des Jahres 2008. Wie Arbeitsabläufe hinterfragt und vereinfacht werden, ist Teil eines Qualitätsmanagement-Prozesses, führt das Beispiel des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ) vor Augen. Der Berater des Prozesses, Dirk Lötsch, stellt gemeinsam mit Ferry Pausch vom VDZ die gemeinsam entwickelte Lösung, ein umfangreiches Intranet zur Abbildung von Prozessen, vor.

Dr. Mürau: „Mit dem Programm des Verbändekongresses 2008 haben wir wieder einen weiten Bogen über alle aktuellen Themen gespannt, mit denen sich die hauptamtlichen Führungskräfte Tag für Tag befassen müssen. Noch einmal betonen möchte ich, dass wir bei der Programmplanung immer bemüht waren, praxisgerechte und realisierbare Ideen und Anregungen in den Vorträgen und Workshops zu präsentieren.“ (TR/WL)

Artikel teilen:
Autor/in

Tim Richter

ist Redaktionsleiter des Deutschen Verbände Forums – verbaende.com und ständiges Mitglied der Redaktion des Verbändereport. In verschiedenen Positionen setzt er die Möglichkeiten des Internets und von Social Media zur Schaffung von Öffentlichkeit ein. Er ist Mit-Herausgeber des Fachbuches „Social Media in Verbänden“ und berät Organisationen im erfolgreichen Einsatz und Umgang mit den neuen Medien.

http://www.verbaendereport.de

Das könnte Sie auch interessieren: