Pressemitteilung | Kassenärztliche Bundesvereinigung KdÖR (KBV)

AOK startet Hausarztprogramm in Baden-Württemberg / Müller: Ärzte und Patienten unterschreiben einen Vertrag, in dem das Kleingedruckte fehlt

(Berlin) - „Der gestern (1. Juli 2008) in Baden-Württemberg in Kraft getretene Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung zwischen der Landes-AOK, dem Hausärzteverband und dem Ärzteverband Medi beinhaltet für die Vertragspartner selbst offenbar noch genauso viele unbekannte Größen wie für die Versicherten. Es ist schon entlarvend, dass eine Pressemitteilung mit der Ankündigung, dass `pünktlich zum 1. Juli alle Vertragsanlagen auf den Internetseiten der Vertragspartner online gestellt´ würden, kurze Zeit später korrigiert und die entsprechende Passage gelöscht wurde.“ Mit dieser Feststellung hat der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Carl-Heinz Müller, heute (2. Juli 2008) auf eine entsprechende Verlautbarung der Vertragspartner reagiert.

Doch auch die bereits bekannten Details gäben Anlass zu erhöhter Vorsicht, so Müller weiter. „Derzeit wissen weder Ärzte noch Patienten, worauf sie sich wirklich einlassen“, erläuterte er. Der KBV-Vorstand nannte einige Beispiele: „Angeblich wird mit der vereinfachten pauschalierten Vergütung ohne Fallbegrenzung die Budgetierung aufgehoben. Tatsächlich haben wir es mit einer Neu-Budgetierung zu tun. Leistungen, die im Kollektivvertrag extrabudgetär vergütet werden, wie Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen, verschwinden in den Pauschalen. Ärzte sollten besonders bedenken, dass individuelle Leistungsmerkmale ihrer Praxen in Schall und Rauch aufgehen. Ein Arzt, der beispielsweise 300 Stunden in eine Zusatzqualifikation Akupunktur investiert hat, kann diese nicht mehr geltend machen. Hier findet eine totale Nivellierung von Leistungen und Qualifikationen statt! Das Gleiche gilt auch für Praxisbesonderheiten wie Seniorenheimbetreuungen mit Hausbesuchen. Auch sie werden in der Pauschale versenkt. Hinzu kommt, dass der Fallwert von 85 Euro, der den teilnehmenden Ärzten versprochen wird, der absolute Idealfall ist. Die Voraussetzungen dafür sind in der Realität kaum gegeben. Diese Rechung beruht auf mindestens einem Patientenbesuch in jedem Quartal. Tatsächlich kommt der Durchschnittspatient einer normalen Hausarztpraxis jedoch nur halb so oft. Es ist also eine Verdopplung der Patientenkontakte nötig, um die Pauschale überhaupt zu erhalten.“

Ärzte, die an dem Programm teilnehmen wollen, müssen eine Reihe von Zielvorgaben der AOK erfüllen. „Die Bedingungen, zu denen sie dies tun, etwa bei den Arzneimittelkosten, sind jedoch nach wie vor unbekannt. Klar ist nur: Wenn sie die von der Kasse definierten Quoten nicht erfüllen, fliegen sie raus. Ärzte und Patienten unterschreiben also einen Vertrag, der einem Lückentext gleicht. Niemand sollte heutzutage einen Handy-Vertrag unterschreiben, bei dem das Kleingedruckte teilweise fehlt. Doch genau das ist hier der Fall. Es scheint, als blieben die Verantwortlichen es auch weiterhin schuldig. Das überrascht uns nicht“, so Müllers Fazit.

Quelle und Kontaktadresse:
Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Körperschaft des öffentlichen Rechts Dr. Roland Stahl, Referent, Kommunikation Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin Telefon: (030) 4005-0, Telefax: (030) 4005-1093

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