Pressemitteilung | Union mittelständischer Unternehmen e.V. (UMU)

„Die Pferde saufen wieder“ / Erstmals seit vier Jahren positive Erwartungen an die Wirtschaftsentwicklung, mehr Investitionen und Verbesserungen bei der Beschäftigung

(München) - Der Mittelstand beurteilt die Wirtschaftslage zur Jahreswende 2005/2006 deutlich besser als in den Vorjahren. „Die Pferde fangen wieder an zu saufen“, fasste Hermann Sturm, Präsident der Union Mittelständischer Unternehmen e. V. – UMU, die Ergebnisse der Umfrage in Anlehnung an den früheren Wirtschaftsminister Karl Schiller zusammen. „Erstmals seit vier Jahren sind sowohl bei den Erwartungen an die Wirtschaftsentwicklung, als auch bei den Investitionen und bei der Beschäftigung positive Entwicklungen erkennbar“, so Sturm weiter, der die Ergebnisse der Mittelstandsumfrage am 3. Januar in München vorstellte. Die Untersuchung basiert auf einer repräsentativen Eilumfrage bei 4.000 Mittelstandsunternehmern, die in der Zeit zwischen dem 2. und 22. Dezember 2005 durchgeführt wurde.

Wirtschaftslage, Investitionsneigung und Wachstumshemmnisse
Nach den Ergebnissen der Umfrage beurteilen derzeit 20,4 Prozent der antwortenden Unternehmer die gegenwärtige Wirtschaftslage in Deutschland als gut (mäßig 58,4 Prozent, schlecht 21,2 Prozent). „Das sind die besten Ergebnisse seit dem wir die Befragung begonnen haben“, ergänzte Sturm. Auch die Zeichen zur künftigen Entwicklung stehen auf Optimismus, denn die Zahl derer, die damit rechnen, dass sich die allgemeine Wirtschaftslage in den nächsten neun Monaten verbessern wird, hat sich auf 23,9 Prozent erhöht und damit gegenüber dem Vorjahr (10,7 Prozent) mehr als verdoppelt.

Die wachsende Zuversicht macht sich auch bei der Investitionsneigung bemerkbar. Diese ist von 46,2 Prozent im Vorjahr auf nunmehr 57,6 Prozent ebenso deutlich gestiegen. Dagegen hat die Zahl derer, die nicht investieren wollen, weiter abgenommen und liegt nun noch bei 42,1 Prozent; im Vorjahr waren es 53,4 Prozent und im Jahr 2003 sogar 71,2 Prozent. Der Schwerpunkt dieser Investitionen liegt mit 39,2 Prozent weiter bei den Ersatzinvestitionen. Erweiterungsinvestitionen planen 23,9 Prozent, das sind immerhin 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr (19,6 Prozent), Rationalisierungsinvestitionen planen 21,6 Prozent (i. V. 17,5 Prozent).

Als Haupthemmnisse für Wachstum bzw. Wirtschaftsentwicklung werden vom Mittelstand vor allem Bürokratie, hohe Kosten und mangelnde Nachfrage genannt.

Beschäftigung
Erfreuliches zu vermelden gibt es auch bei den Erwartungen an die Entwicklung der Beschäftigung. 10,1 Prozent der antwortenden mittelständischen Unternehmen rechnen damit, dass die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung in Deutschland steigt, dieser Wert bedeutet eine Vervierfachung gegenüber dem Vorjahr (2,3 Prozent). Zwar rechnen noch 46,5 Prozent mit einer weiter fallenden Beschäftigung, im Vorjahr waren dies jedoch 64,6 Prozent. Im „Nahbild“, bei der Situation im eigenen Betrieb, erklärten sogar 15,8 Prozent der Unternehmer, sie wollten neue Mitarbeiter einstellen (im Vorjahr 12,1 Prozent).

Damit zeigt sich erneut, dass der Mittelstand, anders als die Konzerne mit ihren „angestellten Shareholder Value Unternehmern“, seine Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft annimmt und sich nicht zu Lasten des Staates „reich sanieren“ will.

Der Markt für Fachkräfte hat sich weiter entspannt. 63,3 Prozent der einstellungswilligen Arbeitgeber können genügend qualifizierte Mitarbeiter finden, nur noch 33,2 Prozent können das nicht.

Marktanpassung
In der Erschließung neuer Märkte (57,1 Prozent) und in der Änderung der Produktpalette (42,2 Prozent) sieht der Mittelstand auch zur Jahreswende 2005/2006 seine wichtigsten Maßnahmen, um sich an die veränderten, schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Aber 12,8 Prozent denken auch daran, ihre Kapazitäten zu erweitern. Im Vorjahr waren dies 10,3 Prozent und in den Jahren 2003 und 2004 nur rund 6 Prozent. Auch die Zahl derer, die Kapazitäten abbauen wollen, ist dem allgemeinen Wirtschaftstrend entsprechend zurückgegangen, von 32,9 Prozent im Vorjahr auf nunmehr 22,2 Prozent.

Politischer Handlungsbedarf
Den größten Handlungsbedarf sieht der Mittelstand mit 66,3 Prozent in der Beschäftigungspolitik. „Der Abbau der Arbeitslosigkeit ist der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme in der deutschen Wirtschaft. Das gilt für die Beiträge zum Gesundheitssystem ebenso wie für die Renten; von den Leistungen der Bundesagentur selbst einmal ganz abgesehen. Nach dem offenkundigen Scheitern der Harz IV Reformen sollte endlich damit begonnen werden, die heutige Bundesagentur für Arbeit an Haupt und Gliedern zu reformieren. Auch die Zerschlagung der Mammutbehörde, wie sie von der FDP schon länger gefordert wird, sollte kein Tabu mehr sein“, unterstrich UMU-Präsident Sturm seine Forderungen. Allerdings setzte sich Sturm für ein Weiterbestehen der Ich-AG’s ein, diese seien ein sehr sinnvolles Instrument, da sie als einzige den Gedanken der Selbstständigkeit propagierten, was gesellschaftlich gesehen nicht hoch genug zu bewerten sei.

Aber auch in den Unternehmen selbst und dabei zuvorderst in den Großunternehmen, ist es an der Zeit, dass ein fundamentaler Umdenkungsprozess beim Thema Beschäftigung in den Führungsetagen stattfindet. Die Bundesregierung muss auf diesen Umdenkungsprozess aktiv einwirken und mit daran arbeiten, dass sich hier schleunigst etwas ändert. UMU-Präsident Sturm: „Wenn Arbeitnehmer im Alter von 45 Jahren nicht mehr bzw. nur noch sehr schwer vermittelbar sind, hat das mehr mit falschen Strategien in den Firmen als mit realen Notwendigkeiten zu tun.“ Auch die Tatsache, dass sich Unternehmen wie die Telekom, Post und Bahn durch Massenentlassungen auf Kosten der Solidargemeinschaft bzw. auch des Mittelstandes sanieren könnten –Großunternehmen haben für 2006 einen Abbau von ca. 120.000 Arbeitsplätzen angekündigt – sei ein Skandal ohne Beispiel. Hier müsse durchaus die Frage gestellt werden, wie größere Unternehmen dazu gebracht werden könnten, kreativere Geschäftsstrategien zu entwickeln als unisono und zuallererst Arbeitsplätze abzubauen, insbesondere dann, wenn sie massive Gewinne erwirtschafteten.

Es müssten auch Möglichkeiten geschaffen werden, älteren Arbeitnehmern eine Weiterbeschäftigung zu sichern, u. U. mit geringerer Bezahlung oder auf Teilzeitbasis. Auch die Ausbeutung von Jungakademikern mit un- bzw. unterbezahlten sog. „Praktikantenstellen“ sollte unterbunden werden.

In diesem Zusammenhang stellte sich Sturm ausdrücklich hinter die Aussagen von Bundespräsident Horst Köhler, der sich konstruktiv kritisch zu den Plänen der Regierungskoalition geäußert und die Betriebe aufgefordert hat, ihre Mitarbeiter stärker am Unternehmenserfolg zu beteiligen.

Auf Rang zwei beim Handlungsbedarf für die Politik haben die mittelständischen Unternehmen die Finanzpolitik gesetzt. Dass die Sanierung der Staatsfinanzen dabei Vorrang hat, dafür sorge schon die EU in Brüssel, die einen weiteren Aufschub dieses Projekts ohne erhebliche Strafzahlungen nicht zulassen werde, unterstrich Sturm. Dass die Einschränkung der Staatsquote und der Abbau von Subventionen sinnvolle und nützliche Maßnahmen seien, um dieses Ziel zu erreichen, verstehe sich von selbst.

Keine Vorschusslorbeeren: Reformprojekte der neuen Bundesregierung
Wie die Ergebnisse der Umfrage zeigen, ist der Glaube an die Reformfähigkeit der neuen Regierung bisher aber nicht sehr groß. Vorschusslorbeeren werden vom Mittelstand nicht vergeben. Nur 31,8 Prozent der antwortenden mittelständischen Unternehmer glauben, dass es der Regierung gelingen werde, die stagnierende Wirtschaft in Deutschland anzukurbeln. 50,2 Prozent bezweifeln das, 18 Prozent äußerten keine Meinung. Viel anders fällt die Antwort auf die Frage, ob der Mittelstand glaube, dass es der Regierung gelinge, die Staatsverschuldung deutlich zu verringern, auch nicht aus. Hier glauben nur 25,4 Prozent an einen Erfolg, 58,9 Prozent sagen nein.

Und beim Hauptthema Abbau der Arbeitslosigkeit sind nur 13,3 Prozent der Unternehmer davon überzeugt, dass die schwarz-rote Koalition die Arbeitslosigkeit nachhaltig senken kann, 74 Prozent trauen ihr das nicht zu. Und gar nur 3,4 Prozent trauen der Regierung zu, die Arbeitslosenzahl von derzeit rund 5 Millionen bis 2008 auf 2,5 Millionen zu senken.

Regierungsprogramm und Mittelstandspolitik
Kritische Stimmen gibt es auch zum Regierungsprogramm. Immerhin rund 46 Prozent der antwortenden Unternehmen beurteilen dieses und die darin vorgesehenen Maßnahmen positiv (gut 5,5 Prozent und ausreichend 40,9 Prozent). Allerdings ist die Zahl derer, die das Programm für nicht ausreichend halten, oder noch keine Meinung haben, mit insgesamt rund 54 Prozent noch höher. Hier wird die Regierung Merkel durch Taten noch allerhand Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Verheerend sind die Zahlen bei den Fragen zur Mittelstandspolitik. Hier vergeben nur rund 18 Prozent die Noten gut und ausreichend. 58,9 Prozent antworteten dagegen mit „nicht ausreichend“, 23,4 Prozent hatten keine Meinung.

Diese Aussagen, wie alle Antworten zu den Fragen des Regierungsprogramms, stehen aber unter dem Vorbehalt der Kenntnis. Denn nur 20,2 Prozent gaben an, die Einzelheiten des Koalitionsvertrages zu kennen. 61,3 Prozent kennen sie teilweise und 18,5 Prozent nicht.

Steuerrecht: degressive Abschreibung, Mehrwertsteuererhöhung, Unternehmensbesteuerung, Reichensteuer, Kirchhof-Modell
An zusätzliche Investitionen durch eine Verbesserung der Abschreibungsbedingungen (Erhöhung der degressiven Afa bei technologieintensiven Investitionen bis 31.12.07) glaubt der Mittelstand zu 79,3 Prozent nicht. Dagegen sind die Unternehmer zu 66,7 Prozent der Meinung, dass eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sich negativ auf die Wirtschaft auswirke. Für ihr eigenes Unternehmen sehen allerdings nur 44,3 Prozent negative Auswirkungen. Die sog. „Reichensteuer“ ist dem Mittelstand zu 86,9 Prozent egal. Nur 12,8 Prozent sehen sich davon betroffen.

Dass zum 1. Januar 2008 eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung in Kraft tritt, wie in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, wird vom Mittelstand zu 60,8 Prozent bezweifelt. 37,9 Prozent erwarten, dass diese kommen wird. Bei den Wünschen zur Reform der Einkommensteuer setzt der Mittelstand zu 50,2 Prozent mit großer Mehrheit auf den Einheitssteuersatz von 25 Prozent und Abbau aller Steuerprivilegien nach dem Kirchhof-Modell. Das sog. 3-Stufen-Modell mit einem Steuersatz von 15-25-35 Prozent kam mit 37,2 Prozent auf Platz zwei und das bisherige Modell mit allerdings gesenktem linear-progressivem Tarif befürworten nur ca. 11 Prozent.

Verbesserung der Finanzierung, Lohnzusatzkosten, Arbeit, Bürokratieabbau
Gewünscht werden vom Mittelstand eine Verbesserung der Finanzierungsbedingungen und eine Erleichterung der Kreditvergabe. Diese Forderung wird von fast 60 Prozent erhoben. Für 42,6 Prozent ist dieses Thema nicht wichtig.

Dass eine Senkung der Lohnzusatzkosten unter 40 Prozent, so nötig sie auch sein möge, neue Arbeitsplätze in ihrem eigenen Betrieb schafft, erklären nur 23,9 Prozent. 74,1 Prozent der Unternehmer sehen darin keinen Anreiz, um neue Mitarbeiter einzustellen.

Eine Verlängerung der Probezeit auf 24 Monate würde dagegen ein solcher Anreiz sein, meinten 54,2 Prozent (44,8 Prozent sehen das nicht so).

Vor allem betonte Sturm die Herausforderung für die Gesellschaft, Langzeitarbeitslose, insbesondere Jugendliche und Ältere, wieder in das Arbeitsleben zu integrieren, denn Langzeitarbeitslosigkeit bedeute für die Betroffenen häufig den Verlust ihrer persönlichen Würde. Immerhin 49 Prozent der antwortenden Unternehmer würden langzeitarbeitslose Jugendliche und Arbeit¬nehmer über 55 Jahre einstellen, wenn der Staat diese Arbeitsplätze subventionieren würde (49,7 Prozent verneinten dies). Sturm unterstützte die Aussagen des wirtschaftspolitischen Sprechers der Unions-Fraktion Laurenz Meyer, der sich gestern gerade für solche Fälle für die Einführung von Kombilöhnen ausgesprochen hat. Mitnahmeeffekte müssten dabei in Kauf genommen werden, zumal ein Teil der Ausgaben über Unternehmensgewinne wieder zurückfließen.

Ausführlich ging Sturm auf das Thema Bürokratieabbau ein. Im Koalitionsvertrag wurde eine Verringerung von Statistik- und Buchführungspflichten angekündigt. Von dieser Versprechung hält der Mittelstand wenig. 80 Prozent der antwortenden Unternehmen erwarten hier keine baldigen Ergebnisse. 19,7 Prozent hoffen dennoch darauf. Als erste Maßnahmen zum Bürokratieabbau schlug UMU-Präsident Sturm vor, die Gewinnermittlung für kleine Unternehmen sowie Existenzgründer weiter zu vereinfachen sowie die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen auf fünf Jahre zu verkürzen.

Eine Hauptsäule des Bürokratieabbaus bleibe aber, so Sturm, eine drastische Vereinfachung des Steuerrechts: „Seit Jahrzehnten wird darüber diskutiert und die Notwendigkeit von allen anerkannt. Genügend Modelle liegen auf dem Tisch. Der Mittelstand ist von der Steuerkomplexität am meisten betroffen und dieser Hilferuf muss von der Politik endlich ernst genommen werden!“ Sturm weiter: „Genauso verhält es sich bei der noch komplizierteren Berechnung und früheren Abführung von Sozialabgaben, die den 1,66 Millionen Betrieben, die weniger als 10 Mitarbeiter haben, einfach kostenintensiv vom Gesetzgeber ohne Kompensation aufgebürdet wird!“

Vereinfachung im Bereich der Bildungspolitik bedeute z.B., sowohl Schul- als auch Hochschulausbildung so zu straffen, dass die Studienabgänger im 23. Lebensjahr in das Berufsleben eintreten könnten.

Politik und Parteien
Keine große Liebe zur großen Koalition lassen die Antworten auf Fragen nach der Beurteilung der Parteien erkennen. Gefragt wurde hier zu deren Kurs. Hier fällt auf, dass die SPD in der Bewertung durch den Mittelstand relativ stabil geblieben ist. Mit 10,6 Prozent wird ihr Kurs als gut bezeichnet (im Vorjahr 10,0 Prozent), 60,6 Prozent halten ihn für weniger gut (im Vorjahr 43,1 Prozent), negativ bewerteten ihn 25,9 Prozent (im Vorjahr 46 Prozent).

Besser schneiden CDU und CSU ab. Sie erreichen bei der Note gut immerhin 32,8 Prozent. Immerhin 56,6 Prozent, knapp weniger als bei der SPD halten den Kurs der CDU/CSU für weniger gut. Allerdings nur 7,4 Prozent beurteilen ihn negativ. (Im Vorjahr fragten wir, welche die beste Oppositionspartei sei, 21,7 Prozent entschieden sich für die CDU und 32,6 Prozent für die CSU).

Dass die Koalition eine Vernunftehe und keine Liebesbeziehung darstellt, lässt die Umfrage durchgehend erkennen. Allerdings erwartet fast die Hälfte der Mittelständler (48,5 Prozent) von der gegenwärtigen Koalition eine erfolgreichere Politik als von einer schwarz-gelb-grünen oder rot-gelb-grünen Regierungskoalition (39,9 Prozent erwarten das nicht, 10,3 Prozent äußerten keine Meinung).

Eine Mehrheit von 54,4 Prozent meint auch, dass CDU/CSU und SPD ihre Vorstellungen „beide gleich“ durchgesetzt hätten. 37,5 Prozent waren der Meinung, die SPD hätte dabei besser abgeschnitten, nur 5,9 Prozent gaben dieses Prädikat der CDU/CSU.

Quelle und Kontaktadresse:
Union mittelständischer Unternehmen e.V. (UMU) Pressestelle Edelsbergstr. 8, 80686 München Telefon: (089) 570070, Telefax: (089) 57007260

(sk)

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