Verbändereport AUSGABE 6 / 2006

Wenn das Ehrenamt zur Last wird

Steuerliche Haftungsrisiken für Verbands- und Vereinsvorsitzende

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Das Ehrenamt ist in den vergangenen Jahren in verschiedenen politischen Initiativen hoch gelobt worden. Zugleich wurden die Bürger zur vermehrten ehrenamtlichen Tätigkeit aufgerufen. Doch das Ehrenamt birgt auch konkrete wirtschaftliche – insbesondere steuerliche – Risiken, über die selten offen gesprochen wird.

In den letzten Jahren erhielten eine ganze Reihe von Vereinsvorsitzenden steuerliche Haftungsbescheide, durch die das Finanzamt Steuerschulden des Vereins beim Vereinsvorstand einzutreiben versuchte. Solche Fälle sind vereinzelt bis zum Bundesfinanzhof vorangetrieben worden. Der Erfolg für die betroffenen Vorstände blieb aber meist aus. Im besten Glauben, als ehrenamtlich – und damit ohne Bezahlung – tätiger Vorsitzender zum Wohle des Vereins gewaltet zu haben, rutschten viele Vereinsvorstände in eine bis dahin völlig unbemerkte Steuerfalle.

Es ist nämlich keineswegs so, dass Vater Staat auf seinem Steueranspruch sitzen bleibt, wenn der Verein seine Steuerschuld nicht mehr selbst begleichen kann. Und das kann schneller passieren, als das mancher Vorstand denkt. Denn die Zahl der Betriebsprüfungen bei Vereinen nimmt weiter zu, und die Betriebsprüfer der Finanzämter werden seit einigen Jahren in der Prüfung von Vereinen systematisch geschult. Im Mittelpunkt des Interesses stehen vor allem gemeinnützige Vereine. Denn das Gemeinnützigkeitsrecht steckt voller Tücken, und bereits ein kleiner Schritt vom Wege der steuerlichen Tugend kann zum Verlust der Gemeinnützigkeit und damit zur Nachversteuerung für mehrere Jahre führen. Dann entfällt beispielsweise die Steuerfreiheit für Zinseinkünfte und die Steuervergünstigung für die Vereinskantine und die sogenannten „Zweckbetriebe“. Wenn dann beim Verein nichts mehr zu holen ist, nimmt das Finanzamt Rückgriff bei den Vorständen. Sie müssen dann für die Steuerschulden des Vereins mit ihrem Privatvermögen eintreten. Da hilft auch der Einwand nichts, dass man ja nur ehrenamtlich tätig gewesen sei. Diese Problemlage betrifft nicht nur gemeinnützige Verbände, sondern alle eingetragenen Vereine.

Gesetzliche Vertreter haften für Steuerschulden des Vereins

Der Grund für diese Unbill liegt in der Abgabenordnung (AO). Die gesetzlichen Vertreter eingetragener Vereine haften nämlich grundsätzlich gem. § 34 AO für die Steuerschulden des Vereins. Gesetzlicher Vertreter ist nach den Vorschriften des Vereinsrechts der Vorstand (§ 26 BGB). Wer Vorstand ist, ergibt sich aus der Vereinssatzung. Und dort findet sich häufig eine Satzungsvorschrift, die etwa lautet: „Der Vorstand besteht aus dem 1. Vorsitzenden, seinem Stellvertreter, dem Kassenwart und dem Schriftführer“. Wenn die Satzung sorgfältig ausgearbeitet ist, folgt dann regelmäßig eine Einschränkung wie diese: „Vorstand im Sinne des § 26 BGB ist der 1. Vorsitzende und sein Stellvertreter“. Damit ist dann klargestellt, dass für die Steuerhaftung im Regelfall nur diese beiden Personen betrifft; der Kassenwart und der Schriftführer haften dann nicht als gesetzliche Vertreter für die Steuerschulden des Vereins. Sagt die Satzung dagegen nicht eindeutig, wer Vorstand im Sinne des § 26 BGB ist, dann werden alle Mitglieder des Vorstands als vertretungsberechtigt angesehen. Sie haben dann – jeder für sich – die Pflicht, die steuerlichen Pflichten des Vereins zu erfüllen. Tun sie das nicht, so gehen sie das Haftungsrisiko ein.

Vorstände haften nur bei Verschulden

Ein gewisser Trost könnte sein, dass die Vereinsvorstände nur für vorsätzliche und grob fahrlässige Verletzung ihrer steuerlichen Pflichten haften. Bei leichter Fahrlässigkeit tritt – anders als im Zivilrecht – keine Haftung ein. Aber in der Praxis zeigt sich, dass die Abgrenzung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit sehr verschwommen ist. Im Ernstfall entscheidet erst der Richter darüber, ob sich der betreffende Vorstand noch im Bereich leichter Fahrlässigkeit befand – und damit aus dem Schneider ist. Bei Vereinsvorständen legt die Rechtsprechung nämlich einen ziemlich strengen Maßstab an, weil man davon ausgeht, dass Vorstände dieselbe Umsicht an den Tag legen müssen wie etwa der Geschäftsführer einer GmbH. Die Vorstände müssen sich zwar nicht um alle Einzelheiten der Vereinssteuern kümmern, aber sie dürfen sich andererseits auch nicht aufs reine Repräsentieren beschränken und alles Weitere dem angestellten Vereinsgeschäftsführer überlassen. Wenn zum Beispiel schon seit längerem klar war, dass die Buchführung nicht über alle Zweifel erhaben ist, trifft den Vorstand eine erhöhte Überwachungspflicht (so: BFH, Urteil vom 23.6.1998 – VII R 4/98 -, BStBl 1998 II 761).

Verschulden bei verschiedenen Steuerarten

Befindet sich ein Verein in der Krise und kann er seine Steuerschulden nicht mehr in voller Höhe bezahlen, so steht dem Finanzamt grundsätzlich im Verhältnis zu anderen Gläubigern kein Vorrang zu, wenn es sich beispielsweise um Umsatz- oder Körperschaftsteuerschulden handelt. Dem Vorstand ist es in einem solchen Falle nicht vorzuwerfen, wenn er alle Gläubiger des Vereins in gleichem Umfang bedient. In einem solchen Fall handelt er nicht schuldhaft, und er haftet dann nicht für die nicht abgelösten Steuerschulden des Vereins. Aber es gibt eine große Ausnahme, und zwar bei der Lohnsteuer. Nach der Rechtsprechung des BFH sind Lohnsteuern immer in voller Höhe an das Finanzamt zu entrichten. Reicht das vorhandene Geld nicht mehr, um den vollen Lohn und die darauf entfallende Lohnsteuer zu zahlen, so darf der Verein nur einen gekürzten Lohn und die darauf entfallende Lohnsteuer auszahlen. Das wird in der Praxis häufig nicht beachtet – und dann haftet der Vorstand für die Lohnsteuer persönlich.

Die Steuerhaftung betrifft das gesamte Privatvermögen

Wenn die Steuerhaftung eingreift, ist der Vereinsvorstand dem Finanzamt praktisch ausgeliefert. Er haftet nämlich mit seinem gesamten Privatvermögen in unbeschränkter Höhe. In schlimmen Fällen wird er damit auch sein sauer erarbeitetes Einfamilienhäuschen los. Nur zu verständlich, dass dann Erbitterung aufkommt, zumal wenn der Vereinsvorstand nur rein ehrenamtlich tätig war. Das Steuerrecht ist in haftungsrechtlicher Hinsicht kompromisslos. Das Finanzamt kann sich unter mehreren haftenden Vorstandsmitgliedern auch dasjenige nach seinem Ermessen heraussuchen, bei dem es die besten Zahlungsaussichten vermutet. Es muss also keine bestimmte Reihenfolge (zum Beispiel zuerst der 1. Vorsitzende, dann der 2. Vorsitzende) eingehalten werden. Es ist sogar zulässig, wenn das Finanzamt sich gleichzeitig bei allen haftenden Vorstandsmitgliedern schadlos halten will, so der BFH (Urteil vom 23.6.1998, a.a.O.).

Einschränkung des Haftungsrisikos durch Ressortteilung?

Wenn in einem Verein die vertretungsberechtigten Vorstände sich ihre Arbeit teilen, indem zum Beispiel einer für die Mitgliederwerbung, ein anderer für den rein sportlichen Bereich und ein dritter für das Finanzwesen zuständig ist, dann stellt sich die Frage, ob wirklich alle für die Steuerhaftung in Frage kommen oder ob hierdurch das Haftungsrisiko auf den Finanzzuständigen beschränkt werden kann. Der Bundesfinanzhof hat dies grundsätzlich bejaht, gleichzeitig aber auch die Hürden für eine solche Risikobegrenzung sehr hoch gelegt. Eine derartige Ressortteilung ist auch für die Steuerhaftung bedeutsam, wenn sie von vorneherein in schriftlicher Form vereinbart wurde. Aber auch in diesem Fall ist die Ressortteilung kein Allheilmittel. Bestehen nämlich Anzeichen dafür, dass etwas im Verband steuerlich „nicht richtig läuft“, dann lebt die volle steuerliche Verantwortung aller Vorstandsmitglieder wieder auf. Jeder einzelne muss sich dann darum kümmern, dass der Verein seine Steuerpflichten in vollem Umfang erfüllt.

Ausweg: Haftpflichtversicherung

Ist das Haftungsrisiko erst einmal erkannt, kann sich der Vorstand gegen solche Risiken versichern. Seit einigen Jahren werden von mehreren Versicherungsunternehmen spezielle Managerhaftpflichtversicherungen (D&O-Versicherungen, „Directors & Officers-Versicherungen“) angeboten, die auch das Steuerhaftungsrisiko von Vereinsvorständen abdecken. Und diese Versicherungen sind nicht einmal besonders teuer. (WE)

Rechtsprechung

Ein ehrenamtlicher und unentgeltlich tätiger Vorsitzender eines Vereins haftet für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Vereins grundsätzlich nach denselben Grundsätzen wie ein Geschäftsführer einer GmbH (BFH, Urteil vom 23.6.1998 – VII R 4/98 -, BStBl 1998 II 761).

Sind mehrere gesetzliche Vertreter eines Vereins bestellt, so trifft jeden von ihnen die Pflicht zur Geschäftsführung im Ganzen. Daher hat jeder von ihnen die steuerlichen Pflichten des Vereins zu erfüllen. Der Grundsatz der Gesamtverantwortung eines jeden Vorstandsmitglieds verlangt zumindest eine gewisse Überwachung der Geschäftsführung im Ganzen. (BFH, wie vor).

Bei einer Verteilung der Geschäfte auf mehrere Vorstandsmitglieder kann die Verantwortlichkeit eines Vorstandsmitglieds für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten, die diesem nicht zugewiesen ist, zwar nicht aufgehoben, aber begrenzt werden. Dies erfordert aber eine vorweg getroffene, eindeutige und deshalb schriftliche Klarstellung, welches Vorstandsmitglied für welchen Bereich zuständig ist und gilt nur insoweit und so lange, als kein Anlass besteht, an der exakten Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen durch das hierfür zuständige Vorstandsmitglied zu zweifeln. (BFH, wie vor).

Zeichnet sich die nahende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eines Vereins ab, so ist jeder gesetzliche Vertreter verpflichtet, sich um die Ge-samtbelange des Vereins zu kümmern (BFH, wie vor).

Sind dem zweiten Vorsitzenden eines Vereins dessen Liquiditätsschwierigkeiten bekannt, wird eine von vorneherein schriftlich vereinbarte Aufgabenverteilung dahingehend, dass die steuerlichen Verpflichtungen der erste Vorsitzende wahrzunehmen hat, hinfällig und es gilt der Grundsatz der Gesamtverantwortlichkeit. In diesem Fall ist der zweite Vorsitzende zur Überwachung und Nachprüfung der Einhaltung der steuerlichen Verpflichtungen des Vereins durch den ersten Vorsitzenden verpflichtet. (BFH, Beschluss vom 21.8.2000 – VII B 260/99 -, BFH/NV 2001, 413). (WE)

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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