Keine Verbindlichkeiten im Kinderschutz!
(Berlin) - Mit Unverständnis und Fassungslosigkeit reagiert die Deutsche Kinderhilfe auf die Kritik des Deutschen Kinderschutzbundes sowie des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht, den vorliegenden Entwurf des Kinderschutzgesetzes mit Hilfe der SPD kippen zu wollen.
Gerade angesichts des aktuellen Falles der verhungerten Lara in Hamburg, der die Kontrolldefizite explizit hat zu Tage treten lassen, ebenso wie der Fall Lea-Sophie in Schwerin oder der Fall Kevin in Bremen, ist es in keiner Weise nachvollziehbar, dass nun der dafür zuständige Bundesgesetzgeber daran gehindert werden soll, die Jugendämter stärker in die Verantwortung zu nehmen. Das Jugendamt hat von Verfassungswegen her das staatliche Wächteramt inne. Kevin, Lea-Sophie, Jessica, Max Luca und wohl auch Lara starben jedoch, weil das Jugendamt das Kind nicht in Augenschein genommen hat und der Fokus nur auf den Eltern lag. Es ist fachlich vollkommen klar und unbestritten, dass zur Abklärung einer Kindeswohlgefährdung das Kind und das Wohnumfeld vom Jugendamt bzw. vom beauftragten freien Träger in Augenschein genommen werden muss. Warum sperren sich die SPD, der Deutsche Kinderschutzbund und das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht dagegen, diesen zum Wohl des Kindes unabdingbaren fachlichen Standard, der immer wieder missachtet wurde und zu Todesfällen führte, gesetzlich zu verankern?
Die Kritik hat folgenden Hintergrund: Schon in der Anhörung zum Referentenentwurf im Dezember haben die großen Trägerverbände (und das durch diese finanzierte DIJuF) alles zu blockieren versucht, was nur ein wenig in Richtung mehr Kontrolle geht. So war im ersten Referentenentwurf noch vorgesehen, dass insbesondere Lehrer aber auch andere mit Kindern arbeitende Professionen bei Verdacht einer Kindeswohlgefährdung das Jugendamt zu informieren haben. Diese Rechtspflicht wurde von den Verbänden massiv bekämpft und leider aus dem Regierungsentwurf herausgenommen. Dies führt zu der unerträglichen Situation, dass die Mitarbeiter der freien Träger der Jugendhilfe, also auch der KiTas, eine Meldepflicht haben - Lehrer jedoch nicht!
Die "katastrophale Folgen", die das Deutsche Institut für Jugendhilfe dem Kinderschutzgesetz prophezeit, würden dagegen genau dann eintreten, wenn die Jugendämter und freien Träger weiter so arbeiten, wie in der Vergangenheit: Immer noch sterben in Deutschland mehr als 170 Kinder pro Jahr durch die Hand ihrer Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Die Zahl der Misshandlungen steigt kontinuierlich, die Zahl überforderter und erziehungsunfähiger Eltern wächst ebenfalls. Wann ist Schluss mit der sozialromantischen Gutmenschenvision, dass nur der Dialog eine funktionierende Jugendhilfe sicher stellen kann?
Skandinavische Staaten wie Finnland und Schweden zeigen, dass Verbindlichkeiten, klare Ansprachen und Kontrollen einen effektiven Kinderschutz ermöglichen. Wann stellen sich auch die freien Träger ihrer Verantwortung, dass sie im Jugendhilfesystem auch eine Kontrollfunktion innehaben?
Jetzt soll auch noch die letzte dringend notwendige Reform zu mehr Kinderschutz mit fadenscheinigen Argumenten verhindert werden. Es steht den SPD regierten Bundesländern und Kommunen frei, eigenständig für mehr Prävention zu sorgen. Im Bundesgesetz sollten die massiven Qualitätsdefizite jedoch aufgenommen werden. Offenkundig scheuen sich Verbandsfunktionäre immer noch davor, endlich die Qualitätsdebatte in der Kinder- und Jugendhilfe zuzulassen. Das Versagen der von den Jugendämtern häufig eingeschalteten freien Träger (siehe den Fall Lara in Hamburg) ist eines der letzten Tabus in der Kinder- und Jugendhilfedebatte. Mehr Kontrolle der Jugendämter bedeutet nämlich zugleich auch mehr Kontrolle der Träger. Deutschland braucht endlich einheitliche Qualitäts- und Diagnosestandards. Offenbar ist die Sorge der Verbände, dass dieses Gesetz ein Einstieg dafür wäre. Es bleibt zu hoffen, dass dieser durchschaubare Versuch abgewehrt werden kann und das Kindeswohl wieder den Vorrang vor Wahlkampf und Verbandsklientelpolitik erhält.
"Das Kinderschutzgesetz ist ein erster kleiner Schritt zu einem besser funktionierenden Kinder- und Jugendhilfesystem - dieser darf nun nicht aus Angst vor Veränderungen verhindert werden!", so RA Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Kinderhilfe e.V.
Julia Gliszewska, Sprecherin des Vorstandes
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