Pressemitteilung | ZVEI e.V. - Verband der Elektro- und Digitalindustrie

Forschung für die Produktion von morgen

Karlsruhe, 02. März 2000



Sehr verehrte Frau Bundesministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren,



„Forschung für die Produktion von morgen“ ist ein Thema von größter Bedeutung für die mehr als 860.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, die für mehr als 270 Mrd. DM Umsatz und mehr als 160 Mrd. DM Exporte aus Deutschland sorgen.



In einer Zeit, in der alle von der Wissensgesellschaft reden, mag diese Einschätzung überraschen.



Aber auch in der Wissensgesellschaft gilt: Die meisten Menschheitsprobleme lassen sich nur durch eine möglichst effiziente und umweltverträgliche industrielle Produktion und Verteilung von Gütern lösen. Und trotz der fortschreitenden Immaterialisierung ist eine weiter wachsende Weltbevölkerung auf steigende Effizienz bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse, auf Umweltschutz und Ressourcenschonung angewiesen.



Ja, gerade die Werkzeuge der Wissensgesellschaft stellen besonders hohe Anforderungen an die Produktion: Die Milliardeninvestitionen in die Produktionstechnik für die jeweils nächste Chipgeneration, die sich innerhalb von zwei Jahren amortisieren müssen, stehen hierfür genauso beispielhaft wie die immer noch bestehende Herausforderung an die Produktionstechnik, große flache Bildschirme zu verbraucherfreundlichen Preisen herzustellen.



Und noch einen zweiten Punkt müssen wir in Deutschland im Auge behalten: Deutsche Unternehmen haben in der Industrieautomation weltweit eine Spitzenstellung inne: in der Fertigungsautomation ebenso wie in der Prozessautomation. Elektrotechnik und Elektronik, Maschinen- und Anlagenbau, industrielle Informations- und Kommunikationstechnik sind die Wurzeln, der in Deutschland einmalig breite industrielle Anwenderhintergrund der Nährboden, aus dem diese Spitzenposition erwächst. Nicht umsonst steht die weltweit erste Fertigungslinie für 300mm-Wafer in Deutschland und zwar mit amerikanischer Beteiligung.



Kaum eine Zahl zeigt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Tandems Produktion/

Automation deutlicher als der Exportüberschuss der deutschen Automationsindustrie, also der Hersteller von Sensoren und Messgeräten von elektronischen Steuerungen und Schaltungen, von elektronischen Antrieben und Aktoren, von Hard- und Software für die Produktion. Der Export dieser Branche liegt bei einem Gesamtumsatz von 45 Mrd. DM bei rund 25 Mrd. DM mit rasch steigender Tendenz. Hinzu kommen die vielen Milliarden, die die deutsche Volkswirtschaft dem Maschinen- und Anlagenbau verdankt, dessen Wettbewerbsfähigkeit wiederum entscheidend auf der Automation aufbaut.



Von dem Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ erwarten wir uns neue Impulse für die industrielle Produktion, aber auch Impulse für neue Anwendungen zum Beispiel für die Automation von medizinischen Behandlungsprozessen oder die Gebäudeautomation.



Die Herausforderungen an die Produktion der nahen Zukunft lassen sich in drei Thesen zusammenfassen:



Die erste These lautet: Unser wichtigstes technisches Thema ist das Zusammenwachsen und Zusammenwirken von Elektronik, Mechanik und Software zu einem Produkt, zu einer Problemlösung.



Das Kunstwort Mechatronik beschreibt schon einen guten Teil davon, der enormen Bedeutung der eingebetteten Software wird es leider nicht gerecht. Hinzu kommt ein immer stärkerer Trend zur Miniaturisierung der Produkte, der gerade die Produktion vor immer neue Herausforderungen stellt.



Durch die geschickte Kombination von Mikroelektronik, Mikrosystemtechnik, Mechanik, Feinwerktechnik und Software können scheinbar gegensätzliche Anforderungen an Produkte und an die Prozesse zu ihrer Herstellung erfüllt werden und das auch noch zu tendenziell rasch sinkenden Stückkosten. Ich nenne als Beispiele hier nur Systeme wie ABS und ESP im Auto oder die Verbindung höchster Produktivität und maximaler Flexibilität in der industriellen Produktion.



Die zweite These greift ein Thema von Netzwerk- und Wissensmanagement auf: Eine Kernkompetenz für die Unternehmen der Zukunft wird Integrations- und Kooperationskompetenz sein.



Das betrifft die technologischen Schnittstellen im Produkt ebenso wie die Zusammenarbeit in Produktionsprozessen über Branchen hinweg, in ganzheitlich optimierten durchgängigen Prozessketten und in räumlich verteilten Organisationsstrukturen. Ein Beispiel aus unserer Branche macht deutlich, worum es geht: das Outsourcing der Produktion elektronischer Baugruppen an externe Bestücker. Der Weltmarkt für freie Elektronikbestücker betrug 1998 schon 75 Mrd € und er wächst mit zweistelligen Zuwachsraten.



Meine dritte These zielt vor allem auf die Fachkräfteentwicklung ab: Geschäftsentwicklung, Organisationsentwicklung und Kompe-tenzentwicklung müssen in Zukunft eine Einheit bilden.



Deshalb war es richtig, im Rahmenkonzept „Forschung für die Produktion von morgen“ ein Handlungsfeld „Der Mensch und das wandlungsfähige Unternehmen“ zu definieren. Nur lern- und leistungsbereite Menschen sind in der Lage, auch die Unternehmen lern- und wandlungsfähig zu machen, sie im Wettbewerb nach vorne zu bringen und dort zu halten.



Wir müssen dafür Wege finden, die bisherige Trennung von Lernen und Arbeiten aufzuheben. Der eigenverantwortliche und selbstgesteuerte Erwerb von Wissen und Kompetenz muss gefördert werden. Hierbei sind nicht nur Techniker, sondern auch Betriebswirte, Pädagogen und Psychologen, Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaftler gefordert, ihre Ideen für die Produktion von morgen einzubringen.



Eins steht aber schon jetzt fest: Auch in der industriellen Tätigkeit nimmt die Prozess- und Kundenorientierung gegenüber der bloßen Funktionsausübung einen immer größeren Stellenwert ein. Mit neuen Ausbildungsberufen wie IT-Systemelektroniker, Fachinformatiker oder Mikrotechnologe haben wir beim ZVEI hier ganz wichtige Weichen bereits gestellt. Nächstes Thema wird die Neuordnung der industriellen Metall- und Elektroberufe sein, die wir gemeinsam mit der IG Metall in Angriff nehmen. Auch hier sehe ich ganz klare Wechselwirkungen mit dem Rahmenkonzept: "Forschung für die Produktion von morgen".

Quelle und Kontaktadresse:
Pressekontakt: Dr. Bernhard Diegner, ZVEI, Tel.: 069/6302-277, Fax: 069/6302-286, E-Mail: forschung@zvei.de Gotthard Graß, ZVEI, Tel.: 069/6302-285, Fax:069/6302-351, E-Mail: presse@zvei.de

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