Verbändereport AUSGABE 9 / 2012

Weiterbildungsangebote von Verbänden

Was können Verbände ihren Mitgliedern bieten?

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Im Verbändereport 3/2012 beschäftigte sich der Schwerpunktartikel mit dem Thema Qualitätsmanagement in der Weiterbildung und diskutierte auch die Frage, nach welchen Kriterien Unternehmen und Betriebe selbst Weiterbildung gestalten und die Angebote externer Weiterbildungsanbieter auswählen. Der folgende Artikel schließt an diese Überlegungen an und wechselt von der Nutzer-Seite – der Mitglieder und Mitgliedsunternehmen in Verbänden – auf die Perspektive der Anbieter-Seite: Es geht um das Weiterbildungsangebot, das Verbände ihren Mitgliedern und deren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen machen können, und um die Frage, warum sich ein solches Angebot für Verbände lohnt.

Warum ein Weiterbildungsangebot von Verbänden – und warum jetzt?

„Lebenslanges Lernen“ ist in aller Munde, angesichts von europaweiten Bildungsreformen und -initiativen, die sich mit den Stichwörtern Bologna, Nationaler Qualifikationsrahmen, Berufsanerkennungs- und Dienstleistungsrichtlinie und Berufsausweis umreißen lassen. Die Betriebe und Unternehmen in unterschiedlichsten Branchen haben die Notwendigkeit von Fort- und Weiterbildung für ihre Mitarbeiter/-innen längst realisiert, auch Freiberufler und andere Mitglieder von Personen- und Berufsverbänden müssen sich mit dem Thema ihrer eigenen Weiterqualifizierung beschäftigen. Unabhängig davon, wie man diesen Trend allgemein-gesellschaftlich bewertet, ist er ein Faktum, mit dem sich auch Verbände auseinandersetzen sollten: Auch Verbände sind „lernende Organisationen“, die sich mit (neuen) Geschäftsfeldern wie der Weiterbildung ins Benehmen setzen und sich damit auch intern gegenüber den Mitgliedern und der Öffentlichkeit positionieren können.

Wie stellt sich die „WeiterbildungsSzene“ in der Verbände-landschaft augenblicklich dar?

Aus Sicht der Autorin gibt es hier drei Szenarien:

„Bildung um der Bildung willen“:

Hier machen Verbände punktuell einzelne Seminarangebote, meist zu aktuellen Themen der Branche oder des Berufs, die von den Mitgliedern sporadisch nach Bedarf und Interesse wahrgenommen werden. Die Motivation der Mitglieder für die Teilnahme ist meist ein Interesse an fachlichem Vorankommen oder ein Informationsbedürfnis über neue Entwicklungen der Branche, wie Gesetzesveränderungen. Die Teilnahmeentscheidung ist i. d. R. individuell und freiwillig.

Zertifizierte Weiterbildung (im weitesten Sinne):

Diese wird verstärkt in Verbänden angeboten. Es werden entweder Teilnahme-Zertifikate ausgestellt, für einzelne Seminare oder Trainings- oder Seminar-Pakete, oder die Teilnahme wird in einem qualifizierten Zertifikat auch bewertet, also im klassischen Sinn „benotet“. Die Mitglieder/Teilnehmer nutzen den Weiterbildungsnachweis als Karriere-Zugang oder zur Optimierung beruflicher Chancen (Beispiel: der „Stiftungsmanager“ des Bundesverbands Deutscher Stiftungen). In manchen Branchen oder Berufsfeldern ist Weiterbildung auch verpflichtend, um Zugang zu bestimmten Teilbereichen der Berufsausübung zu bekommen oder den erreichten Status in regelmäßigen Abständen zu dokumentieren (Beispiel: das Punkte-System in der ärztlichen Weiterbildung). Dem tragen die entsprechenden Verbände Rechnung.

Akademisierte Weiterbildung:

Diese wird im Zusammenhang mit der Professionalisierung des Berufsbildes entwickelt. Angeboten werden entsprechende Lehrgänge von externen Anbietern, die aber von Verbänden initiiert und getragen sind. (Beispiel: die Technische Hochschule Mittelhessen bietet einen Zertifikatslehrgang „Fachpädagoge im Gesundheitswesen“ auf Hochschulniveau an, der in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz, dem Arbeitersamariterbund und dem Malteser Hilfsdienst durchgeführt wird.) Die Alternative sind Studiengänge mit akademischem Abschluss, bei denen Verbände die Rolle des Förderers, Initiators und Vermittlers bzgl. ihrer Mitglieder spielen (eines der jüngsten Beispiele: der Bachelor-Abschluss für Physiotherapeuten an der Hochschule für Gesundheit Bochum).

Dies vorangeschickt, soll der aktuelle Hintergrund für ein Weiterbildungsangebot von Verbänden an zwei Beispielen etwas genauer dargestellt werden, den Berufs- und Personenverbänden und den Wirtschaftsverbänden, bevor dann auf Kriterien für die Entwicklung eines Weiterbildungsangebots und den Nutzen eingegangen wird, den Verbände (und ihre Mitglieder) aus einem solchen Angebot ziehen können.

Beispiel 1: Berufs- und Personenverbände

Diese Verbände versprechen sich von einem eigenen Weiterbildungsangebot eine bessere Qualifizierung und Positionierung ihrer Mitglieder. Das ist besonders dort interessant, wo es – noch – keine eindeutigen und verbindlichen Regelungen zum Qualifikationsniveau bzw. für den Berufszugang für die Angehörigen der Berufsgruppe gibt. Hier ist viel in Bewegung, viele Verbände dieser Kategorie, v. a. für „neuere“ Berufe, beschäftigen sich aktuell mit dem Thema Professionalisierung des Berufsbildes. Das geht von der Etablierung von verbandseigenen Zertifikaten über die staatliche Anerkennung des Abschlusses bis hin zum Berufs(titel)schutz als mittelfristiges und zur „Verkammerung“ als Fern-Ziel.

Im Zuge von Bologna akademisieren sich verschiedene Berufe. In den Verbänden läuft die Diskussion dazu sehr unterschiedlich: Manche Verbände forcieren die Entwicklung, zum Teil auch gegen Teile der eigenen Mitgliedschaft und der bisherigen Kooperationspartner im Bildungs- und Ausbildungssystem unterhalb des akademischen Niveaus, die ihre Existenz durch die jüngsten Entwicklungen gefährdet sehen; manche Verbände wollen die Akademisierung nicht oder halten sie nicht für nötig. Tendenziell scheint es so zu sein, dass die Akademisierung sich in vielen Bereichen zumindest auf Bachelor-Level durchsetzen wird.

Mit Bezug auf die europäische Entwicklung ist im Übrigen festzustellen, dass sich – auch was die in Deutschland reglementierten Berufe angeht – eher die angelsächsische Tendenz zur eigenverantwortlichen Normung durch die Berufsvertretungen durchsetzen wird gegenüber einer (in Deutschland noch vorherherrschenden) gesetzlichen Regelung; auch das wird eine zunehmende Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten von Verbänden zur Folge haben.

Beispiel 2: Wirtschaftsverbände

Wirtschaftsverbände – soweit sie nicht eigene Aus- und Fortbildungssysteme traditionell etabliert haben – sind auf dem Gebiet der Weiterbildung für ihre Mitgliedsunternehmen zurzeit noch eher zurückhaltend, verschiedene Verbände positionieren sich aber deutlich. Jüngstes Beispiel ist der Deutsche Fruchthandelsverband mit seiner Bildungsplattform „Frische Seminar“, Finalist beim DGVM INNOVATION AWARD „Verband des Jahres 2012“.

Hintergrund ist für diese Verbände oft, dass traditionelle Formen der Aus- und Weiterbildung in verschiedenen Sparten zunehmend weniger verbindlich oder überhaupt faktisch vorhanden sind. Die Branche entwickelt sich z. B.  weg von den klassischen Familienunternehmen, die Wissen quasi von Generation zu Generation weitergeben und damit verfügbar halten. In Strukturen, die z. B. im Bereich der Handwerksbetriebe immer mehr von angestellten Geschäftsführern oder anderen von außen kommenden Personen geleitet werden und in denen auch branchenfremde Mitarbeiter/-innen ausgebildet und beschäftigt werden, kann ein Verband mit einem entsprechenden Weiterbildungsangebot für seine Mitglieder Lücken füllen und einem zunehmenden Bedarf gerecht werden.

Zudem sind die Anforderungen an Branchen oft höher und komplexer geworden, was zusätzlichen Weiterbildungsbedarf generiert. In der Regel sind die Verbände auch genauer orientiert über den Qualifizierungsbedarf der Berufsgruppe oder Unternehmenssparte, als dies allgemeine Weiterbildungs-Anbieter sein können. Deshalb nehmen Mitglieder sie auch eher als kompetent wahr. Ein zusätzliches Argument ist auch, dass viele mittlere und kleinere Einzel-Unternehmen sich keine eigene Weiterbildungs-Struktur leisten können und von einem gebündelten Weiterbildungsangebot ihres Verbandes profitieren.

Für alle Arten von Verbänden gilt: bezüglich der Nutzer von verbandlichen Weiterbildungsangeboten, also vonseiten der Mitglieder und Mitgliedsfirmen, aber auch der Nichtmitglieder, wird eine beruflich und karrierebezogen nutzbare Qualifikation zunehmend nachgefragt, das heißt, es entsteht Druck von außen durch die Nachfrage an Verbände. Und im Vergleich mit externen Bildungsanbietern ist die „Szenekenntnis“ der Verbände ein erhebliches Argument.

Was ist bei der Entwicklung eines Weiterbildungskonzepts zu bedenken?

In welchen Schritten kann man vorgehen, was sind Kriterien für Angebote von Verbänden an ihre Mitglieder und für die Konzeptentwicklung?

In der Regel geht dem Bildungskonzept eine systematische Bedarfserhebung bei den Mitgliedern voran, bei der auch Themenwünsche mit abgefragt werden und die Abfrageergebnisse – auch auf dem Hintergrund möglicher Konkurrenzangebote – abschließend bewertet werden.

Zielgruppe definieren: Sollen alle Mitarbeiter der Mitgliedsunternehmen auf allen Ebenen angesprochen werden oder nur bestimmte Gruppen mit besonderem Bildungsbedarf? Sollen auch Nichtmitglieder einbezogen werden, um damit auch das Image des Verbandes zu stärken und gleichzeitig Mitgliederwerbung zu betreiben, oder gibt es Gründe, warum die Exklusivität der Weiterbildungs-Dienstleistung nur für Mitglieder angezeigt ist? Diese Fragen werden je nach Branche und Verband anders beantwortet werden.

Themenfindung zusammen mit Exponenten des Verbandes und der Branche: So nutzen Verbände Wissen und Erfahrung aus eigenen Reihen, also die „Experten in eigener Sache“, in Verbindung mit in der Szene etablierten und bekannten Außenstehenden. Viele Verbände haben eigene Arbeitskreise oder Ausschüsse zum Thema Bildung, die hier einbezogen werden können.

Wichtig ist auch die Einbindung in das Gesamt-Portfolio der Dienstleistungen für die Mitglieder. Das heißt, es müssen Schnittstellen zu anderen Service-Segmenten überprüft und ein Abgleich mit den strategischen Zielen des Verbandes insgesamt muss vorgenommen werden. Der Verband wird, wenn er ein Weiterbildungsangebot auflegt, Weiterbildung auch mit in sein übergeordnetes Ziel-Portfolio aufnehmen.

Auswahl des passenden Ortes für die Weiterbildungsmaßnahmen: Zu prüfen ist, ob das Angebot real vor Ort, zum Beispiel im eigenen Verbandshaus oder in den Räumlichkeiten der Geschäftsstelle, stattfinden kann und soll oder ob Räumlichkeiten angemietet werden oder ob das Angebot gemeinsam mit einem Kooperationspartner geplant wird, also einem Bildungsveranstalter oder einer Akademie, die die logistische Umsetzung übernimmt. Der Vorteil der ersteren Möglichkeit liegt sicherlich vor allem darin, dass die Teilnehmer, insbesondere wenn es sich um Mitglieder handelt, direkten Kontakt „zum Verband“ haben und so die grundsätzliche Schwierigkeit von Verbänden als virtuelle Organisationen abgemildert wird. Der Vorteil der zweiten Variante erlaubt unabhängig vom Verbandssitz eine bundesweite Verfügbarkeit des Angebotes, etwa unter dem Gesichtspunkt der zentralen Erreichbarkeit oder ausgerichtet daran, welche Teilnehmer/-innen aus welchen Regionen jeweils Interesse zeigen.

Kompetente Referent(inn)en aus Theorie und Praxis auswählen: Auch hier können Verbände ihre ureigene Mitglieder-Kompetenz nutzen, Verbände sind im Bildungsbereich „anwendungsstark“ und können diesen Vorteil in der praktischen Gestaltung des Weiterbildungsangebots nutzen.

Zu empfehlen ist auf jeden Fall, didaktisch-methodische Kompetenz in die Konzeptentwicklung einzubinden und das Qualitätsniveau der Dozenten sicherzustellen. Es reicht nicht aus, aktuelle Themen zu definieren und dafür fachlich kompetente Referent(inn)en zu suchen. Vielmehr müssen Dozenten auch qualifizierte Lehrkompetenz aufweisen, neuere Forschungsergebnisse im Hinblick auf das Lernen von Erwachsenen kennen und in ihrem Unterricht mit adäquaten, aktivierenden Methoden umsetzen können.
Das ist nicht zuletzt im Hinblick auf mögliche Konkurrenz-Anbieter auf dem Weiterbildungsmarkt zu empfehlen, die, so sie seriös sind, hier meist eine starke Kompetenz haben. Referenten sollten also am Qualitätsmerkmal Lehrerfahrung und Lehr-Ausbildung gemessen werden. Ggf. sollte eine didaktische Schulung der Referen-t(inn)en in Betracht gezogen werden. Nicht zuletzt brauchen Dozenten in diesem Bereich soziale Kompetenz im Umgang mit heterogenen Zielgruppen.

Qualität dokumentieren durch Zertifikat oder Leistungsnachweise in anderer Form: Hier gibt es die oben dargestellten Varianten von der reinen Teilnahme-Bescheinigung über einen qualifizierten Modul-Nachweis bis hin zur Zertifizierung aufgrund von Teilnahme und abschließender Prüfung (s. Abb. Seite 16). Für die Inhalte des Zertifikats und der Prüfung gilt, was zuvor über didaktische Orientierung gesagt wurde: Entscheidend ist die Abstimmung zwischen den Bildungsinhalten und den Zertifizierungsanforderungen. Simpel ausgedrückt geht es darum, dass das, was gelehrt wurde, auch Gegenstand des Leistungsnachweises sein sollte. Das ist nicht so einfach, wie es sich anhören mag, denn im Grunde muss das Bildungsangebot quasi rückwärts geplant werden, von den zu prüfenden Inhalten verweisend auf die Bildungsinhalte und die Methodenauswahl, mit der diese vermittelt werden. Ist das Bildungsangebot kompetenzorientiert, kann der abschließende Prüfungsteil es sich nicht leisten, hierauf keine Rücksicht zu nehmen. Gerade in der Außenwirkung der Zertifikate ist dies ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Und der Nutzen? Was hat der Verband davon?

Für Verbände ist ein entsprechendes Angebot in vielfältiger Weise nützlich:

Verbesserung des Mitgliederservice: Der Verband positioniert sich als kompetenter Dienstleister „auf der Höhe der Zeit“ gegenüber seinen Mitgliedern.

Stärkung der Identifikation der Mitglieder mit dem Verband. Damit wird Weiterbildung zu einem wesentlichen Instrument der Mitgliederbindung. Der Eindruck entsteht: „Wir gehen gemeinsam vo-ran in die Zukunft und stellen uns den Herausforderungen in unserer Branche.“

Mitgliederpflege: Bei den Seminaren kann der Verband Präsenz vor Ort zeigen, im direkten Kontakt die persönliche Ansprache der Mitglieder betreiben, den Verband fühl- und sichtbar machen.

Mitgliedergewinnung: Wenn das Bildungsangebot für Nichtmitglieder offen ist, sind Bildungsveranstaltungen die beste Gelegenheit, potenzielle Mitglieder durch konkrete Wahrnehmung des Verbandes und Qualität des Angebots zu überzeugen.

Gezielte Nachwuchssuche: Die Bildungsveranstaltungen bieten Gelegenheit, Ausschau zu halten nach ehrenamtlichem Funktionärs-Nachwuchs. Für so manches Vorstandsamt wurde als Erstes beim abendlichen Bier der Veranstaltungsteilnehmer geworben ...

Erhöhung von Glaubwürdigkeit nach innen und außen: Bildungsangebote sind eine Maßnahme der internen Kommunikation (Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache) und der externen Öffentlichkeitsarbeit. Gegenüber den Mitgliedern zeigt der Verband „Wir nehmen eure Anliegen und Themen ernst“, nach außen wird die Wahrnehmung des Verbands als Fach-Autorität verstärkt und gesehen, dass der Verband sich um Qualität bemüht.

Positionierung des Verbands als Gewährleister von Berufs- und Ausbildungsstandards, Transparenz und somit die Verdeutlichung der Bedeutung von Qualitätssicherung als zentralem Verbandsanliegen.

Résumé

Der Weiterbildungsbedarf in Unternehmen und Betrieben sowie bei Angehörigen vieler Berufsgruppen wird aller Voraussicht nach steigen und bietet Verbänden die Chance, sich als Experte zu positionieren. Der Trend geht hin zu qualitätsgesicherter Weiterbildung mit bestimmten Standards, hin zu zertifizierter Weiterbildung, und deshalb auch hin zu modernen didaktisch-methodischen Standards bei Bildungsprogrammen und Zertifizierungskriterien. Verbänden obliegt es, diesen Trend als Chance für sich zu nutzen.  

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Autor/in

Sabina Fleitmann

ist Organisationsberaterin und -entwicklerin für Verbände und NPO, u. a. mit den Schwerpunkten strategische Weiterentwicklung, Strukturreform, Personalentwicklung, Haupt- und Ehrenamt, Interessenvertretung und Lobbying.

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