Pressemitteilung | Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)

Im Mutterleib der Droge Alkohol schutzlos ausgeliefert

(München) - Nach neuen Untersuchungen werden in der Bundesrepublik jährlich etwa 500-800 Kinder mit Fetalem Alkoholsyndrom (FAS) und 4000-5000 mit „leichteren“ fetalen Alkoholeffekten (FAE) geboren. Dies gab Dr. Christof Schaefer, Leiter des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie bekannt. Damit werden mehr Kinder durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft geschädigt als durch ein teratogenes (Missbildungen verursachendes) Medikament, Nikotin und harte Drogen.

Alkohol – Droge Nr. 1
Alkohol, genauer gesagt Äthanol bzw. Äthylalkohol wird nach dem Trinken unverzüglich aus Magen und Darm vom Blut aufgenommen und erreicht nach 1-2 Stunden seine maximale Konzentration. Zu 90% wird Äthanol in der Leber verstoffwechselt, wobei u.a. Acetaldehyd entsteht. Sowohl Äthanol als auch Acetaldehyd gelangen über den Mutterkuchen direkt zum Embryo und schädigen dessen Zellen und Organe. Seine unreife Leber kann die Gifte nicht abbauen. Bislang ist noch nicht ausreichend geklärt, ob gelegentlicher Alkoholgenuss in der Schwangerschaft für die Entwicklung des Babys völlig ungefährlich ist. Fehlbildungen und Auffälligkeiten, das sogenannte Fetale Alkoholsyndrom wurde bisher nur bei Schwangeren beschrieben, die regelmäßig größere Mengen Alkohols zu sich nehmen und nicht alle bringen Kinder mit einer ausgeprägten Schädigung zur Welt. Das Risiko korelliert mit der Dauer und dem Schweregrad des Alkoholmissbrauchs. Bei ausgeprägtem Alkoholismus sind nach neuen Erhebungen 40% der Nachkommen schwer geschädigt. Fazit: Da es keinen Grenzwert gibt, unter dem Alkohol nicht schädigend wirkt, sollte auf Alkohol während der Schwangerschaft verzichtet werden. Dies gilt auch für alkoholhaltige Stärkungsmittel und Medikamente.

Alkohol ein Tabu in der Schwangerschaft
Viele Schwangerschaften entstehen ungeplant, zum Beispiel in den bevorstehenden „Tollen Tagen“ des Karnevals und manche werdende Mutter trinkt Alkohol, ohne von ihrer Schwangerschaft zu wissen. Gerade die ersten drei Monate, besonders die Zeit zwischen der vierten und achten Schwangerschaftswoche, sind eine hoch-sensible Phase, weil die Organe des Kindes angelegt und ausgebildet werden. Das Risiko körperlicher Fehlbildungen ist erhöht, wenn die Zellteilung durch Alkohol gestört oder negativ beeinflusst wird. Vor allem die Entwicklung des Gehirns ist zu dieser Zeit besonders gefährdet. Durch das Zellgift Alkohol werden weniger Gehirnzellen gebildet. Im vierten bis sechsten Schwangerschaftsmonat behindert Alkohol das Wachstum des Embryos. Außerdem erhöht sich das Risiko für eine Fehlgeburt um das zwei- bis vierfache, wenn eine werdende Mutter mehr als 60 Gramm Alkohol (etwa 1 Liter Bier oder 0,5 Liter Wein) zweimal pro Woche trinkt. Im siebten bis neunten Schwangerschaftsmonat setzt beim Ungeborenen erneut ein enormer Wachstumsschub ein. Da zu diesem Zeitpunkt auch das Gehirn an Volumen zulegt, schadet Alkohol in dieser Phase ganz besonders, denn er unterbindet die Vernetzung der Hirnzellen. Studien geben Hinweise darauf, dass unvernetzte Hirnzellen absterben und sich die Größe des embryonalen Gehirns verringert.


Die Folgen des Alkoholmissbrauchs
Das Ungeborene wird durch Alkohol in vielerlei Hinsicht geschädigt. Das Gehirn ist zu klein und geistige Behinderungen sind häufig die Folge. Außerdem kommt es zu Missbildungen an Herzen, Nieren und Gliedmaßen. Charakteristische Merkmale sind tief angesetzte Ohren, extrem starker Haarwuchs, ein kleiner Kiefer und herabhängende Augenlider. Die Kleinen haben einen kurzen Nasenrücken, schmale Lippen und ein fliehendes Kinn. Im Durchschnitt wiegen alkoholgeschädigte Kinder bei der Geburt nur 2200 Gramm. Ein Drittel der Kleinen hat einen angeborenen Herzfehler und Fehlbildungen wie Hüftgelenkluxation und Leistenbruch sowie Anomalien der äußeren Geschlechtsorgane treten überdurchschnittlich häufig auf. Das Ausmaß der Schädigung hängt von der Menge des Alkoholkonsums ab. Die Babys von Alkoholikerinnen sind bei der Geburt selbst süchtig und zeigen bereits kurze Zeit nach der Entbindung - durch den fehlenden Alkohol bedingt - Entzugserscheinungen, die unter Umständen sogar sein Leben gefährden können.


Keine Flasche Alkohol trägt in Deutschland eine Warnung
In der Schwangerschaft ist das ungeborene Kind vor vielen Gefahren im Bauch der Mutter geschützt. Doch über die Blutbahn können neben lebenswichtigen Substanzen auch Giftstoffe in das Blut des Embryos gelangen. Diese führen zu Entwicklungsstörungen und Substanzen, die Missbildungen verursachen, werden von der Wissenschaft Teratogene genannt.
Ein bekanntes Teratogen ist Thalidomid, der Wirkstoff des Schlafmittels Contergan, der in den 50er und 60er Jahren Tausenden von Kindern schwere Missbildungen zufügte. Contergan ist deshalb seitdem verboten. Ein gefährliches Teratogen ist auch der Alkohol! Während auf Zigaretten-Packungen seit Jahren vor den Folgen des Rauchens gewarnt wird, findet sich auf keiner Flasche Alkohol ein entsprechender Hinweis. Alkoholsüchtige Frauen sollten bei Kinderwunsch vor der Schwangerschaft ihr Suchtproblem behandeln lassen. Dabei können Selbsthilfegruppen eine wertvolle Hilfe darstellen. Bis dies geschafft ist, sollte eine Schwangerschaft vermieden werden.

Wie sieht die Prognose alkoholgeschädigter Kinder aus?
Eine Therapie der Hirnschädigung ist nicht möglich und kann je nach Ausprägung bis zu einer schweren geistigen Behinderung führen. Manche Komplikationen, z.B. ein Herzfehler, können durch eine Operation korrigiert werden. Bezüglich der Intelligenz und Sprachentwicklung zeigen sich bei einigen Kindern mit zunehmendem Alter Verbesserungen, wobei schwer betroffene Kinder kein normales Niveau erreichen. Selbst Kinder mit einem leichten Fetalen Alkoholsyndrom besuchen später in der Regel keine normalen Schulen. Verhaltensauffälligkeiten wie Ungeschicklichkeit, Hyperaktivität und Ablenkbarkeit bleiben häufig erhalten. Vielfach sind Verhaltensauffälligkeiten auch durch das soziale Umfeld mitbedingt. Eine geringe Körpergröße wird mit zunehmendem Alter meistens ausgeglichen, während ein zu kleiner Kopf auch klein bleibt. Bei einem Alkohol-Problem der Schwangeren sollte der Gynäkologe/die Gynäkologin Bescheid wissen, denn die ärztliche Betreuung ist bei der Bewältigung des Problems eine wichtige Unterstützung.

Mit diesen Erklärungen möchte der Berufsverband der Frauenärzte darauf hinweisen, dass Alkoholverzicht in der Schwangerschaft eine Selbstverständlichkeit sein sollte; schon allein als Ausdruck des Respekts vor dem ungeborenen Leben!

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) Maria-E. Lange-Ernst, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Pettenkoferstr. 35, 80336 München Telefon: (089) 244466-0, Telefax: (089) 244466-100

(bl)

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