Pressemitteilung | Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V.

Kinder und Gewalt im ersten Jahr nach den Lockdowns

(Berlin) - Heute stellten der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, in der Bundespressekonferenz die Zahlen kindlicher Gewaltopfer vor.

Positiv ist aus Sicht der Deutschen Kinderhilfe, dass nach den Erhebungen die Zahl der getöteten Kinder von 145 im Jahr 2021 auf 101 im Jahr 2022 zurückgegangen ist. Die Zahlen der so genannten Kindesmisshandlung hingegen sind nahezu gleichbleibend hoch geblieben. Die Entwicklung der Zahlen macht noch etwas deutlich: Kinder werden nicht nur Opfer von Gewalt, sie können auch - selbst noch schuldunfähig - sogenannte Tatverdächtige sein, die eigene Straftaten begehen, auch in Form von sexualisierter Gewalt gegen Kinder.

10,7 Prozent der Tatverdächtigen waren noch unter 14 Jahre alt, weitere 19,5 Prozent waren zwischen 14 und 18 Jahre alt, insgesamt liegt ihre Zahl damit bei erschreckenden 31,3 Prozent!

Aus Sicht der Deutschen Kinderhilfe machen diese Zahlen deutlich, dass Prävention von sexualisierter Gewalt so früh wie möglich ansetzen muss, dem Grunde nach zu Hause beginnend über die KiTa bis in die Schule. Zudem ist für den Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe eine tiefergehende Analyse der Gründe für den Anstieg dieser Taten notwendig: "Prävention braucht Hintergründe, Prävention braucht Forschung. Wir brauchen mehr praxisorientierte Forschung insbesondere in den Polizeihochschulen aber auch in anderen Bereichen", fordert Becker.

Im Deliktsbereich Besitz und der Verbreitung von kinderpornografischem Material machen die Zahlen die Tendenz deutlich, dass Kinder immer häufiger digital miteinander kommunizieren, ohne über das dafür notwendige Unrechtsbewusstsein zu verfügen. Häufig versenden sie so genanntes von ihnen selbst oder anderen Kindern erstelltes kinderpornografisches Material an eine Vielzahl Dritter. Damit werden alle Beteiligten zu Tatverdächtigen, was auch den deutlichen Anstieg der Verfahren gegen ab 14-Jährige begründet.

Die Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e. V. begrüßt dennoch nach wie vor den Verbrechensstatus dieser Delikte. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um schwere und schwerste sexuelle Gewalt, die Kindern angetan wurde. Dieser Verbrechensstatus darf nicht leichtfertig aufgrund des ungeschickten Umgangs von Kindern mit ihrer beginnenden eigenen Sexualität in Bildern, die sie mit Gleichaltrigen austauschen, aufgegeben werden.

Für den Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, liegt die Lösung dieses Konflikts in einer angemessenen gesetzlichen Differenzierung.
"Entweder müssen im Rahmen dieser Differenzierung Ausnahmetatbestände geschaffen werden, die es den Ermittlungsbehörden ermöglichen, "einfache" Fälle trotz des Verbrechensstatus weiterhin vereinfacht zu bearbeiten. Man könnte aber auch in Betracht ziehen, den Verbrechensstatus nur noch auf Fälle des banden- oder gewerbsmäßigen Herstellens und Verbreitens anzuwenden und bei den anderen Delikten die Höchststrafandrohung im Vergehensbereich deutlich erhöhen."

Grundsätzlich wichtig zur Bekämpfung von Besitz und der Verbreitung kinderpornografischen Materials ist zudem die Möglichkeit der Speicherung von IP-Adressen. Die politische Position, auf mehr Ermittler*innen und mehr Prävention zu setzen, statt eine Speicherung der IP-Adressen Tatverdächtiger zuzulassen, ist aus Sicht der Deutschen Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e. V. nicht ausreichend. Stattdessen sollten den Ermittler*innen die rechtlichen Möglichkeiten gegeben werden, um die ausufernde sexuelle Gewalt gegen Kinder im Netz endlich nachhaltig zu bekämpfen.

Erschrocken ist die Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e. V. darüber, dass auf die drastisch angestiegenen Zahlen der Kriminalität von Kindern unter 14 Jahren von offizieller Seite anscheinend hilf- und ratlos reagiert wird. Becker sieht darin einen Auftrag zum Handeln. "Das ist die Generation, die unsere Zukunft prägen wird, die Menschen, von denen wir einmal liebevoll und achtsam gepflegt werden wollen. Wir haben diese Kinder und Jugendlichen in den Zeiten der Lockdowns zu oft vergessen und müssen uns jetzt mit den Folgen auseinandersetzen und diesen Kindern endlich echte Unterstützung geben", empört sich Becker. Um die Probleme bekämpfen zu können sind daher aus Sicht der Kinderhilfe flächendeckende valide Daten etwa zu den Tatorten, den sozialen Verhältnissen aus denen die Täter*innen stammen, konkret auch zur wirtschaftlichen Situation der Eltern zu erheben. Denn Prävention kann nur so gut und so erfolgreich sein, wie sie über eine verlässliche Datenbasis verfügt.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V. Rainer Becker, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin Telefon: (030) 24342940, Fax: (030) 24342949

(jg)

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