Pressemitteilung | ZVEI e.V. - Verband der Elektro- und Digitalindustrie

Elektroindustrie trotz verhaltener Investitionstätigkeit optimistisch

(Frankfurt am Main) – "Seit gut einem Vierteljahr zeigen die meisten Konjunkturindikatoren für die Elektrotechnik- und Elektronikindustrie nach oben," skizziert Dietmar Harting, Präsident des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V., die aktuelle Lage. So konnte die zweitgrößte deutsche Industriebranche 1999 ein Plus bei den Auftragseingängen von elf Prozent verbuchen. Allerdings, so Harting, sei dieses Wachstum durch Großaufträge überzeichnet und liege bereinigt bei 6 bis 7 Prozent. Während die Exportaufträge schon das ganze vergangene Jahr über die Elektroindustrie stützten und im Durchschnitt mehr als 15 Prozent zulegten, zogen im letzten Quartal 1999 auch die Bestellungen aus dem Inland kräftig um über 18 Prozent an.







Die Auslandsaufträge legten am Jahresende sogar um knapp 30 Prozent zu. Auch die Zunahmen der Großaufträge spreche dabei für die zunehmende Stabilisierung des Aufschwungs, da sich die Kunden jetzt mittelfristig Kapazitäten sicherten. Harting ist daher optimistisch, dass die Elektroindustrie dieses Jahr ein Produktionswachstum von 4 Prozent und ein kräftiges Umsatzwachstum von 8 Prozent erreichen kann, wenn sich die anstehenden tarif- und steuerpolitischen Weichenstellungen in dem im Bündnis für Arbeit vereinbarten Rahmen bewegen. Auch bei der Zahl der Beschäftigten in der Elektroindustrie, die zu Jahresbeginn bei 856.300 lag, sei dann ein weiterer Anstieg um 15.000 bis 20.000 in Sicht. Nicht eingerechnet sind hierbei die rasch wachsenden Dienstleistungssegmente im Umfeld der Elektroindustrie.







Dennoch ist der Optimismus nicht ungetrübt: So wuchsen die Einfuhren nach Deutschland um fast 12 Prozent erneut deutlich schneller als die Elektroexporte um knapp acht Prozent. Der vor zehn Jahren noch bei 10 Mrd. DM liegende Exportüberschuss der Branche ist mittlerweile trotz rasch wachsender Ausfuhren auf nur noch knapp 2 Mrd. DM geschrumpft. Dabei, so Harting, spielten Eigenimporte aus den internationalen Wertschöpfungsnetzwerken der ZVEI-Mitgliedsunternehmen eine ganz zentrale Rolle.







Als klare Schwachstelle hat der ZVEI-Präsident die Investitionen ausgemacht. "Noch immer gibt es keine nachhaltige Belebung der Investitionstätigkeit in Deutschland", stellte er fest. Das gelte für wichtige Abnehmerbranchen wie die Chemische Industrie und den Maschinenbau, aber auch für die Elektroindustrie selbst. In der Elektroindustrie legten 1999 die Ausrüstungsinvestitionen lediglich um drei Prozent zu, für 2000 lassen die bislang vorliegenden Daten sogar ein abgeschwächtes Wachstum von nur einem Prozent erwarten. „Das ist ein klares Indiz für die anhaltende Unsicherheit über die künftige Attraktivität des Standortes Deutschland im zusammenwachsenden Markt", warnte der ZVEI-Präsident. Von der konjunkturellen Erholung allein sei die Lösung der Arbeitsmarktprobleme genauso wenig zu erwarten wie die Sicherung der technologischen Führungsrolle Deutschlands. „Mehr Investitionen sind die Voraussetzung für mehr wettbewerbsfähige Arbeitsplätze und mehr Innovationen in Deutschland", betonte Harting.







Sollten im Laufe des Jahres mehrere Negativfaktoren wie ein überhöhter Tarifabschluss, eine Aufwertung des € gegenüber dem US-$ oder eine erneute Verschleppung der Unternehmenssteuerreform zusammenkommen, befürchtet Harting deshalb eine spürbare Abschwächung des Wachstums. Ergebnis eines solchen Negativszenarios für die deutsche Elektrotechnik- und Elektronikindustrie seien ein Rückgang des Umsatzwachstums auf vier bis fünf Prozent, eine weitere Abschwächung des Produktionswachstums auf deutlich weniger als zwei Prozent wegen der weiter zurückgehenden inländischen Wertschöpfung sowie eine stagnierende bis rückläufige Beschäftigung. Erstmals seit Gründung der Bundesrepublik, so der ZVEI-Präsident, hätten wir dann eine negative Handelsbilanz in der Elektrotechnik und Elektronik.







Tarifrunde 2000: Gewerkschaften müssen ihre Zukunftsfähigkeit beweisen



Eine Schlüsselfunktion habe hierbei in diesem Jahr die Tarifpolitik. Scharfer Wettbewerb und für die meisten Produkte der Elektroindustrie seit Jahren sinkende Erlöse, der moderate Anstieg der Produktivität um nur 2,4 Prozent im Branchendurchschnitt sowie die unbefriedigende Entwicklung der Investitionstätigkeit sind dabei aus seiner Sicht die wichtigsten Eckpunkte der Tarifrunde 2000. „Für viele Unternehmen ist schon der langjährige im Arbeitgeberlager akzeptierte Grundkonsens einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik keineswegs mehr selbstverständlich, sie sind nämlich gezwungen, Produktivitätszuwächse in Form sinkender Preise an ihre Kunden weiterzugeben,“ fasste der ZVEI-Präsident die Auswirkungen zusammen. Nur bei einem Abschluss im Rahmen der Vereinbarungen des Bündnisses für Arbeit seien die ins Auge gefassten Wachstumsziele und insbesondere die erhoffte Schaffung neuer Arbeitsplätze auch tatsächlich erreichbar.







Ein überzogener Tarifabschluss hingegen jenseits der Produktivitätsentwicklung würde zu Stagnation oder sogar zu einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen führen. Zugleich erwartet Harting von der laufenden Tarifrunde Aufschluss über die Reformfähigkeit des deutschen Modells der Tarifautonomie. Kurzfristig gehe es dabei um die Frage, ob sich die IG Metall ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung tatsächlich stelle oder ob sie die mangelnde Abwehrfähigkeit der Unternehmen in immer enger geflochtenen Wertschöpfungsnetzwerken erneut ausnutzt und den Arbeitgebern einen wirtschaftlich unverantwortbaren Abschluss aufzwingt. Zugleich müsse geklärt werden, ob Schlüsselthemen der New Economy wie technologie- oder kundenbezogene Dienstleistungen überhaupt realistische Chancen haben, Eingang in die Welt des Metalltarifvertrages zu finden.







Steuerreform: Grundsätzliche Zustimmung, aber fehlende Signale für den Mittelstand



Obwohl er der Steuerreform der Bundesregierung im Prinzip zustimmt, kritisierte Harting insbesondere die wenig mittelstandsfreundliche Ausrichtung des Konzepts. Vor allem von der optionalen Besteuerung als Personen- oder Kapitalgesellschaft gehen nach seiner Auffassung über die steuerlichen Aspekte hinaus falsche gesellschaftspolitische Impulse aus. Mittelständler würden auf den Weg zur Kapitalgesellschaft gedrängt. „Gerade die Übernahme persönlicher, auch finanzieller Verantwortung für das eigene Unternehmen ist das konstituierende Element der sozialen Marktwirtschaft, weil Risiko und Erfolg direkt verbunden sind", betonte Harting. Deutschlands Problem sei schon heute eine Unternehmerlücke und nicht eine Unternehmenslücke.







Auch die Pläne zur Orientierung der Abschreibungsfristen an der technischen statt an der betrieblichen Nutzungsdauer und die damit verbundene zusätzliche Besteuerung von Investitionen stießen auf die Kritik des ZVEI-Präsidenten. Im Zuge der Steuerreform sei ferner geplant, dass Verluste aus Beteiligungsverkäufen nicht mehr steuermindernd absetzbar seien. Dies sei ebenso wie die Absenkung der Grenze für die Besteuerung wesentlicher privater Unternehmensbeteiligungen kontraproduktiv, weil für Risikokapitalgeber wie zum Beispiel Venture-Capital-Fonds der steuerliche Anreiz entfalle, sich an der Finanzierung von Start-up-Unternehmen zu beteiligen.







Green Card: Aus- und Weiterbildung von IT-Fachkräften nicht zu ersetzen



Als Gelbe Karte für die Reformfähigkeit des deutschen Bildungssystems wertete Harting die Entscheidung der Bundesregierung, den akuten Fachkräftemangel durch die Vergabe von rund 30.000 Arbeitsgenehmigungen für ausländische IT-Spezialisten zu mildern. Zwar werde der aktuelle und voraussichtlich bis etwa 2005 anhaltende Mangel insbesondere an Hochschulabsolventen in Informatik und Elektrotechnik durch die Öffnung der Grenzen gemildert. Genauso wichtig sei aber die konsequentere Ergänzung der bereits in die Wege geleiteten Initiativen der Wirtschaft im Bildungsbereich. So habe der ZVEI gemeinsam mit der IG-Metall bereits 1997 die IT-Berufe entwickelt. Mittlerweile, so der ZVEI-Präsident, würden hier 25.000 Jugendliche direkt nach der Schule betriebsnah zu IT-Systemkaufleuten, Fachinformatikern oder IT-Systemelektronikern ausgebildet, und im Bündnis für Arbeit sei ein weiterer Anstieg auf 40.000 Ausbildungsplätze vereinbart worden. Als weitere zukunftsorientierte Schwerpunkte der ZVEI-Arbeit in diesem Bereich wies Harting auf die bis Ende des Jahres vorgesehene Schaffung von Strukturen für die IT-Weiterbildung sowie auf die in diesem Jahr beginnenden Gespräche zwischen ZVEI und IG-Metall über die Neuordnung der industriellen Elektroberufe hin. Auch bei der vom ZVEI angeregten Öffnung der deutschen Hochschulen für die international gängigen Bachelor- und Masterstudiengänge gebe es bereits erste Erfolge. „Allerdings“, so Harting, „dürfen diese Erfolge nicht weiter durch staatliche Sparmaßnahmen beeinträchtig werden, die sich einseitig an der Zahl der Studienanfänger orientieren.“ Entscheidend für den langfristigen Erfolg dieser Weichenstellungen sei allerdings eine umfassende Stärkung der naturwissenschaftlich-technischen Ausbildung in den Schulen sowie eine Intensivierung der Lehrerfortbildung auf breiter Front. Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit für technische Ausbildungs- und Studiengänge, so der ZVEI-Präsident, könne er sich eine Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und führenden Vertretern der Politik sehr gut vorstellen.



Quelle und Kontaktadresse:
Pressekontakt: ZVEI, Presse und Öffentlichkeitsarbeit Stresemannallee 19, 60596 Frankfurt am Main, Postfach 70 12 61, 60591 Frankfurt am Main, Quelle: ZVEI

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