BdV legt Beschwerde bei der EU-Kommission ein / Versicherer verkaufen "Katze im Sack"
(Henstedt-Ulzburg) - Der Bund der Versicherten (BdV) kämpft für Verbraucher auf allen Ebenen: Jetzt hat die unabhängige Verbraucherschutzorganisation Beschwerde bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eingelegt. Einer der Anlässe: Deutsche Versicherungskunden erhalten die erforderlichen Verbraucherinformationen von den Gesellschaften erst dann, nachdem sie den Antrag unterschrieben haben. Nach EU-Recht müssten ihnen diese Entscheidungshilfen aber bereits vor der Unterzeichnung überlassen werden. Lilo Blunck, BdV-Geschäftsführerin: „So vermitteln Versicherungsunternehmen zu Lasten der Verbraucher schamlos die Katze im Sack.“
Mit wichtigen Informationen halten sich die Versicherungsgesellschaften also offenbar gern zurück. Keineswegs zögerlich sind sie dagegen, wenn sie etwa Klauseln zu Kapitallebensversicherungen oder privaten Rentenversicherungen ändern wollen. Dann handeln sie schnell und einseitig. Die Zustimmung des Versicherungsnehmers wird erst gar nicht erwartet.
Die vom BdV vorgelegte Beschwerde betrifft zwei Teile. Sie richtet sich gegen die Vorschriften des § 5a Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und gegen eine bestimmte Auslegung des §172 Absatz 2 VVG durch deutsche Gerichte:
1. Nach dem § 5a VVG gilt ein Versicherungsvertrag auch dann als abgeschlossen, wenn der Versicherer bei der Antragstellung nicht die erforderlichen Verbraucherinformationen übermittelt hat. Der Versicherer kann sie mit der Versicherungspolice "nachschieben" – eine in Deutschland übliche Vorgehensweise. Beim Abschluss von Kapitalversicherungen kann das zu Fehlentscheidungen führen. Diese Regelung verstößt gegen europäisches Recht: Die maßgebliche europäische Richtlinie fordert, dass die Versicherungsgesellschaft bereits vor Abschluss des Vertrages seinen Informationspflichten nachkommen muss.
2. Lebensversicherer berufen sich oft auf §172 Absatz 2 VVG, um die einseitige Änderung von Bedingungsklauseln zu Kapitallebensversicherungen oder privaten Rentenversicherungen zu rechtfertigen. Klauseln, die der BGH für intransparent und damit für unwirksam erklärt hat, haben Versicherer einfach gegen anders formulierte Klauseln gleichen Inhalts ausgetauscht. Viele Gerichte lassen die Lebensversicherer gewähren und weisen Klagen der Versicherungsnehmer ab. Begründung: §172 Absatz 2 VVG lässt ein solches rückwirkendes Auswechseln intransparenter Versicherungsbedingungen mittels eines Treuhänderverfahrens auch bei kapitalbildenden Lebensversicherungen oder privaten Rentenversicherungen zu. Diese Auslegung verstößt gegen Europarecht. Einige dieser Prozesse werden bereits vor dem Bundesgerichtshof verhandelt. Der BdV erwartet noch in diesem Jahr eine Entscheidung. Annette Göhren, Leiterin der Rechtsabteilung beim BdV: „Derzeit wird dem undurchschaubaren Formulieren von Versicherungsbedingungen geradezu Vorschub geleistet. Intransparente Klauseln können die Gesellschaften ja ohne nachteilige Konsequenzen wieder ausbügeln.“
Quelle und Kontaktadresse:
Bund der Versicherten e.V.
Postfach 11 53, 24547 Henstedt-Ulzburg
Telefon: 04193/99040, Telefax: 04193/94221
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