BITKOM präsentiert durchwachsene Bilanz / Deutschland macht Tempo, aber viele Wettbewerber sind schneller
(Frankfurt am Main) - Deutschlands Informationsgesellschaft und Informationswirtschaft entwickeln sich mit ungebremster Dynamik. Die Wachstumsraten des Jahres 1999 liegen zumeist weit im zweistelligen Bereich. 11 Millionen Deutsche verfügen inzwischen über einen Internet-Anschluss (+ 36%), mehr als 20 Millionen telefonieren mobil (+ 47%), 26 Millionen PCs sind installiert (+ 8%). Die Netzinfrastruktur gehört mit einer international einzigartigen ISDN-Dichte weltweit zu den leistungsfähigsten. Dennoch kann der in bestimmten Sektoren bestehende Rückstand auf die führenden Länder des angelsächsischen Sprachraums und Skandinaviens bislang nicht aufgeholt werden.
Dieser Rückstand beträgt etwa drei bis vier Jahre. Obwohl die Informationsgesellschaft in Deutschland so schnell voran kam wie nie zuvor, gilt nach Meinung des neuen Bundesverbands BITKOM: Die meisten unserer internationalen Wettbewerber waren schneller. So lauten die Ergebnisse einer Studie, die Jörg Menno Harms vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien BITKOM in Frankfurt vorstellte. Harms, Vizepräsident des BITKOM, kritisiert, dass der Rückstand seit Anfang der neunziger Jahre bestehe und auch seither bekannt sei. "Diese Lücke endlich zu schließen, muss neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zur vordringlichsten Aufgabe deutscher Politik werden," fordert Harms.
Weltweit, so Harms, wachse die Informationsgesellschaft weiter mit atemberaubender Geschwindigkeit. 43 Millionen Menschen seien im vergangenen Jahr erstmals ins Internet gegangen. Die weltweite Online-Community zähle jetzt 176 Millionen Mitglieder, davon sind 6% Deutsche. Nach Berechnungen des BITKOM wird sie im Jahr 2000 auf 220 Millionen Mitglieder anwachsen. Die Zahl der weltweit installierten PCs stieg 1999 um 56 Millionen auf jetzt 440 Millionen. Die Zahl der Mobiltelefone legte im gleichen Zeitraum um 104 Millionen auf 413 Millionen zu. Für das Jahr 2000 soll sowohl bei PCs als auch bei Handys die Marke von 500 Millionen Geräten überschritten werden. Aber die Reihenfolge wird dann eine andere sein. Harms rechnet damit, dass Ende diesen Jahres weltweit erstmals mehr Handys als PCs im Einsatz sein werden.
Die BITKOM-Studie zeigt, dass in Deutschland die Situation im Bereich der Telekommunikationsinfrastruktur einerseits und der Endgeräte andererseits nach wie vor auseinander klafft. Die Digitalisierung der TK-Netze konnte bereits Anfang 1999 abgeschlossen werden. Deutschland war hiermit das erste Land, in dem die Vermittlungsstellen durchgängig mit digitaler Technik arbeiteten. Der Trend hin zu ISDN hält mit einem Plus von 23% in 1999 unvermindert an. Jeder vierte ISDN-Anschluss der Welt liegt in einem deutschen Haushalt oder Unternehmen. Die Zahl der Breitbandkabelanschlüsse konnte auf hohem Niveau weiter zulegen. Hier befindet sich Deutschland mit 53 Anschlüssen je 100 Haushalte nur knapp hinter den USA und innerhalb Europas mit weitem Abstand an der Spitze. "Auch bei neuen, breitbandigen Übertragungstechnologien in der Nachbarschaft von XDSL hat Deutschland anders als die meisten seiner Wettbewerber das Stadium der Pilotprojekte bereits hinter sich," lobt Harms.
Die Kapazitäten dieser Infrastruktur würden allerdings nur unzureichend genutzt. Zwar habe sich die Zahl der Abonnenten von Internet- und Onlinediensten 1998 fast verdoppelt und 1999 nochmals um mehr als ein Drittel auf 11 Millionen erhöht. Dennoch werde Deutschland voraussichtlich weitere fünf Jahre benötigen, bis das Internet ähnlich stark verbreitet sei wie heute schon in den Ländern der Spitzengruppe. Die Internet-Rate läge in Finnland fünfmal höher als in Deutschland. PCs stellen weiterhin das wichtigste Endgerät des Internet dar. Deutschland kommt auf 32 PCs je 100 Einwohner und liegt damit unter den Industrieländern im hinteren Mittelfeld. Der Abstand zur Spitzengruppe hat sich 1999 vergrößert. In den USA liegt die PC-Rate inzwischen bei 61%, in Schweden bei 58%.
Den zweiten bestimmenden Trend sieht Harms in der Mobilkommunikation. Ende 1999 wurde in Deutschland die Marke von 20 Millionen Mobilfunkteilnehmern übersprungen. Der BITKOM erwartet, dass in den kommenden Jahren jeweils weitere sechs Millionen Deutsche in die mobile Kommunikation einsteigen. Dennoch gelte, dass Deutschland bei der Verbreitung von Mobiltelefonen im westeuropäischen Vergleich zurück läge. In Italien telefoniere schon jeder Zweite mit einem Handy. Entsprechend groß seien die Wachstumschancen des deutschen Markts. Mobile Anwendungen würden mit der Einführung neuer Technologien und Standards zunehmend auch für hoch anspruchsvolle Anwendungen interessant. "Die Einführung von GPRS (General Packet Radio Service), UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) und WAP (Wireless Application Protocol) wird in Kürze die Voraussetzungen für eine ganz neue Qualität mobiler Kommunikation und mobilen Computings schaffen," kündigt Harms an.
Solche Impulse seien dringend notwendig, um den bestehenden Rückstand aufzuholen. Trotz eines dauerhaften Wachstums von etwa 8% lägen die ITK-Investitionen unterhalb jenes Niveaus, das notwendig sei, um international in die Spitzengruppe aufzusteigen. Mit knapp 2.500 DM pro Einwohner befände sich Deutschland lediglich im Mittelfeld. Die Schweiz läge demgegenüber bei 4.600 DM, die USA bei 4.000 DM. "Das darf uns nicht gleichgültig lassen," kommentiert Harms. "In den führenden Ländern beträgt der ITK-Anteil an der Wirtschaftsleistung bereits bis zu 8%. In Deutschland liegen wir bei 5,3%. Wir können uns einfach nicht leisten, die Potenziale der Information und Kommunikation noch länger brach liegen zu lassen." Harms fordert alle Verantwortungsträger in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf, diese wohl wichtigste Zukunftsaufgabe in einer gemeinsamen Anstrengung anzugehen.
Die ITK-Branche will an dieser gemeinsamen Aufgabe über ihren neuen Bundesverband BITKOM aktiv mitwirken. Der BITKOM vertritt zur Zeit etwa 1.000 Unternehmen mit 200 Milliarden DM Umsatz und etwa 700.000 Beschäftigten. Seine wichtigste Aufgabe besteht laut Harms darin, Deutschland aktiv ins Informationszeitalter zu führen. Hierzu fordert er die Unterstützung der Politik ein. Mit ihrem "Aktionsprogramm für Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" sei die Bundesregierung auf dem richtigen Weg. "Aber dieser Weg muss schneller und konsequenter gegangen werden," meint Harms.
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