Pressemitteilung | Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)

Künstliche Befruchtung / Kostenintensive Selbstbeteiligung reduziert Geburtenzahl

(München) - Der Weg aus der ungewollten Kinderlosigkeit hin zum Wunschkind weist für viele Paare unüberwindbare finanzielle Hürden auf. Deshalb hat sich zwischen 2002 und 2005 die Zahl der nach einer IVF-Behandlung geborenen Kinder mehr als halbiert und ist weiter rückläufig. Statt rund 12.000 sind nur noch etwa 5.500 Kinder (Quelle: Ärztezeitung Nr. 226/14.12.’06) zur Welt gekommen. Die bittere Erkenntnis: viele Paare können sich ihren Kinderwunsch nicht mehr erfüllen.

Definition und Verbreitung der Infertilität in Deutschland
Von einer Störung der Fruchtbarkeit (Sterilität) wird dann ausgegangen, wenn bei regelmäßigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr innerhalb von 24 Monaten keine Schwangerschaft eintritt. Eine Infertilität der Frau liegt vor, wenn es zwar zu einer oder mehreren Schwangerschaften kam, jedoch kein Baby ausgetragen werden konnte oder trotz ungeschützter, regelmäßiger sexueller Aktivität nach 12 Monaten keine Konzeption erfolgte.

Von ungewollter Kinderlosigkeit, die in der Regel medizinische Gründe, hat, sind in Deutschland mindestens zehn Prozent aller Partnerschaften betroffen. Da es keine gesicherten Daten gibt, gehen aktuelle Schätzungen sogar von 15 Prozent aus. Bei etwa 20 Prozent der Paare kommt es zu Phasen zeitweiliger Infertilität unterschiedlicher Dauer. Die Ursachen der Sterilität und Infertilität sind breit gefächert und liegen jeweils zu ca. 25 Prozent bei der Frau, zu 30 Prozent beim Mann und in rund 40 Prozent der Fälle bei beiden Partnern. Keine Ursache ist bei fünf Prozent feststellbar. Da die Diagnose und Therapie häufig sowohl die Frau als auch den Mann betrifft, sollten beide Partner vor einer Behandlung untersucht werden.

In-vitro-Befruchtung – das verbreitetste Verfahren
Die In-vitro-Fertilisation (IVF), eine Befruchtung im Reagenzglas, ist die verbreitetste Methode, um Eltern mit bisher unerfülltem Kinderwunsch zum Nachwuchs zu verhelfen. Die wichtigsten Ursachen von Fertilitätsstörungen der Frau sind: unregelmäßige Zyklen, bakterielle Scheideninfektionen, Störungen der Eireifung, eileiterbedingte Unfruchtbarkeit z.B. durch verschlossene Eileiter, eine Endometriose sowie Fehlbildungen von Gebärmutter, Eileiter und Eierstöcken sowie Antikörperbildung gegen Spermien. Anders als in den Vereinigten Staaten und einigen europäischen Ländern ist in Deutschland vieles nicht erlaubt, was in der Fortpflanzungsmedizin machbar ist. Nach dem Embryonenschutzgesetz dürfen hierzulande keine Eizellen gespendet werden, überzählige Eizellen werden nach der Entnahme für spätere In-vitro-Versuche per Kryo-Verfahren konserviert oder sogar vernichtet. Ebenfalls verboten sind die Spende oder der Handel mit Embryonen. Das deutsche Adoptionsvermittlungsgesetz verbietet außerdem die Ersatzmuttervermittlung, d.h. eine Leihmutterschaft. Die Fertilitätsmedizin zur Behandlung des unerfüllten Kinderwunsches eines Paares (fertilitätsbezogene Paarberatung) und die „assistierten Fertilisationsmethoden“ finden sich im Schwerpunkt „Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin“. Somit kommt den Frauenärzten mit diesem Schwerpunkt die zentrale Rolle in der Fertilitätsmedizin zu. Es gibt Gynäkologinnen und Gynäkologen, die diese Methoden routinemäßig durchführen.

Schwierigkeiten mit der Erstattung
Ungewollte Kinderlosigkeit ist keineswegs nur ein soziales Problem, sondern als Krankheit anerkannt. Daher sollten die Behandlungskosten von den Krankenkassen übernommen werden, sofern aus ärztlicher Sicht hinreichend Aussicht auf Erfolg besteht, die Frau nicht älter als 40 Jahre und das Paar verheiratet ist (Stand 2003). Aus Kostengründen geht der Trend der Gesundheitspolitik eindeutig hin zu mehr Eigenbeteiligung. Bei der Reduzierung auf drei IVF-Versuche und der GKV-Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung auf die Hälfte ist die Bundesregierung nach Meinung vieler Experten jedoch weit über das Ziel hinausgeschossen. So muss ein Paar heute, vor allem wenn beide Partner behandlungsbedürftig sind, nach Aussagen des Berliner Reproduktionsmediziners Dr. Peter Sydow etwa 5.000 EURO bei drei IVF-Versuchen zuzahlen.

Ein Verstoß gegen die Verfassung?
„Die Möglichkeit der Familiengründung wird für diejenigen Paare eingeschränkt, die aus medizinischen Gründen auf eine künstliche Befruchtung angewiesen sind und nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, um diesen Wunsch in die Tat umzusetzen,“ sagt Dr. Helge Sodan, Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht und Professor an der FU Berlin. Als verfassungsrechtlich besonders kritisch bezeichnet Sodan den Ausschluss von unverheirateten Paaren und von unter 25jährigen Frauen aus der Kostenübernahme der GKV. Zu beiden Punkten erwartet Sodan demnächst Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Viele Ärzte halten die 50prozentige Eigenbeteiligung der Kinderwunsch-Paare außerdem für extrem ungerecht, denn die Zuzahlungen seien unzumutbar hoch.

Kontroverse Diskussionen
Für den Juristen Sodan ist klar, dass die Krankenversicherung und nicht der Staat für die Kosten aufkommen soll. Dr. Erika Ober, Ärztin und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete meint, dass die Finanzierungsfrage nicht von Juristen, sondern den Politikern entschieden werden muss. Sie ist der Ansicht, dass die künstliche Befruchtung von der GKV oder aus Steuermitteln finanziert werden sollte - schließlich ginge es hier um eine familienpolitische Dimension und Kinder sind dringend erwünscht. „Die Eigenbeteiligung ist nicht geeignet, die vom Gesetzgeber beabsichtigte Finanzstabilität der GKV zu sichern“, erklärt Helge Sodan. „Dadurch wird die Finanzierungslücke nicht geschlossen, sondern erweitert, indem der Zeugung neuer Beitragszahler durch die künstliche Befruchtung zu hohe Hürden in den Weg gesetzt werden, dass sich die wenigsten Paare eine Behandlung leisten können.“

Gibt es praktikable Vorschläge?
Für Dr. Peter Sydow ist es ein Ärgernis, dass drei IVF-Versuche jeweils zur Hälfte selbst finanziert werden müssen. Seiner Meinung nach könnte die GKV den ersten Versuch vollständig und zwei weitere jeweils zu einem Viertel übernehmen. Zumutbar wäre auch eine 50prozentige Eigenbeteiligung an den Arzt- und Laborleistungen, insbesondere dann, wenn beide Partner behandlungsbedürftig sind. Dafür würden etwa 500 bis 700 EURO anfallen.

Mit diesen Ausführungen möchte der Berufsverband der Frauenärzte auf ein brisantes Thema hinweisen und die Gesundheitspolitiker dringend auffordern, eine zumutbare Lösung zu finden.

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) Maria-E. Lange-Ernst, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Pettenkoferstr. 35, 80336 München Telefon: (089) 244466-0, Telefax: (089) 244466-100

(bl)

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