Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Kräftiger Aufschwung nicht in Sicht

(Berlin) - Der scheinbar geglückte Start in dieses Jahr überdeckt die schwache konjunkturelle Grundtendenz, so der aktuelle Wochenbericht des DIW Berlin 26/27 „Sommergrundlinien zur wirtschaftlichen Entwicklung 2005/2006“. Bislang konnte der Funken von der boomenden Exporttätigkeit nicht auf die Binnennachfrage überspringen. Die überraschend hohe Wachstumsrate im ersten Quartal 2005 war ausschließlich auf den regen Außenhandel zurückzuführen; die privaten und staatlichen Konsumausgaben gingen preisbereinigt sogar zurück. Die Wachstumsrate wurde durch die Kalender- und Saisonbereinigung überzeichnet. Im zweiten Quartal 2005 tritt ein entgegengesetzter Effekt ein, so dass im 1. Halbjahr 2005 mit einer Wachstumsrate von 0,9 Prozent zu rechnen ist. Die augenblickliche konjunkturelle Schwäche wird dann im zweiten Halbjahr langsam überwunden mit einem moderaten Wachstum von ebenfalls 0,9 Prozent. Für 2006 ist mit einem Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 1,5 Prozent zu rechnen. Gestützt wird die Entwicklung weiterhin von der Expansion im Außenhandel. Nach wie vor wird diese Expansion von einer zu schwachen Binnennachfrage behindert.

Die Verbraucherpreise werden 2005 um 1,6 Prozent und 2006 um 1,4 Prozent steigen. Die Kerninflationsrate wird hingegen im Jahresverlauf 2005 nur 0,9 Prozent betragen. Die preisbereinigten Konsumausgaben der privaten Haushalte werden im Prognosezeitraum nur geringfügig wachsen, um 0,2 Prozent im Jahr 2005 und um 0,6 Prozent im Jahr 2006. Die Konsumausgaben des Staates werden nahezu unverändert bleiben. Die Bruttoinvestitionen werden 2005 um 5.6 Prozent sinken und erst wieder 2006 leicht steigen. Besonders dramatisch ist für 2005 der Rückgang um 5,7 Prozent bei den Bauinvestitionen. Dieser Rückgang setzt sich im nächsten Jahr mit 1,3 Prozent weiter fort. Die Anzahl an Erwerbstätigen wird im Jahresdurchschnitt 2005 leicht steigen. Auch die Arbeitslosigkeit wird ansteigen, eine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt wird erst für 2006 erwartet. Die Arbeitslosenquote wird dann im Vergleich zu diesem Jahr von 10,9 Prozent auf 10,1 Prozent zurückgehen.

Im Prognosezeitraum wird sich die globale konjunkturelle Dynamik nicht wieder beschleunigen, bleibt aber expansiv. Innerhalb der Europäischen Union haben sich die Länder, die nicht dem Euroraum angehören, im Durchschnitt deutlich besser entwickelt als die Volkswirtschaften im Euroraum. In Großbritannien, Schweden und Dänemark werden die Wachstumsraten deutlich über 2 Prozent in diesem und im nächsten Jahr liegen. In den neuen Mitgliedsländern der EU hat sich das Wachstum insgesamt deutlich abgeschwächt, liegt aber weiterhin wesentlich über den Raten der EU-15. In den baltischen Ländern ist das Wachstum bei weiterhin hohen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten unverändert kräftig. Die starke Abschwächung des Wachstums im Euroraum geht vor allem auf den Außenhandel zurück. Die realen Exporte im Euroraum ohne Deutschland nahmen im ersten Quartal um nahezu 2 Prozent ab. Die Prognoserisiken sind beträchtlich, vor allem in Hinblick auf die zugrunde liegenden Annahmen. So wurde unterstellt, dass der Ölpreis im Jahresverlauf auf 48 US-Dollar zurückgeht und im Prognosezeitraum auf diesem Niveau bleibt; dass der Wechselkurs unverändert sich um 1.22 Dollar/Euro bewegt; und dass die Tariflöhne in diesem und im nächsten Jahr im gleichen Umfang wie 2004 steigen. Weiterhin wird angenommen, dass die Europäische Zentralbank in den nächsten Monaten die Zinsen um 50 Basispunkte senken wird. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass einige dieser Annahmen nicht zutreffen werden.

Die Annahme einer Zinssenkung beruht auf den gegenwärtigen äußerst geringen Inflationsgefahren und der Notwendigkeit einer konjunkturellen Belebung im gesamten Euroraum. In Deutschland sind der Fiskalpolitik weiterhin Grenzen gezogen. Sie wird aber im gesamten Prognosezeitraum ihr im Stabilitätsprogramm formuliertes Ziel wieder verfehlen, mit einem zu erwartenden Defizit von 3,5 Prozent im Jahr 2005 und von 3,2 Prozent im Jahr 2006. Nur deutliche Reformen könnten diese Erwartungen verbessern. Für die Lohnpolitik empfiehlt das DIW Berlin eine Erhöhung der Tariflöhne von 3 Prozent unter der Voraussetzung einer Senkung der Lohnnebenkosten. Kommt diese Entlastung nicht zustande, beschränkt sich der Spielraum auf 1,5 Prozent bis 2 Prozent. Obwohl sich die Lohnkosten in den letzten Jahren nur moderat entwickelten, liegen sie für die Industrie immer noch deutlich über dem Niveau vergleichbarer Länder im Euroraum, bei nur geringem Produktivitätsvorteil.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Königin-Luise-Str. 5, 14195 Berlin Telefon: 030/89789-0, Telefax: 030/89789-200

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