Pressemitteilung | Deutscher Städtetag - Hauptgeschäftsstelle Köln

Kommunen: Schwere Krise in den Kassen und keine Erholung in 2002

(Berlin) - Nachdem sich die Finanzkrise der Städte im Jahr 2001 stark zugespitzt hat, ist für die kommunalen Kassen auch in diesem Jahr keine Erholung in Sicht. Das belegen aktuelle Daten zur Finanzlage der Städte, Gemeinden und Kreise, die der Deutsche Städtetag am 29. Januar 2002 in Berlin vorgelegt hat. Der spektakuläre Absturz der Gewerbesteuer und die Verluste durch die Steuerreform bestimmten die Situation im vergangenen Jahr. In zahlreichen Städten quer durch die Republik brach die Gewerbesteuer besonders dramatisch ein, um über 20 und bis zu 70 Prozent.

Die bitteren Folgen für die Bürgerinnen und Bürger, auch für 2002: Investitionen etwa für Straßen und Kindergärten müssen verringert, die Sanierung von Schulen vertagt, Büchereien und Bäder geschlossen werden. Gleichzeitig rutschen die städtischen Haushalte tief ins Defizit, sagte die Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth. Der größte kommunale Spitzenverband vertritt über 5700 Städte mit insgesamt 51 Millionen Einwohnern.

Fazit und Forderung der Vizepräsidentin: „Der Teufelskreis zwischen wachsenden Aufgaben, sinkenden Einnahmen und steigenden Defiziten der Städte muss durchbrochen werden. Die Krise ist nicht selbst verschuldet, sondern beruht auf Fehlern in unserem Finanzsystem. Bund und Länder dürfen nicht länger Kosten auf die Kommunen verschieben. Sie müssen den Städten Entlastung bei den hohen Sozial-ausgaben verschaffen und im Interesse von Konjunktur und Arbeits-plätzen den Verfall ihrer Investitionen stoppen. Soforthilfe ist ebenso dringend wie eine mittelfristig wirkende Gemeindefinanzreform.“

Frau Roth würdigte die Bereitschaft der Bundesregierung, nach jahrelangen Forderungen der kommunalen Spitzenverbände noch im Frühjahr eine Kommis-sion zur Reform der Gemeindefinanzen einzusetzen und darin auch die Belastung der Städte mit Ausgaben, vor allem durch die Sozialhilfe zu überprüfen. Sie kritisierte jedoch die unzureichenden Sofortmaßnahmen.

Es sei angesichts der dramatischen Entwicklung bei der Gewerbesteuer ein Trauerspiel, dass Bund und Länder ihren zwischen 2001 und 2004 von bisher
20 auf 30 Prozent steigenden Anteil an der Gewerbesteuer – die Gewerbesteuer-umlage – nicht abzusenken bereit seien: „Durch diese Blockade wird der Einbruch der Gewerbesteuer für die Städte noch verstärkt. Erst glaubten Bund und Länder an ein Wachstum der Gewerbesteuer, dann nehmen sie achselzuckend das Gegenteil hin und bedienen sich aus den kommunalen Kassen.“ Die Verbesserungen der Unternehmenssteuerreform vor dem Jahres-wechsel seien zu gering ausgefallen, um die akute Not der Städte wirksam zu lindern.

Zur Stärkung der kommunalen Investitionen, die zwei Drittel aller öffent-lichen Investitionen ausmachen, fordert der Deutsche Städtetag Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104 a, Absatz 4 des Grundgesetzes. Aufgrund der hohen Einnahmen des Bundes aus der Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen sei eine solche Finanzspritze gerechtfertigt, so Petra Roth. Denn bei den Städten und Gemeinden führe die Abschreibung der Lizenzkäufe zu Steuerverlusten von mehr als 5 Mil-
liarden Euro.

Mit Blick auf die Arbeit der Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen warnte die Vizepräsidentin des Deutschen Städtetages vor einem Abschaffen der Gewerbesteuer: „Gerade große Unternehmen, die bisher Hauptzahler der Gewerbesteuer waren, verabschieden sich derzeit zunehmend aus der Mitfinanzierung städtischer Aufgaben. Die Gewerbesteuer muss deshalb modernisiert werden. Die Städte brauchen eine verlässliche wirtschaftsbezogene eigene Steuerquelle. Sie stellt am besten sicher, dass die Städte eine wirtschaftsfreundliche Politik verfolgen. Und eine ansiedlungs-freundliche Politik ist die beste Gewähr für eine positive Entwicklung der Arbeitsmärkte vor Ort.“ Die Steuerreformen der vergangenen Jahre seien einseitig auf die Interessen der Wirtschaft ausgerichtet gewesen. Jetzt müsse eine Reform kommen, die die Belange der Städte vorrangig berücksichtige.

Frau Roth bezeichnete es als wünschenswert, den heute relativ kleinen Kreis der Gewerbesteuer-Zahler zu erweitern. Wenn möglichst alle örtlichen Wirtschafts-einheiten einschließlich der freien Berufe einen Beitrag zur Finanzierung ihrer Städte leisteten, könnten die Gewerbesteuer-Sätze niedriger ausfallen. Doch Korrekturen der Gewerbesteuer allein würden die Finanzkrise der Städte nicht lösen. Zusätzlich müssten vor allem die Soziallasten der Städte deutlich reduziert werden. Die Schlüsselfrage werde am Ende sein, ob es durch die Gemeindefinanz-reform gelinge, Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben der Städte wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Im einzelnen stellten der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Dr. Stephan Articus, und dessen ständige Stellvertreterin, Finanzdezernentin Monika Kuban, folgende Fakten vor:

Die Gewerbesteuer brach 2001 im Durchschnitt aller Städte und Gemeinden so stark weg wie seit dem Inkrafttreten der Gemeindefinanzreform 1970 nicht mehr
– um rund 10 Prozent. Noch wesentlich härter getroffen wurden vor allem größere Städte, mit einem durchschnittlichen Minus von 16,6 Prozent. Hauptursache sind die mit verschiedenen Steuergesetzen der vergangenen Jahre geschaffenen Mög-lichkeiten vor allem von Großunternehmen, ihre Gewerbesteuer zu reduzieren oder sogar ganz zu vermeiden.
Das Volumen der Gewerbesteuer fällt in den Jahren 2001 und 2002 fast 10 Mil-liarden Euro niedriger aus als vom Bundesfinanzministerium während der Bera-tung der Steuerreform im Jahr 2000 erwartet. 2001 sank das Gesamtaufkommen auf rund 24,4 Milliarden Euro gegenüber 27 Milliarden Euro im Vorjahr. 2002 werden 25,6 Milliarden Euro erwartet. Allerdings wird der ohnehin risikobehaf-tete Zuwachs in 2002 durch die erhöhte Gewerbesteuerumlage in den städtischen Kassen nicht ankommen.

Das Gesamtdefizit der kommunalen Haushalte – die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben – belief sich trotz fortgesetzter Sparpolitik auf minus 2,9 Milliarden Euro. Für 2002 wird eine weitere Verschlechterung auf minus
4,4 Milliarden Euro erwartet. Diese Gesamtdefizite zeichnen allerdings noch ein geschöntes Bild von der kommunalen Finanzlage: Denn die Kommunen sind verpflichtet, ausgeglichene Haushalte vorzulegen und erreichen dies seit Jahren nur durch ein starkes Zurückfahren der Investitionen und durch Verkauf von „Tafelsilber“, also Vermögen.

Erheblich aussagekräftiger sind die chronischen Defizite in den städtischen Verwaltungshaushalten. Sie machten bereits in den Vorjahren jeweils rund
3,5 Milliarden Euro aus und stiegen 2001 deutlich an – Zahlen für 2001 liegen erst im Frühjahr vor. In der Praxis heißt das: Viele Städte sind dauerhaft gezwun-gen, immer mehr laufende Ausgaben wie Personal und Sozialhilfe mit geliehenem Geld zu bezahlen. Also mit Kassenkrediten, die eigentlich nur zeitweise Liquidi-tätsengpässe überbrücken sollen.

Die kommunalen Einnahmen sanken 2001 gegenüber dem Vorjahr um 1,9 Pro-zent – von 147,05 Milliarden auf 144,25 Milliarden Euro. Die Ausgaben lagen um 1,4 Prozent über dem Niveau von 2000, sie stiegen von 145,12 Milliarden auf 147,15 Milliarden Euro. Hintergrund: Die Städte konnten aufgrund des plötzli-chen Einbruchs ihrer Steuereinnahmen kurzfristig nur begrenzt bei den Ausgaben reagieren. Für das Jahr 2002 dagegen wird ein Wachstum der Ausgaben von nur 0,5 Prozent erwartet, bei einem gleichzeitigen Rückgang der Einnahmen um
0,5 Prozent.

Die kommunalen Einnahmen und Ausgaben liegen im Jahr 2002 etwa auf dem Niveau von 1993. Das heißt: Die Städte müssen seit Jahren strikte Ausgaben-disziplin üben, weil ihre Einnahmen nicht steigen oder Zuwächse immer wieder durch Bund und Länder abgeschöpft werden.

Die Investitionen in den kommunalen Haushalten sanken 2001 um 3,2 Prozent auf 23,8 Milliarden Euro, besonders stark war das Minus mit 7,6 Prozent in den neuen Ländern. Für 2002 wird insgesamt ein weiterer Rückgang von 6,5 Prozent erwartet, in den neuen Ländern 7,8 Prozent. Die Investitionen der Kommunen liegen damit 2002 um 34 Prozent oder über 11 Milliarden Euro unter denen von 1992.

Die Sozialausgaben der Kommunen dagegen sind im gleichen Zeitraum trotz der Entlastung durch die Pflegeversicherung um 30 Prozent oder 6,6 Milliarden Euro gestiegen. 2001 stiegen die Sozialausgaben – das sind vor allem Sozialhilfe und Jugendhilfe - um 3 Prozent auf 27,4 Milliarden Euro, in den neuen Ländern betrug das Plus sogar 6 Prozent. Für 2002 wird mit einem Wachstum von insgesamt
4,1 Prozent auf 28,52 Milliarden Euro gerechnet, in den neuen Ländern von
6 Prozent.

Die kommunalen Personalausgaben gingen 2001 um 0,4 Prozent auf 39,35 Mil-liarden Euro zurück. Ursache ist vor allem ein Minus von 2,8 Prozent durch einen starken Personalabbau in den neuen Ländern. 2002 wird insgesamt ein Plus von 1,3 Prozent erwartet, in den neuen Ländern jedoch ein weiteres Minus von
1,4 Prozent.

Die Gebühreneinnahmen der Kommunen blieben 2001 erneut stabil und lagen bei 16,55 Milliarden Euro. Für 2002 ist von einem Rückgang um 0,5 Prozent auszugehen. Die Städte, Gemeinden und Kreise in Ost und West sanieren also auch weiterhin ihre Haushalte nicht durch Drehen an der Gebührenschraube.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städtetag Lindenallee 13-17 50968 Köln Telefon: 0221/37710 Telefax: 0221/37711 28

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