Pressemitteilung | Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR)

BVR-Präsident Pleister: Entlastung aus Politik derzeit kaum zu erwarten / Reformen in der Kreditwirtschaft umso dringlicher / 59. Bankwirtschaftliche Tagung eröffnet

(Berlin) - Für eine nachhaltige konjunkturelle Erholung in Deutschland seien noch keine Zeichen in Sicht, sagte Dr. Christopher Pleister, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) zum Auftakt der 59. Bankwirtschaftlichen Tagung in Timmendorfer Strand.

"Wir warten in Deutschland im dritten Jahr auf den Herbstaufschwung - und er ist unwahrscheinlicher denn je. Wachstum aus eigener Kraft ist nur möglich, wenn die notwendigen Reformen in Deutschland ernsthaft angegangen werden. Das in der Politik immer noch vorherrschende Erkenntnisdefizit verhindert aber die dringend notwendige Entlastung der Wirtschaft. Eine Anpassung an dieses Umfeld in der Kreditwirtschaft ist vor diesem Hintergrund umso dringlicher", so Pleister. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken hätten durch die frühzeitige Einleitung von Reformen einen einzigartigen Vorsprung. Sie haben mit der neu gestalteten Sicherungseinrichtung und im Rahmen der Strategie "Bündelung der Kräfte" erste wichtige Reformschritte erfolgreich umgesetzt, betonte Pleister.

Wirtschaftsleistung in Deutschland 2003 bleibt unverändert

Ein Anspringen der Konjunktur sei auch nach Beendigung des Irak-Krieges weder in Deutschland noch im Euroraum erkennbar. Im ersten Quartal bleibe die Wirtschaftsleistung in Deutschland unverändert. Für das Jahr 2003 sei mit einer Zunahme der realen Wirtschaftsleistung um lediglich 0,5 Prozent zu rechnen. Im Euroraum insgesamt werde das reale Bruttoinlandsprodukt um 1,0 Prozent höher als im Vorjahr ausfallen. Die Wachstumshoffnungen für 2003 konzentrierten sich ausschließlich auf die Exportwirtschaft. Die Binnenwirtschaft aber werde sich auch in diesem Jahr nur schwach entwickeln, so Pleister.

Debatte um Agenda 2010 lässt massives Erkenntnisdefizit erkennen

Der Bundeskanzler habe sich einige der notwendigen Reformschritte in seiner Regierungserklärung vom 14. März dieses Jahres erfreulicherweise zu Eigen gemacht, sagte der BVR-Präsident. Das dringend notwendige Aufbruchsignal zur Überwindung der tief greifenden Vertrauenskrise sei aber bislang ausgeblieben. Die Art und Weise, wie die politische Debatte über die Agenda 2010 geführt werde, zeige, dass es in Deutschland nicht nur ein Umsetzungs-, sondern offensichtlich auch ein massives Erkenntnisproblem gebe. Pleister warnte davor, dass die jetzt angekündigten ersten Reformschritte verwässert werden oder ihre Wirkung durch kompensierende Maßnahmen unter der Überschrift "Verteilungsgerechtigkeit" wieder ausgehebelt würden. Auf diese Weise schaffe man keine Aufbruchstimmung, keine verlässliche Perspektive und damit auch keine Planungssicherheit für die Wirtschaft.

Die Reform der Rentenversicherung müsse weiter fortgeführt werden. Der Anteil der kapitalgedeckten Altersvorsorge sei weiter auszubauen und der bürokratische Aufwand zu verringern. Pleister schließt sich der Empfehlung an, mittelfristig das gesetzliche Rentenalter - mit entsprechenden versicherungsmathematischen Abschlägen bei früherem Renteneintritt - zu erhöhen. Eine Entzerrung des Arbeitsmarktes sei erforderlich, um seine Funktionsfähigkeit zu verbessern. Notwendig seien vor allem eine auf kleine und mittlere Unternehmen zugeschnittene Lockerung des Kündigungsschutzes und eine mittelstandsgerechte Korrektur des Betriebsverfassungsgesetzes. Neue Anreize zur Arbeitsaufnahme könnten von einer Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ausgehen. Ferner müsse ein Niedriglohnsegment für gering qualifizierte Arbeitnehmer geschaffen werden.

Wachstumskrise erfordert Handeln statt Hoffen in Politik und Wirtschaft

Die Wachstumskrise habe die Auswirkungen des Strukturwandels auf die deutsche Kreditwirtschaft verschärft. Die Notwendigkeit für die Kreditwirtschaft insgesamt und damit auch für die genossenschaftliche Bankengruppe, sich neu zu positionieren, stehe außer Frage. Die Kreditwirtschaft habe es in guten Zeiten versäumt, rechtzeitig die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen und ihre Ertrags- und Kostenstrukturen in Ordnung zu bringen. Jetzt müsse dies unter hohem Leidensdruck und vor allem mit hohem Tempo nachgeholt werden. "Aussitzen oder Hoffen auf konjunkturell bessere Zeiten reicht weder in der Politik noch in der Kreditwirtschaft. Auch wenn die eingeleiteten Reformschritte in unserer Bankengruppe erste Erfolge zeitigen und es erste Lichtblicke im operativen Geschäft gibt, dürfen wir bei den Reformbemühungen nicht nachlassen", forderte Pleister.

Tarifpolitik: Genossenschaftsbanken zeigen Kraft zu Reformen

Reformwillen zeigten die Genossenschaftsbanken auch auf dem Gebiet der Tarifpolitik. "Erstmals werden gegenwärtig Tarifverhandlungen allein für den genossenschaftlichen Bankensektor geführt. Der Arbeitgeberverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (AVR) setzt sich für einen Tarifabschluss ein, der den beschäftigungspolitischen Erfordernissen der genossenschaftlichen Bankengruppe gerecht wird. Unser Ziel ist es, weiterhin Beschäftigung zu erhalten und die Wettbewerbsfähigkeit sichern zu können. Hierzu fordert der AVR eine substanzielle Flexibilisierung des Flächentarifvertrags", erläutert Pleister. Diese Linie müsse unbedingt durchgehalten werden, auch wenn die Gewerkschaft die Gangart verschärfe.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) Schellingstr. 4, 10785 Berlin Telefon: 030/20210, Telefax: 030/20211900

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