Verbändereport AUSGABE 1 / 2006

Verbandskongresse, Verbandstagungen und die leidige Steuer

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Glaubt man einigen Veröffentlichungen der letzten Jahre, so wandeln Verbände am Rande des Abgrunds, wenn sie Kongresse oder Tagungen veranstalten. „Bei nicht sachgerechter Handhabung drohen Steuerstrafverfahren, persönliche Haftung für Vorstände, Verlust der Gemeinnützigkeit und Insolvenz durch Steuernachforderungen“ (so Schotenroehr, Deutsches Ärzteblatt 2003, Seite A-2531). Tiefer hängen, möchte man da sagen. Richtig ist, dass Verbände als Veranstalter von Kongressen und Tagungen die steuerlichen Aspekte solcher Großveranstaltungen rechtzeitig bedenken und geeignete Konzepte entwickeln sollten. Richtig ist auch, dass sich die steuerliche Betriebsprüfung in den letzten Jahren zunehmend um diese Thematik kümmert. Ein Grund mehr, dass sich Geschäftsführung und Vorstände rechtzeitig über steuersichere Planungskonzepte bemühen.

Differenzierte Betrachtung erforderlich

Wenn Verbände Kongresse oder Tagungen veranstalten, können steuerliche Folgen vor allem auf dem Gebiet der Ertragsteuern (Körperschaft- und Gewerbesteuer) und der Umsatzsteuer eintreten. Doch lassen sich nicht alle Fälle über einen Kamm scheren. Vielmehr können die steuerlichen Folgen je nach Art des Verbandes, Fassung des Satzungszwecks und Art der Veranstaltung recht unterschiedlich sein.

Welchen Einfluss die Art der Veranstaltung auf die Besteuerung hat

Bei näherer Betrachtung werden in der Praxis unter der Bezeichnung „Kongress“ oder „Tagung“ verschiedenste Formen von Zusammenkünften durchgeführt. Das reicht von der „normalen“, aus vereinsrechtlichen Gründen erforderlichen Mitgliederversammlung (mit oder ohne unterhaltendem Beiprogramm) über s-pektakuläre Veranstaltungen im politischen Raum bis hin zu wissenschaftlichen Fachkongressen mit internationalem Charakter, meist begleitet von einem Rahmenprogramm unterhaltenden, informativen oder kulinarischen Charakters. Teilweise werden von den Teilnehmern der Veranstaltungen Teilnahmegebühren erhoben, teilweise aber auch nicht. In anderen Fällen ist die Teilnahmegebühr unterschiedlich, abhängig davon, ob der Teilnehmer Verbandsmitglied ist oder nicht. In anderen Fällen werden Teilnahmegebühren nur für das Rahmenprogramm erhoben. Alle diese Unterschiedlichkeiten können auch differenzierte steuerliche Auswirkungen nach sich ziehen.

Welche Auswirkungen die Art des Verbandes auf die Besteuerung hat

Häufig wird die Problematik unter verengtem Gesichtswinkel dargestellt, indem nur gemeinnützige Verbände bzw. gemeinnützige Körperschaften als Veranstalter in Betracht gezogen werden. Diese Einengung kann zu steuerlich falschen Ergebnissen führen, wenn der Veranstalter ein Berufsverband oder ein „normaler“, d. h. nicht steuerbefreiter Idealverein ist. Ein Beispiel: Bei gemeinnützigen Verbänden wird die Veranstaltung eines Kongresses in vielen Fällen einem sog. Zweckbetrieb zugeordnet werden können. Ein solcher Zweckbetrieb ist von Ertragsteuern befreit und unterliegt dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Bei Berufsverbänden und nicht steuerbefreiten Verbänden gibt es die Rechtsfigur des Zweckbetriebs aber nicht. Diese Verbände müssen eine volle Besteuerung in Betracht ziehen.

Steuerlich ungefährlich: Satzungsmäßige Mitgliederversammlungen

Steuerlich am einfachsten ist die Abhaltung der satzungsmäßigen Mitglieder- oder Delegiertenversammlungen. Sie dienen der vereinsinternen Willensbildung und sind steuerlich irrelevant. Diese Aussage gilt für alle Arten von Verbänden und zwar auch dann, wenn diese Mitgliederversammlung — wie in der Praxis häufig anzutreffen — mit einem Kongress zeitlich und räumlich verbunden ist. Die steuerliche Irrelevanz ist aber auf die eigentliche Mitgliederversammlung beschränkt. Wird die Mitgliederversammlung von einem Arbeitsessen begleitet, so stellt dieses bereits einen ertragsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar. Der Vorgang ist ferner mit dem vollen Mehrwertsteuersatz umsatzsteuerpflichtig. Dies gilt auch dann, wenn der Verband für das Essen von seinen Mitgliedern kein besonderes Entgelt erhebt. In diesem Fall grenzt die Betriebsprüfung ein wertmäßiges Entgelt aus dem normalen Mitgliedsbeitrag ab („unechter Mitgliedsbeitrag“) und unterwirft dieses der Umsatzsteuer. Das gilt auch wenn die Mitgliederversammlung am Rande eines Kongresses stattfindet.

Kongresse und Tagungen der gemeinnützigen Verbände

Wenn gemeinnützige Verbände Kongresse oder Tagungen veranstalten, so ist zunächst zu fragen, ob für diese Veranstaltungen Teilnahmegebühren erhoben werden oder der Zugang für die Öffentlichkeit allgemein freigegeben ist.

a) Wenn keine Teilnahmegebühren erhoben werden

Werden — was in der Praxis selten vorkommen dürfte — keine Teilnahmegebühren erhoben, so liegt in der Regel mangels Einnahmen bzw. Entgelten weder ein ertragsteuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb noch ein Vorgang vor, der der Umsatzsteuer unterliegt. Steuerlich stellt sich dann nur noch die Frage, ob der veranstaltende gemeinnützige Verband sich mit dieser Veranstaltung im Rahmen seines satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecks bewegt und es nicht zu einer sog. Mittelfehlverwendung kommt. Eine eventuelle Fehlverwendung gemeinnützig gebundener Mittel würde die Gemeinnützigkeit entfallen lassen.

b) Wenn Teilnahmegebühren erhoben werden

Werden Teilnahmegebühren erhoben, so ist zunächst zu fragen, worauf sich diese Teilnahmegebühren beziehen. Hier sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, z. B. für die Teilnahme an wissenschaftlichen Symposien, für Verpflegung oder Teilnahme am unterhaltenden Beiprogramm. Es kann auch vorkommen, dass ein einheitliches Entgelt für eine Paketleistung erhoben wird, die alle diese Teilleistungen enthält. Die steuerliche Betriebsprüfung spaltet dann die einheitliche Teilnahmegebühr entsprechend auf — ein gefundenes Fressen für steuerliche Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt.

· Teilnahmegebühren für wissenschaftliche Symposien oder Veranstaltungen fachlich informativer und belehrender Art:

In ertragsteuerlicher Hinsicht können die Teilnahmegebühren steuerpflichtige Einnahmen in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder steuerfreie Einnahmen in einem sog. Zweckbetrieb sein. Die Einordnung in diese beiden Kategorien hängt maßgeblich vom satzungsmäßig definierten Zweck des Verbandes ab. Ein steuerbefreiter Zweckbetrieb wird angenommen, wenn der Verband seine satzungsmäßigen Zwecke nur durch einen derartigen Kongress bzw. Tagung erreichen kann und hierdurch nicht „in größerem Umfang“ in Konkurrenz zu nicht steuerbefreiten Marktteilnehmern tritt. Kritisch ist meist die Frage nach der Bedeutung des Kongresses für die Erfüllung des Verbandszwecks. Kann der satzungsmäßige Zweck wirklich „nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb“ erreicht werden? Diese Frage kann nur anhand der konkreten Satzung des veranstaltenden Verbandes entschieden werden. Erfreulicherweise legt die Finanzverwaltung in dieser Hinsicht (bisher) einen relativ großzügigen Maßstab an, so dass in der Praxis wissenschaftliche Kongresse gemeinnütziger Verbände meist als Zweckbetriebe anerkannt werden. Dies hat zur Folge, dass ein etwaiger Gewinn aus dem Zweckbetrieb nicht der Körperschaft- und Gewerbesteuer unterliegt und ein etwaiger Verlust die Gemeinnützigkeit des Verbandes nicht gefährdet.

Teilnahmegebühren, die für den Zweckbetrieb „Kongress“ bzw. „Tagung“ erhoben werden, unterliegen grundsätzlich der Mehrwertsteuer. Sie können aber — unter gewissen weiteren Voraussetzungen — umsatzsteuerbefreit sein (§ 4 Nr. 22 a UStG).

· Teilnahmegebühren für Unterkunft und Verpflegung

Solche Teilnahmegebühren (bzw. Gebührenanteile) sind immer Einnahmen in einem ertragsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und umsatzsteuerpflichtige Entgelte. Liegen die Einnahmen aller wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe im Kalenderjahr bei max. 30.678 Euro (eine sogenannte Freigrenze), so wird ein etwaiger Gewinn nicht besteuert. Dies ist ein Privileg, das ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Verbände gilt, nicht jedoch für Berufsverbände und voll steuerpflichtige Verbände. Die Freigrenze wird in der Praxis bei den meisten größeren steuerbegünstigten Verbänden jedoch weit überschritten, so dass dieser Freigrenze in der Praxis nur untergeordnete Bedeutung zu kommt.

· Teilnahmegebühren für unterhaltendes (touristisches, kulinarisches, gesellschaftliches) Beiprogramm

Solche Teilnehmergebühren bzw. Gebührenanteile werden steuerlich genauso behandelt wie Teilnehmergebühren für Unterkunft und Verpflegung.

Kongresse und Tagungen von Berufsverbänden

Berufsverbände sind zwar — ähnlich den gemeinnützigen Verbänden — in Teilbereichen ihrer Betätigung steuerbefreit, jedoch in geringerem Umfang als diese. Bei Berufsverbänden gibt es weder steuerbegünstigte Zweckbetriebe noch eine Freigrenze bei der Besteuerung des wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Entsprechend der andersgearteten Zielsetzung der Berufsverbände (Wahrnehmung beruflicher Interessen der Mitglieder im Sinne eines Lobbying) verlaufen daher die Abgrenzungslinien bei der Besteuerung von Tagungen und Kongressen anders als bei gemeinnützigen Verbänden. Gleich ist in beiden Fällen jedoch die Behandlung der satzungsgemäßen Mitglieder- bzw. Delegiertenversammlung. Sie ist auch bei Berufsverbänden steuerlich irrelevant. Ansonsten ist bei Berufsverbänden wie folgt zu unterscheiden:

a) Allgemeinpolitische Tagungen von Berufsverbänden

Weit verbreitet finden sich bei Berufsverbänden Großveranstaltungen, die der Darstellung der Verbandsziele gegen-über Politik und Öffentlichkeit sowie der Kontaktpflege mit maßgeblichen Persönlichkeiten der Politik, der Wirtschaft oder anderen maßgeblichen Kreisen dienen (z. B. die Jahrestagungen des BDI). Im allgemeinen werden Teilnahmegebühren für derartige Veranstaltungen nicht erhoben. Sie dienen der satzungsmäßigen Kernaufgabe der Berufsverbände und lösen daher keine Steuerfolgen aus.

Sollte im Einzelfall ausnahmsweise bei solchen Veranstaltungen doch eine Teilnahmegebühr erhoben werden, wird in der Regel ein ertragsteuerlicher wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegen, der auch der Umsatzsteuer unterliegt. Eine Steuerbegünstigung für Zweckbetriebe kommt nicht in Betracht.

b) Sonstige Kongresse und Tagungen bei Berufsverbänden

Bei sonstigen Kongressen und Tagungen werden häufig Teilnahmegebühren erhoben. Zu denken ist z. B. an Kongresse zum hundertjährigen Bestehen eines Verbandes, bei denen das unterhaltende Programm meist eine große Rolle spielt. Soweit die Teilnahmegebühren auf den gesellschaftlichen, unterhaltenden Teil sowie Unterkunft und Verpflegung betreffen, liegt ein umsatzsteuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor. Ertragsteuerlich wird meist keine nennenswerte Auswirkung eintreten, weil solche in der Regel keinen Gewinn abwerfen. Jedoch wird in der Praxis häufig die umsatzsteuerliche Komponente übersehen. In diesem Bereich — um den sich die Finanzämter gerne kümmern — kommt es leicht zu Umsatzsteuer-Nachforderungen in fünfstelliger Höhe.

Auch bei Berufsverbänden sind grundsätzlich wissenschaftliche Kongresse denkbar. Hierbei handelt es sich regelmäßig um ertragsteuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, weil es steuerbefreite Zweckbetriebe bei Berufsverbänden nicht gibt. Umsatzsteuerlich kann jedoch die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 22 a UStG eingreifen.

Kongresse und Tagungen nicht steuerbefreiter oder nicht steuerbegünstigter Verbände

Häufig wird übersehen, dass es in Deutschland zahlreiche, auch sehr große, Verbände gibt, die steuerlich keinerlei Privilegien besitzen. Sie sind mit ihren Aktivitäten — soweit sie außerhalb des ideellen Kernbereichs liegen — in vollem Umfang steuerpflichtig. Das gilt auch für die Veranstaltung von Tagungen und Kongressen. Ertragsteuerlich gibt es für diese Verbände keine Begünstigungen. Auch die Umsatzsteuerbefreiung für Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art gilt nicht, weil diese auf Berufsverbände und steuerbegünstigte (insbes. gemeinnützige) Verbände beschränkt ist.

Lösung der Steuerprobleme durch Auslagerung?

Die Lösung der zahlreichen, für Vorstände und Geschäftsführer der Verbände manchmal nur schwer zu durchschauenden Steuerprobleme legt als Ausweichlösung nahe, die Veranstaltung von Kongressen und Tagungen auf eine geeignete andere Organisation zu übertragen. In der Praxis wird häufig die Übertragung auf eine verbandseigene Service-GmbH oder auf einen professionellen Kongressveranstalter (PCO) in Betracht gezogen.

Die Übertragung auf eine verbandseigene Service-GmbH hat sich im allgemeinen nicht bewährt. Besonders bei gemeinnützigen Verbänden stellt sich bereits im Gründungsstadium der GmbH die Frage, ob eine solche Gründung ohne Gefährdung der Gemeinnützigkeit möglich ist. Aber auch nach geglückter Gründung bleibt die Frage, ob die GmbH auf Dauer überlebensfähig ist. Es kann nämlich gemeinnützigkeitsrechtlich nicht angehen, eine schwächelnde Service-GmbH durch laufende Geldspritzen des gemeinnützigen Verbandes am Leben zu erhalten. Hinzu kommen weitere steuerliche Probleme, die sich aus dem Rechtsverhältnis des Verbandes zu „seiner“ GmbH ergeben. Diese Überlegungen gelten mutatis mutandis auch für Berufsverbände. Für diese entfallen zwar die spezifisch gemeinnützigkeitsrechtlichen Gefährdungsmomente. Die aus dem Verhältnis Verband/GmbH folgenden Steuerfragen stellen sich aber bei Berufsverbänden in nahezu gleicher Weise. Ähnliches gilt bei Verbänden, die überhaupt keine Steuerprivilegien für sich in Anspruch nehmen können.

Nach alledem erscheint die Auslagerung von Tagungen und Kongressen auf einen erfahrenen gewerblichen Kongressveranstalter als reizvolle Alternative, die zudem die personellen Ressourcen des ausrichtenden Verbandes schont. Die Agentur kann dann auch weitere, kongressbegleitende Maßnahmen übernehmen, wie beispielsweise die Durchführung des Rahmenprogramms, Einwerbung von Sponsorengeldern, Abwicklung der Kongresswerbung, Drucksachen und Inserate, Gebühreninkasso oder Standvermietung.

Die Idealvorstellung lautet:

  • Alle Arbeiten erledigt die Kongressagentur.
  • Der Verband räumt der Agentur alle Rechte ein, die zur Durchführung des Kongresses erforderlich sind.
  • Der Verband erhält von der Agentur dafür eine Lizenzgebühr, die ertragsteuerfrei, jedoch umsatzsteuerpflichtig ist.

Dieses Konzept erscheint einfach. Es erfordert jedoch eine besonders sorgfältige Vertragsgestaltung und ggf. auch Überwachung der Tätigkeit der Agentur.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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