Endspurt für das Energiewirtschaftsgesetz / Stromwirtschaft braucht Klarheit für Investitionen / Bürokratischen Aufwand und Berichtspflichten verringern
(Berlin) - "Die Elektrizitätswirtschaft steht vor milliardenschweren Investitionen und braucht dafür klare Rahmenbedingungen. Die Branche hofft auf die zügige Verabschiedung der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vor der Sommerpause." Das erklärte Werner Brinker, Präsident des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), bei der Vorlage des VDEW-Jahresberichtes 2004.
Die Stromwirtschaft bewerte es positiv, dass sich im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss abzeichne für die zweite Novelle des EnWG. "Der Endspurt sollte nicht gestoppt werden", forderte Brinker. "Die Unternehmen wollen wissen, woran sie sind."
Investitionskraft erhalten
"Die Stromwirtschaft konkurriert am Kapitalmarkt mit anderen Unternehmen um knappe Mittel", betonte Brinker. Von zentraler Bedeutung sei der Erhalt des eingesetzten Kapitals nach dem bewährten Kalkulationsprinzip der Nettosubstanzerhaltung. "Wenn jedoch künftig die Körperschaftsteuer nicht mehr als Kostenbestandteil berücksichtigt wird, schwächt das die Finanzkraft der Stromunternehmen", kritisierte Brinker. Dieser Kompromiss gehe zu Lasten der Investitionsfähigkeit der Branche.
"Der vorgesehene Systemwechsel auf 'Realkapitalerhaltung' für neue Anlagen bedeutet außerdem eine komplette Umstellung der Buchführung in den Unternehmen", erklärte Brinker. Die Kosten dieses zusätzlichen bürokratischen Aufwandes würden kleine und mittlere Stromunternehmen überproportional belasten.
Kostenintensiv werde auch die geplante generelle Vorabgenehmigung aller Netzentgelte der rund 900 Stromnetzbetreiber. Brinker: "Eine so große Zahl von einzelnen Genehmigungsverfahren treibt die Kosten sowohl bei den Unternehmen als auch bei der Behörde." Letztlich treffe das die Verbraucher.
Die Zustimmung der Stromwirtschaft erntet dagegen der Vorschlag, die geplante Anreizregulierung per Rechtsverordnung einzuführen. "Damit kann für alle Beteiligten ein klarer Handlungsrahmen absteckt werden", erläuterte Brinker. "Die Stromunternehmen werden diesen Prozess aktiv und konstruktiv begleiten."
Kunden wollen Klartext - keine kostentreibende Datenflut
Kritisch bewertet die Stromwirtschaft die in der EnWG-Novelle vorgesehene Berichtspflichten und die bürokratischen Auflagen zur Stromkennzeichnung. Brinker: "Der Klartext auf der Stromrechnung sollte den EU-Vorgaben entsprechen und nicht zu einer Datenflut ausarten." Der VDEW habe dazu gemeinsam mit der Deutschen Energie-Agentur (dena) praxisorientierte Vorschläge gemacht. "Im Vordergrund müssen die Wünsche der Kunden stehen. Sie erwarten verständliche und übersichtliche Informationen", betonte Brinker. Es sei ein Fortschritt, wenn die Vorgaben nun gestrafft und die Vorgaben der EU-Richtlinie angepasst würden.
"Wenn das EnWG jetzt zügig verabschiedet wird, wären die Auflagen der EU-Binnenmarktrichtlinie von 2003 auch formal erfüllt", betonte Brinker. Der europäische Gesetzgeber könne dann erst einmal eine Verschnaufpause einlegen und die Regelungen wirken lassen.
Stromwirtschaft setzt auf Energieeffizienz
Volle Unterstützung der Stromwirtschaft findet die von EU-Kommissar Piebalgs angestoßene Initiative zur Förderung der Energieeffizienz. "In diesem Bereich gibt es lohnendes Potenzial", betonte Brinker. Die deutschen Stromunternehmen setzten auf Energieeffizienz und hätten Einiges vorzuweisen. So erreichten neue Steinkohle-Kraftwerke einen Wirkungsgrad von 45 Prozent. Zum Vergleich: Der Mittelwert lag 2003 bei rund 38 Prozent.
Handlungsbedarf sieht die deutsche Stromwirtschaft bei der Harmonisierung der Fördersysteme für erneuerbare Energien. "Ein europäischer Energiebinnenmarkt schließt selbstverständlich erneuerbare Energien mit ein", betonte Brinker. Nur so würden gleiche Wettbewerbsbedingungen europaweit gewährleistet und ein freier Warenverkehr auch mit Strom sichergestellt.
"Die derzeit sehr unterschiedlichen nationalen Regelungen dürften nicht mit europäischem Recht vereinbar sein, wenn zum 1. Juli 2007 die volle Öffnung der Energiemärkte aller 25 EU-Länder Realität wird", erklärte Brinker. Der bevorstehende VDEW-Kongress "Nachhaltigkeit oder Ökologisierung der Energiepolitik?" beleuchte daher ab Mittwoch, 8. Juni 2005, nicht nur den Wettbewerb im deutschen, sondern gesamten europäischen Strommarkt.
Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Elektrizitätswirtschaft e.V. (VDEW)
Robert-Koch-Platz 4, 10115 Berlin
Telefon: 030/726147-0, Telefax: 030/726147-140
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