Das Bundesfinanzministerium hat soeben den Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vorgelegt. Es handelt sich dabei um ein sog. „Omnibusgesetz“, das eine Vielzahl von Steueränderungen quer durch das ganze Steuerrecht vorsieht. Betroffen davon ist auch das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht.
Neue Definition des Begriffs „Allgemeinheit“
Die diversen Steuerbegünstigungen für gemeinnützige Verbände greifen nur, wenn der Verband seine Tätigkeit darauf ausrichtet, „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigen oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“ (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO). Dabei war der Begriff der „Allgemeinheit“ immer recht schwammig. Das Gesetz versuchte daher erst gar nicht, diesen Begriff einigermaßen fassbar zu definieren. Stattdessen wurde eine negative Abgrenzung dahin getroffen, wann keine Förderung der Allgemeinheit vorliegt, z.B. der geförderte Personenkreis fest abgeschlossen ist oder dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 Satz 2 AO). Nicht geregelt war die Frage, ob die „Allgemeinheit“ ein Begriff ist, der über die deutschen Grenzen hinausgeht. Im Zeichen der europäischen Integration war es nur eine Frage der Zeit, wann eine Begrenzung der „Allgemeinheit“ auf einen im nationalen Sinn begrenzten Rahmen mit europäischen Grundwerten kollidiert.
Spätestens mit der Entscheidung des EuGH im Fall Stauffer (Urteil vom 14.9.2006 - C 386/01) war es so weit. Der EuGH entschied, dass es mit dem EG-Vertrag nicht vereinbar sei, wenn eine in Italien als gemeinnützig anerkannte Stiftung mit ihren deutschen Grundbesitzeinkünften in Deutschland nicht als steuerbefreit angesehen wird, weil ihr Sitz nicht in Deutschland liegt, oder mit anderen Worten: weil das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht an den bundesdeutschen Grenzen endet. Der EuGH sah in der Versagung der deutschen Steuerbefreiung einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, weil die Steuerbefreiung nach deutschem Recht allein an den Sitz der gemeinnützigen Körperschaft anknüpft. Die Belegenheit des Sitzes ist aber nach EuGH kein rechtfertigender Grund für eine steuerliche Ungleichbehandlung.
Der Bundesfinanzhof, der die Sache dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hatte, war allerdings selbst von der Annahme ausgegangen, dass die italienische Stiftung auch in Deutschland als gemeinnützig anzusehen sei. Er hatte auch angenommen, daß die notwendige „Förderung der Allgemeinheit“ nicht nur bei Förderung deutscher Staatsangehöriger, sondern auch bei Förderung einer im Ausland ansässigen Bevölkerung zu bejahen sei. Die Antwort der deutschen Finanzverwaltung war bestürzend rückwärtsgerichtet: In einem BMF-Schreiben hieß es sinngemäß, unter „Allgemeinheit“ im Sinne des deutschen Gemeinnützigkeitsrechts sei ausschließlich die deutsche Bevölkerung zu verstehen. Entsprechend lautet nun der aktuelle Gesetzesvorschlag:
„Allgemeinheit sind die natürlichen Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben …“
Frei nach Kaiser Wilhelm II. könnte man also sagen: Der deutsche Fiskus kennt nur noch Deutsche. Der notwendige „strukturelle Inlandsbezug“ soll in § 52 der Abgabenordnung gesetzlich festgeschrieben werden. Die so verstandene Förderung der Allgemeinheit kann nach Auffassung der Finanzverwaltung auch dadurch bewirkt werden, dass eine inländische Körperschaft ihre gemeinnützigen Zwecke im Ausland verwirklicht, soweit dies positive Auswirkungen auf das Ansehen Deutschlands und die deutsche Bevölkerung habe.
Man darf gespannt sein, ob der Vorschlag des Referentenentwurfs zum Gesetz wird. Das Bundesfinanzministerium ist jedenfalls zuversichtlich, dass die vorgeschlagene Neuregelung europaverträglich ist. Man wird sehen. Eindeutig ist allerdings die Reaktion des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Er sieht in dem Gesetzentwurf eine nationale Eigenbrötelei, die die Tätigkeit gemeinnütziger deutscher Organisationen im Ausland praktisch unmöglich mache. Das Bundesfinanzministerium unterlaufe die Bemühungen um eine Vereinheitlichung und Liberalisierung des Gemeinnützigkeitsrechts in der EU. Man darf gespannt sein, ob dieser Appell an die Europafreundlichkeit des deutschen Fiskus im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens Gehör finden wird.
Weitere Änderungsvorschläge
Die beiden weiteren Änderungsvorschläge sind weniger spektakulär. So soll gesetzlich festgeschrieben werden, dass Gemeinnützigkeit die Anerkennung der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung voraussetzt. Das war jedoch bisher schon allgemeine Auffassung. Ferner soll durch eine Ergänzung in § 10 b Abs. 1 EStG klargestellt werden, dass Mitgliedsbeiträge an sog. Kulturfördervereine selbst dann als Sonderausgaben abzugsfähig sind, wenn aufgrund der Satzung oder der tatsächlichen Geschäftsführung den Mitgliedern Vergünstigungen gewährt werden (z.B. Jahresgaben, verbilligter Eintritt oder Veranstaltungen für Mitglieder). Diese Regelung soll rückwirkend ab 1. Januar 2007 gelten.
Fazit
Wie bei jedem Referentenentwurf sind im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens durchaus Änderungen zu erwarten. Kaum ein Gesetz passiert den Bundestag in der Form, wie sie der zugrundeliegende Referentenentwurf vorsah. (WE)