Verbändereport AUSGABE 3 / 2006

Verbandsfinanzierung auf dem Prüfstand

Cash-Pooling in größeren Verbänden birgt rechtliche Risiken

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Auch größere Verbände, die unter einem „Mutter-e.V.“ bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten, etwa in der Rechtsform der GmbH, verselbstständigt haben, bedienen sich so genannter Cash-Pool-Systeme, die in der gewerblichen Wirtschaft seit vielen Jahren Usus sind. Beim Cash-Pooling wird durch Verrechnung von laufenden Bankguthaben und Bankverbindlichkeiten von sämtlichen Gesellschaften, die zu einer größeren Verbandsgruppe gehören, bei der „Mutter-e.V.“ eine Art verbandsinterne „Bank“ gebildet. Das Cash-Pooling bezweckt die verbandsweite Zentralisierung der Kassenhaltung durch Abschöpfung überschüssiger Liquidität in den Tochtergesellschaften durch den Mutterverband und die bedarfsgerechte Verteilung dieser Liquidität innerhalb des gesamten Verbandes.

Dass dieses betriebswirtschaftlich sinnvolle Verfahren gesellschaftsrechtlich nicht unproblematisch ist, sondern im Gegenteil erhebliche Risken für den Verband selbst nach sich zieht, wurde durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.11.2003 (Az.: II ZR 171/01 – NJW 2004, 1111 ff.) deutlich. Nach dieser Entscheidung gab es demgemäß auch eine Vielzahl von Folgeentscheidungen, in denen sich die Gerichte mit den verschiedenen Fragen des Cash-Pooling beschäftigen mussten (so zuletzt etwa OLG München, Urteil vom 24.11.2005, Az.: 23 U 3480/05 – NZG 2006, 195 f. – Revision zugelassen). Für die Rechtsform der GmbH hat der Bundesgerichtshof die Probleme von Cash-Pool-Systemen nunmehr ausdrücklich in zwei aktuellen Entscheidungen bestätigt (BGH Urteile vom 16.01.2006, Az: II ZR 75/06 und II ZR 76/06).

Welche Folgerungen lassen sich aus diesen Entscheidungen für die verbandsinterne Finanzierung im Rahmen so genannter Cash-Pooling-Verträge ziehen?

Betriebswirtschaftliche Motivation für Cash-Pool-Management

Das Cash-Pooling ist ein Instrument zur Steuerung der Liquidität der am Cash-Pooling beteiligten Gesellschaften eines Verbandes. Weiterhin dient das Cash-Pooling dazu, Zinsen gegenüber den Geschäftsbanken von Verbänden zu optimieren. Die Zinsoptimierung ist Folge der Zusammenführung der Bankkonten auf einem Zielkonto und der dadurch entweder entstehenden höheren Guthaben, die zu einem besseren Guthabenzins angelegt werden können, oder der Vermeidung von höheren Überziehungszinsen einzelner Unternehmen des Verbandes. Damit verfolgt das Cash-Pooling letztlich rein betriebswirtschaftliche und damit rentabilitätsorientierte Zielsetzungen.

Hieraus folgt auch, dass es sich bei dem Cash-Pooling im hiesigen Verständnis um das so genannte „physische Cash-Pooling“ handelt, wo nicht etwa nur virtuelle interne Konten gebildet werden, sondern tatsächlich die Guthaben auf einem zentralen Bankkonto des Mutterverbandes bei einer Bank zusammengeführt werden und über dieses Konto letztlich die Verrechnung und Liquiditätssteuerung für die gesamte Gruppe durchgeführt wird.

Rechtliche Risiken beim Cash-Pooling

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 23. November 2003 deutlich hervorgehoben, dass das betriebswirtschaftlich sinnvolle sogenannte physische Cash-Pooling unter Umständen gegen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätze bei Kapitalgesellschaften verstößt. Bekanntlich ist es ein prägender Grundsatz der Kapitalgesellschaften (GmbH/Aktiengesellschaft), ein gesetzliches Mindeststammkapital oder Mindestgrundkapital aufzubringen und dieses Mindestkapital nicht mehr – sei es offen oder verdeckt – an die Gesellschafter zurückzuführen. Dieser Grundsatz der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung ist praktisch der Ersatz für eine fehlende persönliche Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft.

Für die Gründung und wirtschaftliche Einbindung einer Tochtergesellschaft zumeist in der Rechtsform einer GmbH in ein Cash-Pooling-System hat dieser Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsatz nunmehr folgende Bedeutung:

Kapitalaufbringung bei Gründung der Tochtergesellschaft

Im Falle der Gründung einer Tochtergesellschaft und der Leistung der im Gesellschaftsvertrag versprochenen Stammeinlage als Bareinlage gibt es Probleme in Cash-Pooling-Systemen regelmäßig dann, wenn zwar seitens des Mutterverbandes als Gesellschafterin der Bareinlagebetrag auf ein Konto der Tochtergesellschaft gezahlt wird, auf Grund der Einbeziehung in das Cash-Pool-System jedoch schon von vorne herein feststeht, dass dieser Geldbetrag sodann wieder abgezogen wird und als Liquidität dem zentralen Konto des Mutterverbandes zugeführt wird. In solchen Fällen ist die Bareinlage nicht zur endgültig freien Verfügung der Geschäftsführung geleistet worden, so dass der Mutterverband seiner Verpflichtung zur Einzahlung der Stammeinlage bei der Tochtergesellschaft nicht nachgekommen ist. Damit bleibt die Einlageverpflichtung des Mutterverbandes nach § 19 Absatz 2 GmbHG zur Leistung der Bareinlage an die Tochtergesellschaft bestehen. Die Geschäftsführer der Tochtergesellschaft haften nach §§ 9 a, 43 Absatz 2, 57 Absatz 4 GmbHG persönlich für Falschangaben über die freie Verfügbarkeit der Einlagen im Rahmen von notwendigen Handelsregisteranmeldungen mit ihrem Privatvermögen.

Kapitalerhaltung bei der Tochter-GmbH

Gleiches gilt für den Grundsatz der Kapitalerhaltung, der von § 30 Absatz 1 GmbHG festgeschrieben wird. Nach dieser Norm unterliegen Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH dem Verbot der Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens. Mit anderen Worten ist der Kapitalerhaltungsgrundsatz im Cash-Pool-System dann verletzt, wenn so viel Liquidität bei der GmbH abgezogen wird, dass dort das zur Erhaltung des Stammkapitals notwendige Vermögen nicht mehr zur Verfügung steht.

Wenn man im oben genannten Beispiel das Gesellschafterdarlehen „Cash-Pool“ aus der Bilanz streicht, so fehlen zur Abdeckung des Stammkapitals von 100 Vermögensgegenstände des Aktivvermögens in Höhe von 50. In diesem Falle ist also die Stammkapitalziffer von 100 nicht mehr durch entsprechendes „freies“ Vermögen der Gesellschaft gedeckt.

Wird gegen das Kapitalerhaltungsverbot bei der Tochtergesellschaft verstoßen, so hat die Tochtergesellschaft gegen ihren Mutterverband als Gesellschafterin einen Anspruch auf Rückgewähr der Leistung nach § 31 GmbHG. Daneben besteht auch hier die Gefahr einer persönlichen Haftung der Geschäftsführer mit ihrem Privatvermögen gemäß § 31 Absatz 6, 43 Absatz 3 GmbHG.

Der Bundesgerichtshof geht sogar noch weiter: In der Entscheidung „Bremer Vulkan“ (BGH Urteil vom 17.09.2001, Az.: II ZR 178/99, NJW 2001, 3622) hat der Bundesgerichtshof festgeschrieben, dass die Muttergesellschaft eine konzernweite Vermögensbetreuungsverpflichtung gegenüber den Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH hat. Diese Vermögensbetreuungspflicht bezieht sich einerseits auf die Verpflichtung zur Prüfung und Erhaltung des Stammkapitals der Tochtergesellschaften und andererseits auf eine Informationspflicht gegenüber den Tochtergesellschaften, sobald sich abzeichnet, dass die Muttergesellschaft zur Rückzahlung bestimmter Beträge im Cash-Pool-System nicht mehr in der Lage ist. Dies begründet wiederum auch für die Organe des Mutterverbandes erhebliche persönliche Verpflichtungen mit entsprechenden Haftungsrisiken. Im Ergebnis unterliegt der Mutterverband insoweit einer Insolvenzverursachungshaftung.

Vermeidungsstrategien

Die oben kurz skizzierten Probleme im Zusammenhang mit Cash-Pool-Systemen lassen sich naturgemäß am ehesten dadurch vermeiden, dass sowohl die Kapitalaufbringung als auch die Kapitalerhaltung im Zusammenhang mit der beim Verband gegründeten Tochter-GmbH außerhalb des „Cash-Pool-Systems“ stattfinden. Dies bedeutet, dass sämtliche Zahlungen auf die Stammeinlage nicht vom Cash-Pool-System umfasst sind, was auch bei Gestaltung der entsprechenden vertraglichen Grundlagen des Cash-Poolings beachtet werden sollte. Wenn also die entsprechenden Finanzmittel bei der Tochtergesellschaft verbleiben und nicht als Liquidität wieder abgezogen werden, ist die Kapitalaufbringung bei Gründung der Tochtergesellschaft rechtmäßig und es liegt auch kein Verstoß gegen das Kapitalerhaltungsgebot vor.

Es sollte also im Ergebnis bei Gestaltung der Cash-Pooling-Verträge darauf geachtet werden, dass der Transfer von Guthaben auf Bankkonten der Tochtergesellschaften an den Cash-Pool das geschützte Gesellschaftsvermögen der Tochtergesellschaft nicht angreift.

Alternativ und ergänzend wird empfohlen, die Verträge zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft zum Cash-Pooling entsprechend klar zu fassen bzw. an die verschärfte Rechtsprechung anzupassen. Dabei wird insbesondere darauf hingewiesen, dass die an den Cash-Pool abgeführten Guthaben, die letztlich ein Darlehen der Tochtergesellschaft an den Mutterverband darstellen, angemessen besichert und verzinst werden. Dabei darf die Besicherung der Beträge naturgemäß nicht dadurch erfolgen, dass alleine der Mutterverband etwa eine Patronatserklärung dieserhalb abgibt. Da genau dieses Ausfallrisiko der Muttergesellschaft besichert werden soll, macht es wenig Sinn, wenn die Sicherheiten im Cash-Pool-System alleine von der Muttergesellschaft gestellt werden.

Handlungsempfehlung

Soweit Verbände physische Cash-Pool-Systeme nutzen, sollten diese daraufhin untersucht werden, ob die in der aktuellen Rechtsprechung aufgedeckten Verstöße gegen das Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgebot erfüllt sind. Gegebenenfalls kann hier durch relativ einfache Gestaltungsmaßnahmen ein ganz erhebliches – auch persönliches – Haftungsrisiko vermieden werden.

Weitere Informationen

www.verbaende.com (Recht & Steuern)

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Autor/in

Ralf Wickert

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuer- und Arbeitsrecht. Er ist Gesellschafter der Dornbach GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft mit den Tätigkeitsschwerpunkten gesellschaftsrechtliche, arbeits- und steuerrechtliche Beratung von Unternehmen und Verbänden. Autor mehrerer Fachbücher, u. a. des Praxishandbuches Verbandsrecht und des Praxishandbuches Datenschutz in Verbänden.

http://www.dornbach.de

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