Pressemitteilung | Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. (BVE)

Konjunktursituation Herbst 2001: Stimmung besser als vor einem Jahr

(Bonn) - Die Ernährungsindustrie erweist sich derzeit als "Stabilitätsanker" der Gesamtkonjunktur. Während die allgemeinen Wachstumsprognosen immer weiter nach unten revidiert werden, verzeichnet die Ernährungsindustrie seit Mitte 1999 ein dynamisches Wachstum. Im Jahr 2000 stieg der Umsatz der Branche, die zu den größten Industriezweigen in Deutschland gehört, um 3,2Prozent - im ersten Halbjahr 2001 nochmals um 5,4Prozent. Insgesamt erzielten die Lebensmittelhersteller in Deutschland in den ersten sechs Monaten des Jahres Umsätze in Höhe von 121 Mrd. DM. Die Stimmungslage in den Unternehmen ist denn auch laut einer Mitglieder-Umfrage der BVE im August im allgemeinen besser als im Sommer des Vorjahres. Die Mehrheit der Unternehmen erwartet für das gesamte Jahr 2001 bessere Ergebnisse. Mögliche Auswirkungen einer weltwirtschaftlichen Konjunkturabschwächung im Zuge der Terrorattentate in den USA sind derzeit noch schwer einzuschätzen.


Reale Umsatzentwicklung stagniert

Allerdings ist der weitaus größte Teil des Umsatzplus nicht auf ein reales Nachfragewachstum, sondern auf außergewöhnlich stark steigende Preise zurückzuführen. Die Erzeugerpreise der Ernährungsindustrie sind im ersten Halbjahr 2001 um 5Prozent geklettert, so dass der reale Produktionsanstieg nur knapp ein halbe Prozent betrug. Dieses Mengenwachstum geht im wesentlichen auf die Ausweitung der Lebensmittelexporte zurück.


Preissteigerungen gehen auf Sondereinflüsse zurück

Der aktuelle Preisanstieg wird von den Verbrauchern besonders sensibel registriert, weil er weit über der langjährig durchschnittlichen Steigerungsrate von nur 1,1Prozent liegt. Im ersten Halbjahr 2001 stiegen die Verbraucherpreise für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke um durchschnittlich 3,8Prozent. Dies ist jedoch kein Signal zur Trendwende, sondern geht auf eine Reihe von Sonderfaktoren zurück.

Unter dem Einfluss der BSE- und MKS-Krise fragen die Verbraucher seit Ende 2000 mengenmäßig weniger Fleisch und Fleischwaren nach, geben aber mehr für höherwertigere Produkte aus. Entsprechend stiegen die Verbraucherpreise für diese Produkte. Auch ließ die sprunghaft angestiegene Nachfrage nach "Ausweichprodukten" die Preise für Molkereiprodukte, Gemüse und Obst klettern.


Steigende Kosten

Weiterhin waren Preisanpassungen erforderlich, um Kostensteigerungen aufzufangen. Insbesondere die Energiekosten, die für die kühl- und transportintensive Lebensmittelbranche hoheBedeutung haben, sind durch steigende Rohölpreise, aber auch durch die vierte Stufe der Ökosteuerreform zum 1.1.2001 stark gestiegen. Schließlich haben die Verschlechterungen bei den Abschreibungsbedingungen zu Beginn des Jahres die Kapitalkosten der Unternehmen erhöht und damit auch die Entlastungseffekte der Steuerreform wieder zunichte gemacht.


Euro-Effekt nicht vorhanden

Die zuweilen geäußerte Vermutung, die Unternehmen nutzten die Umstellung auf den Euro zu "versteckten" Preiserhöhungen, stimmt dagegen nicht. Die Anpassung des gesamten Sortiments auf neue Schwellenpreise wird sich insgesamt kaum auf das Preisniveau auswirken.


Qualität hat ihren Preis

Zu begrüßen ist die Bereitschaft der Verbraucher, verstärkt zu qualitativ höherwertigen Produkten zu greifen. Seit Jahren leidet der deutsche Lebensmittelmarkt unter einer einseitigen Ausrichtung auf Niedrigpreise, die sich besonders in den Preiskämpfen des Lebensmitteleinzelhandels der vergangenen zwei Jahre ausgedrückt hat. Aus der jetzigen Situation erwächst die Chance, langfristig bessere Wertschöpfungsperspektiven zu schaffen.

Ob dazu auch die neue Verbraucherschutzpolitik beitragen kann, bleibt abzuwarten. Die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hat bekanntlich zwei Siegel vorgeschlagen, eines für ökologisch erzeugte, eines für "konventionelle" Lebensmittel. Das kürzlich vorgestellte Siegel für Ökoprodukte hat die alleinige Funktion, dass die so erzeugten Lebensmittel für den Verbraucher leichter erkennbar werden. Es liegt dann in seiner Entscheidung, in welchem Umfang er diese Lebensmittel nachfragt und damit zum Teil beträchtlich höhere Preise akzeptiert.

Für ein konventionelles Siegel besteht grundsätzlich kein Bedarf, allenfalls im Fleischbereich erscheint es opportun, wenn es den Verbrauchern die Gewissheit vermittelt, dass sie ein Produkt aus einer "gesicherten und geprüften" Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung erwerben. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn kettenübergreifend aufeinander abgestimmte moderne Qualitätsmanagementsysteme auf allen Stufen zur Anwendung kommen. Daran wird gearbeitet. In keinem Fall ist eine staatliche Nachfragelenkung akzeptabel; über die Nachfrage entscheidet allein der Verbraucher.


Ertragslage bleibt angespannt

Angesichts der erwähnten Kostensteigerungen bleibt die Ertragslage der Unternehmen angespannt. So erwarten mehr als vier von fünf Lebensmittelherstellern nach der BVE-Konjunkturumfrage im Jahr 2001 trotz der Preiserhöhungen keine Ertragsverbesserung. Entsprechend bleibt auch die Möglichkeit zur Finanzierung von Investitionen begrenzt. Lediglich ein knappes Drittel der Ernährungsindustrie rechnet mit einer Investitionssteigerung im laufenden Jahr.


Unternehmen setzen Konsolidierung fort

Gleichzeitig wird sich die Konsolidierung in der Branche fortsetzen. Die Bemühungen der Unternehmen, ihre Effizienz durch die Konzentration auf Kernaktivitäten und den Abbau nicht rentabler Bereiche zu erhöhen, schlägt sich im ersten Halbjahr 2001 in einem Rückgang der Zahl der Betriebe um 1,6Prozent nieder. Auch ist seit Beginn des Jahres wieder ein Beschäftigungsrückgang - um insgesamt 1,2Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2000 - zu verzeichnen.


Kein Zwangspfand für Einweg

Eine Bedrohung ihrer Wettbewerbsfähigkeit sehen die Getränkeabfüller der Ernährungsindustrie in der geplanten Einführung eines Zwangspfandes auf Einweggetränkeverpackungen für Bier und Mineralwasser. Dieses Zwangspfand auf der Grundlage der geltenden Verpackungsverordnung lehnt die BVE nachdrücklich ab. Die Bundesregierung fordert sie auf, eine grundlegende, ökonomisch und ökologisch sinnvolle Reform der Verpackungsverordnung in Angriff zu nehmen. Die einstweilige gerichtliche Untersagung der Bekanntgabe der Nacherhebungsergebnisse für die Anteile von Mehrwegverpackungen an den gesamten Getränkeverpackungen ( Erhebungszeitraum Januar 1999/2000) bietet eine Chance zur Umkehr.


Auslandsumsatz steigt

Erfreulich entwickelt sich der Umsatz der Ernährungsindustrie auf den Auslandsmärkten - mit einem
dynamischen Wachstum von 11,3Prozent auf rund 21 Mrd. DM im ersten Halbjahr 2001. Die Exporte der
Branche, die zur Zeit bei 17,5Prozent des gesamten Umsatzes liegen, werden immer wichtiger für den
Unternehmenserfolg.

Drei Viertel der Exporte fließen in die Partnerländer der EU, die damit das Hauptabsatzgebiet der deutschen Ernährungsindustrie im Ausland sind. Die größten Wachstumschancen sehen die Unternehmen in den EU-Beitrittsländern in Mittel- und Osteuropa, wo sie gut 6Prozent ihres Auslandsumsatzes erzielen. Die Ernährungsindustrie ist einer der Pioniere im Handel und bei Direktinvestitionen in dieser Region. Die Ausfuhren nach Nordamerika (knapp 4Prozent des Gesamtexports) und nach Asien (knapp 5Prozent des Gesamtexports) befinden sich ebenfalls auf vielversprechenden Wachstumspfaden. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Nachfrage nach ausländischen Spezialitäten werden die Ausfuhren deutscher Lebensmitteln aufgrund ihres guten Rufs für Qualität weiter steigen.


Lebensmittelvielfalt auch durch Importe

Seit Jahren übertreffen die Importe verarbeiteter Lebensmittel (im Jahr 2000 im Wert von rund 50 Mrd. DM; im ersten Halbjahr 2001: 24 Mrd. DM) aber noch die Exporte. Zum Teil benötigen deutsche Hersteller Lebensmittel der ersten Verarbeitungsstufe als Vorprodukte für die eigenen Erzeugnisse. Insbesondere gilt aber auch, dass die Ernährungsindustrie auch auf dem Heimatmarkt in einem intensiven internationalen Wettbewerb steht. Die Verbraucher wollen "Lebensmittel aus allen Regionen der Welt".


Forderungen für die WTO-Verhandlungen

Im Rahmen der anstehenden WTO-Verhandlungen über die Liberalisierung des Agrarhandels in Katar gilt es, darauf zu achten, dass Zugeständnisse der EU im Einklang mit Liberalisierungsschritten der WTO-Partner erfolgen. Veränderungen beim internationalen Marktzugang, den internen Marktstützungen und beim Exportwettbewerb müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen

Die Ernährungsindustrie spricht sich dafür aus, Agrarverhandlungen nur im Rahmen einer breit angelegten neue WTO-Verhandlungsrunde zu führen und schon jetzt einen klaren Zeitpunkt für das Ende dieser Verhandlungsrunde festzulegen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. (BVE) Godesberger Allee 142-148 53175 Bonn Telefon: 0228/308290 Telefax: 0228/3082999

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