Pressemitteilung | BÄK Bundesärztekammer (Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern) e.V.

Ärztetag fordert offenen Diskurs über Mittelknappheit

(Köln) - Der 106. Deutsche Ärztetag in Köln hat den Entwurf eines Gesundheitssystemmodernisierungsgesetzes (GMG) als Weg in die falsche Richtung kritisiert. "Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf ist nicht in der Lage, die Zukunftsfähigkeit dieses Systems zu sichern, da er das Problem der Einnahmeerosion der gesetzlichen Krankenversicherung in keiner Weise löst", heißt es in einem Beschluss des Ärztetages. Weil nicht mehr damit zu rechnen sei, dass die Beiträge der Versicherten zur gesetzlichen Krankenversicherung ausreichten, um den medizinischen Fortschritt und die Folgen der demographischen Entwicklung zu finanzieren, werde es zu Rationierungen kommen. "Eine medizinische Unterversorgung der betroffenen Patienten wird die Folge sein", so die Delegierten.

Ursachen der derzeitigen Finanzkrise seien Massenarbeitslosigkeit, eine sinkende Lohnquote und die Ausplünderung der Krankenkassen zur Sanierung anderer Sozialversicherungszweige, die so genannten „Verschiebebahnhöfe“. Hier zeige das Gesetz keinerlei Lösungswege auf.

Für die Zukunft werde die Frage der gerechten Mittelaufbringung und deren Verteilung entscheidend sein. "Die Verantwortung hierfür ist eine politische und muss deshalb vom Gesetzgeber übernommen werden", erklärte der Ärztetag. Unabdingar in dieser Situation sei eine solide Versorgungsforschung im Gesundheitswesen, an dessen Aufbau sich auch die Ärzteschaft beteiligen wolle.

Auf Ablehnung stieß auch das im Gesetzentwurf vorgesehene Nebeneinander unterschiedlich organisierter Versorgungssysteme mit konkurrierenden Kassen-, Leistungserbringer- und Vergütungsstrukturen. Die Ärzte befürchten, dass dieses Nebeneinander zu einem unüberschaubaren Durcheinander für die Patienten und zu ausufernden Verwaltungsapparaten führt, deren Kostenaufwand zu Lasten der Patienten geht. Bereits jetzt gebe es eine "heimliche Rationierung" in der medizinischen Versorgung. "Die Erfahrungen bei der Einführung der Disease-Management-Programme lehren, dass aus rein ökonomischen Erwägungen die Versorgungsleistungen schleichend abgesenkt werden", so die Ärztevertreter. Dies müsse offengelegt werden. Deshalb sei Transparenz und der offen geführte gesellschaftliche Diskurs zur Mittelknappheit im Gesundheitswesen unabdingbar: "Die barmherzige Lüge ist keine Lösung."

Der GMG-Entwurf sei geprägt von einer Misstrauenskultur und setze auf Reglementierung, Überwachung und Entmündigung der Berufe im Gesundheitswesen. Besonders scharf kritisierten die Delegierten die geplante Einsetzung eines Beauftragten zur Bekämpfung von Korruption und Missbrauch im Gesundheitswesen. "Eine solche Einrichtung ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr vereinbar", erklärte der Ärztetag. Weitere Schritte auf dem Weg zu einer "institutionellen Fremdbestimmung der Ärzteschaft" seien das geplante Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin und die gesetzlich geregelte Fortbildungspflicht für Ärzte. "Ein solches Maß an Standardisierung und Schematisierung ärztlicher Heilkunst hat es bisher in Deutschland nicht gegeben", meinte das Ärzteparlament.

Die Ärzteschaft bekräftigte abermals ihre Bereitschaft, an einer Reform des Gesundheitswesens mitzuarbeiten und die konstruktiven Ansätze im Gesetzentwurf zu unterstützen. So begrüßte der Ärztetag die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen aus Steuermitteln. Als sinnvoll erachtet der Ärztetag auch Hausarzttarife und die Entwicklung von Anreiz- und Bonussystemen zur Förderung der Prävention.

Die Delegierten forderten auch eine Neudefinition des Leistungskatalogs der Krankenkassen. Das nach strenger Indikationsstellung tatsächlich medizinisch notwendige Grundleistungsvolumen sei weiterhin solidarisch zu finanzieren. Leistungen jedoch, die individuellen Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen oder einfach einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis entspringen, seien als kollektive Wahlleistungen anzusehen, die von den Kassen als optionale Satzungsleistungen nach dem Sachleistungs- oder Kostenerstattungsprinzip angeboten werden könnten. Im Gegensatz zu den Grundleistungen würden solche Wahlleistungen nicht solidarisch finanziert. Davon abzugrenzen sind Individuelle Wahlleistungen, die aus ärztlicher Sicht zwar als noch empfehlenswert aber nicht medizinisch notwendig eingestuft werden. Solche Leistungen müssten privat und nach dem Kostenerstattungsprinzip finanziert werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesärztekammer (Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern) e.V. Herbert-Lewin-Str. 1, 50931 Köln Telefon: 0221/40040, Telefax: 0221/4004388

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