Wann immer Konzepte aus der Betriebswirtschaft auf die klassische NPO – also Organisationen, die sich überwiegend im Gesellschafts-, Sozial- und Wohlfahrtsbereich engagieren – übertragen werden, taucht die Frage auf, ob denn NPO nicht so grundlegend verschieden von gewinnorientierten Unternehmen seien, dass eine Übertragung zwangsläufig scheitern müsse. Zweifellos ist der Unterschied zwischen einer in ihrer Freizeit ehrenamtlich Biotope pflegenden lokalen Umweltschutzgruppe und dem Bayerkonzern erheblich. Aber ebenso gravierend sind die Unterschiede zwischen einem Bäckermeister und einem weltweit tätigen Getreidehändler; oder zwischen einem dörflichen Karnevalsverein und der bundesweit tätigen Johanniter-Unfall-Hilfe.
Systematisch betrachtet können sich Unterschiede zwischen Profit- und Nonprofit-Organisationen ergeben
- bei der Gewinnerzielungsabsicht,
- bei den Organisationszielen,
- bei der Rechtsform,
- bei der Unternehmensgröße,
- bei der Qualifikation der Geschäftsführung oder der Mitarbeiter
- und bei der Steuerbegünstigung.
Entgegen gelegentlich auftauchenden Gerüchten dürfen selbst steuerbegünstigte NPO Gewinne in beliebiger Höhe machen. Soll die Steuerbegünstigung nicht gefährdet werden, sind bei der Verwendung dieser Gewinne bestimmte Bedingungen einzuhalten und die Organisation darf nicht primär auf Gewinnerzielung, sondern muss auf die Erreichung der begünstigten Ziele ausgerichtet sein.
NPO lassen sich dadurch definieren, dass ihre vorrangigen Ziele nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Ihre überwiegend altruistischen, am Wohl der Gemeinschaft orientierten Ziele sind zweifellos ein Aspekt, der nachfolgend vertieft behandelt werden muss. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass auch gewinnorientierte Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen können und dies in der Praxis tun. Dies kann sich beispielsweise in Sponsoring, Bereitstellung von Ausbildungsplätzen über den eigenen Bedarf hinaus, freiwilligen Umweltschutzmaßnahmen oder bereits in der Produktpalette ausdrücken. Unterschiedlich ist die Gewichtung der monetären und nichtmonetären Organisationsziele. Hier sei kritisch angemerkt, dass die Trennungslinie nicht besonders scharf verläuft. Bei so manchem „Sozialunternehmen“ stehen fak-tisch persönliche Interessen an politischer Einflussnahme, eigenem Einkommen und wirtschaftlicher Macht nicht weniger im Vordergrund als bei gewerblichen Unternehmen. Dennoch soll im nächsten Abschnitt das Zielsystem als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal vertieft behandelt werden.
Das Controllingkonzept ist nicht auf bestimmte Rechtsformen zugeschnitten. GmbHs, Aktiengesellschaften und Genossenschaften können sowohl mit als auch ohne Steuerbegünstigung angetroffen werden.
Die Notwendigkeit von explizit betriebenem Controlling nimmt mit der Unternehmensgröße zu. Sowohl Profit- wie Nonprofit-Organisationen kommen in sehr unterschiedlichen Größen vor. Auch im Nonprofit-Bereich sind Trä-ger mit mehreren tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzutreffen. Daher trügt die Vorstellung, NPO seien für Controlling zu klein. Und selbst bei einem Einmann-Unternehmen lässt sich Controlling betreiben, indem Preise kalkuliert und Deckungsbeiträge ver-folgt werden und die Geschäftspolitik an der Zielerreichung ausgerichtet wird.
Die Qualifikation von Geschäftsführung und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sagt nichts über den Bedarf an Controlling, sondern nur über den Bedarf an Personalentwicklung aus. Bei dem praktischen Einsatz von Controlling ist allerdings auf die Vorkenntnisse der Entscheidungsträger Rücksicht zu nehmen, seien es Ehrenamtliche oder Hauptamtliche ohne kaufmännische Kenntnisse. Controlling in NPO sollte daher stärker noch als in Profit-Unternehmen die verständliche Vermittlung von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen in den Vordergrund stellen. Eine enge Abstimmung zwischen Controlling und Personalentwicklung ist für den Erfolg des Controllings in NPO von zentraler Bedeutung.
Die Steuerbegünstigung beschränkt nur die Verwendung von Mitteln auf den begünstigten Bereich. Sie macht keine Einschränkungen hinsichtlich der eingesetzten Steuerungsinstrumente. Allerdings können aus der Steuerbegünstigung und aus Auflagen von Zuwendungsgebern zusätzliche Informationsbedürfnisse entstehen. Dies führt nicht zur Unbrauchbarkeit herkömmlicher Controllinginstrumente, sondern erfordert eine kritische Überprüfung und ggf. Anpassung im Einzelfall. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass auch bei gewerblichen Unternehmen erhebliche Umsätze mit Subventionen (Kohle, Stahl, Regionalförderung) und unter Selbstkostenfinanzierung (Preisberechnung bei Rüstungsaufträgen) getätigt werden.
Die Grundidee des Controllings, die Zielerreichung durch Informationsversorgung der Entscheidungsträger zu verbessern, ist für NPO genauso relevant wie für Profit-Organisationen. Die Anforderungen an ein NPO-Controlling sind nicht anders, sondern eher höher als bei Profit-Unternehmen,
- weil bei den Entscheidungen neben den ökonomischen Zielen verstärkt ideelle Ziele berücksichtigt werden müssen,
- weil durch die Steuerbegünstigung und durch Zuwendungsbedingungen zusätzliche, oftmals sehr komplizierte oder gar widersprüchliche Bedingungen eingehalten werden müssen,
- weil die ehren- und hauptamtlichen Entscheidungsträger häufiger als in Profit-Unternehmen nicht über eine Ausbildung verfügen, die die betriebswirtschaftlichen Grundlagen und branchenspezifischen Sonderbedingungen vermittelt hat.
Erweitertes Zielsystem für Controlling in NPO
Die meisten Unterschiede zwischen NPO und gewinnorientierten Unternehmen erfordern keine tief greifende Anpassung des Controllingkonzeptes, sondern bestenfalls eine kleinere Modifikation einzelner Instrumente für bestimmte Situationen. NPO zeichnen sich dadurch aus, dass sie vorrangig ideelle, nicht ökonomische Ziele verfolgen. Da sich herkömmliches operatives Controlling auf die kurzfristige Erfolgssteigerung konzentriert, könnte es sich für NPO doch noch als kontraindiziert erweisen.
In den konstitutiven Dokumenten der NPO, z.B. der Vereinssatzung, wird regelmäßig eine inhaltliche Zielsetzung für die Körperschaft vorgenommen, die ausschließlich oder überwiegend ideellen Charakter hat. Hinter diesem oft eher nüchternen, auch an steuerrechtlichen Bedingungen orientiertem Text stehen Visionen, eine Gründungsgeschichte und teilweise charismatische Führungspersonen. Als weitere Konkretisierung kann ein Leitbild formuliert worden sein. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich eine Unternehmenskultur, die oft in besonderer Weise von den ideellen Werten der Organisationsmitglieder geprägt ist.
Auch in Profitorganisationen existiert eine Unternehmenskultur, die ideelle Anteile haben kann und deren bewusste Entwicklung zunehmend als Aufgabe des Managements gesehen wird. Während jedoch die ideellen Aspekte bei Profit-Organisationen, z.B. Verantwortung des Unternehmens für die Gesellschaft und die Ressourcen der Umwelt, oft als schmückendes Beiwerk aus der Marketingabteilung erscheinen, sind sie bei erfolgreichen NPO zentraler Bestandteil des Wertesystems und haben maßgeblichen Einfluss auf das Handeln. Vor allem für ehrenamtliche aber auch für viele hauptamtliche Organisationsmitglieder sind diese Werte ausschlaggebend für die Mitgliedschaft. Die Beziehungen zu Zuwendungsgebern, Spendern, Gebietskörperschaften und vielen anderen Institutionen werden grundlegend von der Existenz, Ausgestaltung und praktischen Umsetzung dieser ideellen Werte getragen.
Auch wenn die ideellen Ziele der Or-ganisation erst die Existenzberechtigung geben, stellen die ökonomischen Ziele eine Nebenbedingung für diese Existenz dar. So wichtig das Wohl der Klienten oder die Erreichung eines gesellschaftlichen Ziels auch sind, ohne Liquiditätserhalt und langfristig auch Substanzerhalt kann eine Organisation in unserem Rechtssystem nicht handlungsfähig bleiben. Daher sind diese Bedingungen zwar inhaltlich nachrangig, aber dennoch zwingend einzuhalten.
Ohne anders lautenden expliziten Beschluss einer Mitglieder- oder Gesellschafterversammlung müssen Vorstand oder Geschäftsführung immer davon ausgehen, dass sie auch mit einer Existenz- und Substanzsicherung der Organisation beauftragt sind. Mit Rücksicht auf Haftungsrisiken sollte das Controlling deshalb z.B. rechtzeitig vor einer drohenden Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit warnen. Von diesen Rahmenbedingungen abgesehen besteht jedoch erheblicher geschäftspolitischer Gestaltungsspielraum. Jede Organisation kann, mit Ausnahme der meisten Stiftungen, die ihr Vermögen auf Dauer erhalten müssen, individuelle Abwägungen zwischen sofortigem Einsatz von Vermögen oder Erhaltung ihrer Handlungsfähigkeit für die Zukunft treffen. Viele Organisationen bilden gezielt Rücklagen, um sie bei entsprechendem Bedarf verwenden zu können. Ob und in welcher Höhe eine bestimmte Situation diesen Mitteleinsatz rechtfertigt, geht über den Rahmen wirtschaftlicher Entscheidungsprobleme hinaus.
Grundsätzlich ist es Aufgabe eines Finanzcontrollings, die absehbaren finanziellen Auswirkungen von Alternativen zu prognostizieren und die Ergebnisse der Umsetzung zu dokumentieren. Dies alleine genügt in einer NPO nicht. Da die verfügbaren Ressourcen immer begrenzt sind, stellt sich aus ideeller Sicht auch immer die Frage nach einem möglichst effizienten Einsatz der Mittel. Dieser kann jedoch nicht nur mit wirtschaftlichen Kategorien bestimmt werden, sondern er ergibt sich aus der Relation der eingesetzten, auch finanziellen Mittel und der erreichten Wirkung. Da letztere sich finanziellen Kategorien bei NPO verschließt, ist eine Erweiterung des Controllings erforderlich, wenn es in NPO eine tragfähige Entscheidungshilfe bieten möchte.
Ansätze für ein Sozialcontrolling
Wenn die ideellen Aspekte bei NPO im Vordergrund stehen, stellt sich die Frage, ob es nicht auch für die ideellen Ziele ein Controlling geben müsste: ein Sozialcontrolling oder Fachcontrolling. Controlling als systematische Information von Entscheidungsträgern zur Verbesserung der Zielerreichung lässt sich prinzipiell auch auf die ideellen Ziele übertragen. Dabei treten in der Praxis einige Probleme auf.
- Die ideellen Ziele werden bei der operativen Planung nicht ausreichend berücksichtigt.
- Die ideellen Ziele sind nicht oder nur schwer operationalisierbar und entziehen sich damit einer Planung bzw. einem Soll-Ist-Vergleich.
- Es fehlt an geeigneten Instrumenten für ein Fachcontrolling.
- Die Akzeptanz für ein Fachcontrolling ist noch geringer als beim Finanzcontrolling, da noch weiterreichende Einschnitte in die Handlungsautonomie befürchtet werden.
- Für die Beurteilung der Zielerreichung im ideellen Bereich ist eine ganz andere Qualifikation erforderlich als im Finanzcontrolling.
In der Praxis sind klare ideelle (inhaltliche, fachliche) Ziele die Ausnahme. Bei vielen Organisationen werden inhaltliche Ziele wenig thematisiert: Die Formulierungen einer Satzung haben wenig praktische Relevanz, Leitbilder existieren nicht und strategische Planung wird nicht explizit betrieben. Da verwundert es nicht, wenn auch keine operationalisierten Fachziele entwickelt werden.
Dieser Mangel hängt auch mit der schwierigen Messbarkeit von ideellen Zielen zusammen. Wie soll beispielsweise die Verbesserung der Wohnsituation von Menschen mit geistiger Behinderung in einer Region gemessen werden? Für die meisten Fragestellungen existieren keine standardisierten Messinstrumente, sondern nur Indikatoren, deren Interpretation selten eindeutig ist. Dies darf aber nicht dazu führen, dass nicht einmal der Versuch einer Messung und objektiven Einschätzung ideeller Erfolge vorgenommen wird.
Widerstand gegen die Messung fachlicher Leistungen resultiert oft aus der Angst, die eigenen Methoden rechtfertigen oder gar ändern zu müssen. Aber auch dort, wo der Wunsch besteht, die Wirkung der eigenen Arbeit zu messen und zu verbessern, wird befürchtet, dass wichtige Faktoren nicht erfasst und bewertet werden.
Bei einem Beratungsgespräch kann die Dauer in Minuten gemessen werden. Sie müsste in Relation zu der individuellen Problemlage des Klienten und zu dem erreichten Erfolg in dem Gespräch gesetzt werden. Eine Problemlage lässt sich bestenfalls grob kategorisieren, aber kaum in eine eindeutige Rangfolge bringen oder gar zahlenmäßig messen. Der Erfolg könnte aus konkretem Verhalten des Klienten abgeleitet werden. Aber dieses ist wieder nur ein Indikator für oft sehr abstrakte Ziele, wie z.B. die Selbständigkeit des Klienten zu fördern oder eine tragfähige Beziehung aufzubauen. Wenn ein Klient regelmäßig wiederkommt, kann dies ein Zeichen von zunehmender Abhängigkeit vom Berater oder für den Aufbau einer stabilen Arbeitsbeziehung zum Berater sein. Hinzu mag in einigen Fällen kommen, dass der Erfolg nur sehr langfristig gemessen werden kann, wie beispielsweise die Lebensjahre nach einer Herzoperation.
Sollten tatsächlich Effizienzunterschiede zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Methoden feststellbar sein, kann dies für die Betroffenen viel weiter reichende Folgen haben als Ergebnisse im Finanzcontrolling. Änderungen betreffen die eigene fachliche Qualifikation, das Verständnis von einer „guten Arbeit“ und über Jahre praktizierte Fachlichkeit.
Die Diskussion über Qualität und inhaltliche Zielerreichung findet in einer „anderen Sprache“ als das Finanzcontrolling statt, erfordert andere Modelle und eine ganz andere Qualifikation. Da die meisten Controller diese Qualifikation nicht mitbringen, unternehmen sie von sich aus keine Anstrengung, ein Fachcontrolling aufzubauen und sind mit einer Integration beider Sichtweisen überfordert.
- Außerhalb des Controllings wurden in den letzten Jahren verstärkt Fragen der ideellen Zielerreichung diskutiert, oft als Reaktion auf knappere Ressourcen.
- Im Rahmen von Leitbilddiskussionen wurden die inhaltlichen Ziele von Organisationen konkreter ausformuliert.
- In einigen Fachbereichen findet eine verstärkte Qualitätsdiskussion statt. In der Pflege hat die Einführung der Pflegeversicherung hierzu Impulse gegeben.
- Auch die Entwicklung von Qualitätshandbüchern im Rahmen einer Zertifizierung kann in diesem Zusammenhang gesehen werden.
- In der Marktforschung und der empirischen Sozialforschung wurden Modelle für Kunden- und Klientenbefragungen entwickelt, die Aufschluss über Anforderungen der Leistungsempfänger und deren Erfüllung durch die NPO liefern können.
- In der Sozialarbeit werden bereits seit Jahren Evaluation und neuerdings verstärkt Selbstevaluation thematisiert.
Zusammenfassung
Nonprofit-Organisationen dienen primär der Erreichung ideeller Ziele. Um diese langfristig verfolgen zu können, müssen sie die Formalziele Liquiditätserhalt und Substanzsicherung als zwingende Nebenbedingung beachten. Während die herkömmlichen Controllinginstrumente für das Finanzcon-trolling in NPO grundsätzlich geeignet sind und nur der Anpassung an besondere Restriktionen bedürfen, fehlt es an einem vergleichbaren Werkzeugkasten für das Fachcontrolling.
Die Stichworte (Pflege-)Fachstandards, Qualitätsmanagement und Evaluation zeigen deutlich, dass inhaltliche Ziele und eine Wirkungsmessung durchaus bereits in der Praxis vorkommen. Die Instrumente eines Fach- oder Sozialcontrollings müssen sehr viel individueller ausfallen als die Gestaltung des Finanzcontrollings. Von einem NPO-Controlling wäre zu wünschen, dass die bestehenden Ansätze systematisch weiterentwickelt werden und in ein integriertes Fach- und Finanzcontrolling einfließen. Nur wenn sowohl die Erreichung ideeller wie auch finanzieller Ziele zum gleichberechtigten Bestandteil des innerbetrieblichen Informationssystems wird, kann das Controlling eine optimale Entscheidungsunterstützung in NPO bieten.
Damit Qualität und Fachlichkeit zum üblichen und dauerhaften Bestandteil von Standardberichten und Budgetbesprechungen werden können, ist eine übergreifende Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen und der Betriebswirtschaft unbedingt erforderlich. Gerade in diesem interdisziplinären Ansatz liegt auch der Reiz eines Controllings für NPO.