Frauen werden durch die Privatisierung der gesetzlichen Versorgungssysteme höher belastet als Männer
(Düsseldorf) - Durch die Reformen der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Rentenversicherung (Riester-Rente) verteilen sich zusätzliche individuelle Belastungen ungleich auf beide Geschlechter. Das ist das Ergebnis zweier Expertisen, die das WSI in der Hans-Böckler-Stiftung zu den Reformen im Gesundheitsbereich und der Rente in Auftrag gegeben hat.
Die Expertise von Prof. Dr. Jürgen Wasem und Dr. Stefan Greß zeigt, dass Frauen durch die Senkung der Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung wegen ihrer durchschnittlich niedrigeren Einkommen weniger stark entlastet werden als Männer. So werde eine Angestellte mit durchschnittlichem Einkommen in West-Deutschland (unter Zugrundelegung der von der Bundesregierung angenommenen Entlastungswirkungen) mit jährlich 80,56 Euro entlastet, ein westdeutscher Angestellter dagegen mit 108,81 Euro jährlich. Außerdem würden Frauen durch höhere Beiträge zur Zusatzkrankenversicherung höher belastet. So zahle eine gesunde 30-jährige Frau 78,41 Euro jährlich für einen privaten Zusatzversicherungsschutz, ein gleichaltriger Mann aber nur 63 Euro.
Die Expertise zu Auswirkungen der Riester-Rente von Dr. Christiane Lindecke kommt zu dem Schluss, dass sich einerseits das System der Pauschalbetragsförderung der Riester-Rente zwar positiv für Frauen auswirke, da sie relativ zu ihrem durchschnittlichen Einkommen höher staatlich gefördert würden. So mache bei einer westdeutschen Angestellten mit durchschnittlichem Einkommen die staatliche Zulage 12,4 Prozent der Gesamtbeiträge aus, bei einem männlichen Angestellten dagegen 8,8 Prozent. Dieser Unterschied beruhe allerdings ausschließlich auf der Tatsache, dass Frauen ein durchschnittlich niedrigeres Einkommen aufwiesen. Auf der anderen Seite würden Frauen aber in der privaten Rentenversicherung allein durch ihre Geschlechtszugehörigkeit höher belastet. Denn im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung verlangt die staatliche Zertifizierung von Riester-Verträgen keine Unisex-Tarife. Ein Vergleich der Riester-Renten-Angebote verschiedener Versicherungen ergab, dass eine 25-jährige Frau bei gleicher Beitragsleistung durchschnittlich eine um 14,6 Prozent geringere Riester-Rente erhält als ein 25-jähriger Mann. Die Differenz bei der zu erzielenden Rente variiert je nach Lebensalter und bemessenem Einkommen und liegt in der Größenordnung zwischen 11,1 und 14,6 Prozent zuungunsten von Frauen.
Die Versicherungen begründen höhere Beiträge für Frauen mit höheren Ausgaben durch eine statistisch längere Lebenserwartung, Kosten für Geburt und Schwangerschaft und durchschnittlich häufigeren Arztbesuchen der Frauen. Die statistisch längere Lebenserwartung als Folge gesünderer Lebensweise und besserer Prävention wird aber so zu einem finanziellen Nachteil der Frauen. Außerdem tragen in der privaten Krankenversicherung allein die Frauen die Kosten für Schwangerschaft und Geburt.
Aktualität hat dieses Thema auch auf europäischer Ebene. Die Europäische Kommission hat am 5. November 2003 einen Richtlinienvorschlag verabschiedet, der vorsieht, das Geschlecht als Kriterium für die Errechnung von Tarifen bei allen Versicherungsarten zu verbieten. Diese Richtlinie würde europaweit die Einkalkulierung des Faktors Geschlecht bei der Errechnung von Versicherungstarifen verbieten. Das Europäische Parlament hat dem Vorschlag im März 2004 zugestimmt. Der Vorschlag wird nun im Juni im Ministerrat diskutiert werden.
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