Eine Forschungseinrichtung finanziert sich nicht überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung, wenn die Einnahmen aus Auftrags- oder Ressortforschung mehr als 50 Prozent der gesamten Einnahmen betragen. Ob in diesem Fall die Auftragsforschung in einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu erfassen ist oder die Steuerbefreiung insgesamt verloren geht, ist danach zu beurteilen, ob die Auftragsforschung der eigenen Forschung dient oder als eigenständiger Zweck verfolgt wird.
Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein 1983 gegründeter und eingetragener Verein, dessen Zweck die Erhaltung und Schaffung preiswerten Wohnraums für Bevölkerungsschichten mit geringem Einkommen und die Förderung von Wissenschaft und Forschung in damit zusammenhängenden Forschungsgebieten ist. Er war bis einschließlich 1996 als gemeinnützig anerkannt worden.
In den Jahren 1997 bis 1999 beriet der Kläger öffentliche und private Organisationen, insbesondere auf den Gebieten der Stadt- und Verkehrsplanung, des sozialen Wohnungsbaus unter ökologischen und wohnungspolitischen Aspekten sowie der gesellschaftlichen Integration städtischer Randgruppen. Seine wissenschaftlichen Mitarbeiter entwickelten dabei Ideen zu bestimmten Forschungsvorhaben. Danach wurden Träger gesucht, die diese Vorhaben fördern sollten. Außerdem erhielt der Kläger konkrete Forschungsaufträge und nahm in geringerem Umfang auch an Ausschreibungen für Forschungsprojekte teil.
Die Forschungsprojekte erstreckten sich meistens über mehrere Jahre und wurden je nach Vereinbarung mit dem jeweiligen Auftraggeber mit unterschiedlichen Ergebnissen abgeschlossen. Entweder kam es zu Abschlussberichten mit oder ohne konkrete Beratung des Auftraggebers oder zur Veröffentlichung in Buchform, zur Durchführung von Ausstellungen oder zur Vorbereitung und Durchführung von Bildungsveranstaltungen.
Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) zu der Auffassung, der Kläger habe sich in den Jahren 1997 bis 1999 nicht überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand finanziert und erfülle daher die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 der Abgabenordnung (AO) nicht. Mangels Selbstlosigkeit seien die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nicht erfüllt.
Die dagegen gerichtete Klage hatte nur hinsichtlich des Jahres 1997 Erfolg. Hinsichtlich der Streitjahre 1998 und 1999 teilte das Finanzgericht (FG) Köln in seinem Urteil vom 22. Juni 2005 13 K 3420/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG- 2005, 1492) die Auffassung des FA, der Kläger habe seine steuerbegünstigten Zwecke nicht selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO erfüllt.
Aus den Entscheidungsgründen
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
1. Die Steuerbefreiung wird Körperschaften gewährt, die nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO). Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (vgl. § 14 AO) unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG; § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG). Die Körperschaft verliert die Steuerbegünstigung jedoch nur, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) ist (§ 64 Abs. 1 AO).
2. Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit da-rauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 AO). § 52 Abs. 2 AO nennt beispielhaft als gemeinnützige Zwecke auch die Förderung von Wissenschaft und Forschung.
Wie aus dem Einleitungssatz des § 52 Abs. 2 AO ersichtlich, ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung nur dann gemeinnützig, wenn sie die Vo-raussetzungen des Abs. 1 erfüllt, also der Allgemeinheit dient. Keine Förderung der Allgemeinheit liegt vor, wenn Forschung im Interesse einzelner Auftraggeber betrieben wird und somit sogenannte Auftrags- und Ressortforschung gegeben ist. Die Ressortforschung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Forschungseinrichtung im Auftrag zur Erfüllung von Aufgaben des Auftraggebers, zum Beispiel eines Ministeriums, forscht, dem auch regelmäßig die ausschließlichen Verwertungsrechte zustehen. Diese Tätigkeit dient in erster Linie den Interessen und Zwecken der jeweiligen Auftraggeber und nicht der Forschung zum gemeinen Wohl.
3. Das FG hat allein darauf abgestellt, dass der Kläger nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs tätig geworden ist, und hat aus diesem Grund die Klage abgewiesen. Das beanstandet der Kläger zu Recht.
a) Zutreffend ist allerdings die Annahme des FG, dass der Kläger keinen Zweckbetrieb im Sinne des § 68 Nr. 9 AO unterhalten hat.
aa) Nach § 68 Nr. 9 Satz 1 AO sind Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, deren Träger sich überwiegend aus Zuwendungen der öffentlichen Hand oder Dritter oder aus der Vermögensverwaltung finanzieren, Zweckbetriebe.
Zuwendung in diesem Sinn ist ein Mitteltransfer, der der Körperschaft ohne eigene Gegenleistung zufließt. Unter den Begriff der Zuwendung fallen daher unentgeltliche Leistungen wie Spenden, Mitgliedsbeiträge, Projektförderungszahlungen und Zahlungen, durch die eine aus strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemein politischen Gründen erwünschte Tätigkeit des Zahlungsempfängers gefördert werden soll. Keine Zuwendungen sind hingegen Entgelte, die als Gegenleistung für eine konkrete Tätigkeit im Interesse des Auftraggebers, der auch die öffentliche Hand sein kann, geleistet werden. Die Ressortforschung, deren Ergebnisse in erster Linie den finanzierenden Stellen (hier: den Ministerien) zur Verfügung stehen, wird regelmäßig im Rahmen gegenseitiger Verträge und damit gegen Entgelt erbracht.
Soweit der Kläger geltend macht, unter „Zuwendungen“ im Sinne des § 68 Nr. 9 Satz 1 AO seien alle Leistungen der öffentlichen Hand zu rechnen, auch wenn sie im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages geleistet werden, folgt dem der Senat nicht (wird ausgeführt).
Eine „überwiegende“ Finanzierung bedeutet, dass die Einnahmen zu mehr als 50 Prozent aus Quellen stammen müssen, die nicht Gegenleistung für Leistungen der Wissenschaft und Forschungseinrichtungen sind.
bb) Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Kläger seine Einnahmen in den Streitjahren 1998 und 1999 überwiegend im Rahmen von Leistungsaustauschverhältnissen bezogen und daher keinen Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 9 AO unterhalten hat.
Der Kläger greift dies insbesondere mit Blick auf den von ihm mit dem Ministerium des Landes (M) geschlossenen Vertrag an. Das FG hat hierzu ausgeführt, der Kläger und M hätten ausweislich des Vertrags-textes einen Werkvertrag geschlossen, in dem sich der Kläger verpflichtet habe, bestimmte Leistungen zu erbringen.
Der hieraus gezogene Schluss des FG, dass diesem Vertrag ein Leistungsaustauschverhältnis zugrunde gelegen habe, ist möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Auslegung von Verträgen gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, sofern sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind und Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze nicht missachten.
b) Die Auftragsforschung ist auch kein Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO. Nach dieser Vorschrift ist dann ein Zweckbetrieb gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO), die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können (§ 65 Nr. 2 AO) und der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO). Da die vom Kläger betriebene Eigenforschung auch ohne Auftragsforschung betrieben werden kann und die gewonnenen Erkenntnisse der eigenen Forschung nur mittelbar förderlich sind, liegen diese Voraussetzungen nicht vor.
An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn die Forschungseinrichtung mangels ausreichender eigener finanzieller Mittel zur Erfüllung ihres gemeinnützigen Zwecks auf Auftragsforschung angewiesen ist oder die öffentliche Hand nur bereit ist, Leistungen im Rahmen gegenseitiger Verträge zu erbringen. Eine Behandlung als Zweckbetrieb im Sinne des § 65 AO in diesen Fällen würde die Regelung des § 68 Nr. 9 Satz 1 AO unterlaufen, nach der die Auftragsforschung dann als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu behandeln ist, wenn sich die Träger von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen überwiegend aus Auftragsforschung finanzieren.
c) Das FG hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die Steuerbefreiung des Klägers nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG allein deshalb in den Streitjahren ausgeschlossen war, weil sich der Kläger überwiegend durch Einnahmen aus der Auftragsforschung finanziert hat. Denn wenn eine Forschungstätigkeit die Voraussetzungen des § 68 Nr. 9 AO nicht erfüllt, folgt hieraus unmittelbar nur, dass speziell die Einkünfte aus dieser Tätigkeit nicht von der Körperschaftsteuer befreit sind. Die auf diese Weise tätige Einrichtung kann gleichwohl nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit sein und lediglich einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG körperschaftsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) unterhalten. Die Körperschaftsteuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG geht nur dann verloren, wenn die Auftragsforschung als eigenständiger Zweck neben die Eigenforschung tritt und hierdurch gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstoßen wird.
aa) Das FG hat seine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 944 (unter I. Nr. 5) darauf gestützt, dass der Kläger in den Streitjahren in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt habe und daher nicht selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO tätig gewesen sei. Eine Körperschaft verfolgt indessen nur dann in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie vorrangig und nicht nur nebenbei ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen oder die ihrer Mitglieder fördert. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit der Auftragsforschung überwiegend eigene wirtschaftliche Ziele oder solche seiner Mitglieder verfolgt hat, sind nicht ersichtlich.
Soweit dem Urteil der Vorinstanz die Auffassung zugrunde liegen sollte, eine Körperschaft, die den überwiegenden Teil ihrer Einnahmen aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielt, werde stets durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb geprägt und sei daher in keinem Fall selbstlos im Sinne des § 55 AO tätig, ist dem nicht zu folgen.
Nach dem Senatsurteil vom 15. Juli 1998 I R 156/94 (BFHE 186, 546, BStBl II 2002, 162) liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit nicht allein deswegen vor, weil die Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält und die nicht begünstigten die gemeinnützigen Aktivitäten übersteigen. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Vermögen der gemeinnützigen Körperschaft zweckgerichtet für die ideellen Zwecke eingesetzt wird und die Einnahmen aus der nicht begünstigten Tätigkeit für die begünstigte Tätigkeit verwendet werden. Wirtschaftliche Tätigkeiten zur Erhöhung der Einkünfte mit dem Ziel, den gemeinnützigen Satzungszweck durch Zuwendungen von Mitteln zu fördern, sind nicht schädlich (ebenso Strahl, DStR 2000, 2163, 2167, m.w.N.).
bb) Eine wirtschaftliche Aktivität einer gemeinnützigen Körperschaft darf allerdings nicht zum Selbstzweck werden. Andernfalls verstößt sie gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO.
Dieses Gebot besagt, dass eine Körperschaft nicht gemeinnützig ist, wenn sie neben ihrer gemeinnützigen Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese Zwecke nicht gemeinnützig sind. Im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben folgt daraus, dass deren Unterhaltung der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft entgegensteht, wenn sie in der Gesamtschau zum Selbstzweck wird und in diesem Sinne neben die Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks der Körperschaft tritt. Die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ist mithin aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts nur dann unschädlich, wenn sie um des gemeinnützigen Zwecks willen erfolgt, indem sie beispielsweise der Beschaffung von Mitteln zur Erfüllung der gemeinnützigen Aufgabe dient. Ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen nicht dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet, sondern ein davon losgelöster Zweck oder gar der Hauptzweck der Betätigung der Körperschaft, so scheitert deren Gemeinnützigkeit an § 56 AO. In einem solchen Fall kann die Betätigung der Körperschaft nicht in einen steuerfreien und einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden; vielmehr ist dann die Körperschaft insgesamt steuerpflichtig.
4. Das FG ist, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, dem Verhältnis zwischen der Auftragsforschung des Klägers einerseits und dessen übrigen Tätigkeiten andererseits nicht nachgegangen. Deshalb ist der Rechtsstreit nicht zur abschließenden Entscheidung reif.
Ob die vom Kläger betriebene Auftragsforschung, sofern sie sich von der steuerbegünstigten Tätigkeit trennen lässt, der Eigenforschung des Klägers materiell oder in anderer Weise dient und damit dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet ist oder als eigenständiger Zweck verfolgt wird, ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei ist bei einer Forschungseinrichtung davon auszugehen, dass der Zuwachs an Wissen und Erfahrung der wissenschaftlichen Mitarbeiter, der mit jedem Auftrag einhergeht, für die Annahme einer Unterordnung der Auftragsforschung unter den gemeinnützigen Zweck des Klägers allein nicht ausreicht. Die Würdigung und Gewichtung der einzelnen Umstände, insbesondere des eingesetzten Zeit- und Personalaufwands, ist vornehmlich tatsächlicher Art und obliegt daher dem FG. Dessen Urteil ist folglich, soweit es die Streitjahre 1998 und 1999 betrifft, aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. (HM)
(BFH, I R 76/05 vom 04.04.2007)