M+E: Siegeszug der Informationstechnologien - Zauberwort Integration
(Köln) - Die neuen Informations- und Kommunikationstechniken werden die Metall- und Elektro-Industrie in den kommenden Jahren tiefgreifend verändern. Das wird Auswirkungen auf die Tarifpolitik haben. Das Flächentarifsystem mit dem Grundsatz, möglichst vieles für alle Firmen im Arbeitgeberverband starr zu regeln, muss modernisiert werden.
Wenn es um die künftige Entwicklung der Deutschen Metall- und Elektro-Industrie (M+E-Industrie) geht, drängt sich schnell ein Vergleich mit dem bekannten Hütchenspiel auf: Geht es vom M (Metall) zum E (Elektro), oder vom E zum M, oder gleichzeitig weg von beiden zur IKT, zur Informations- und Kommunikationstechnologie?
Für Martin Kannegiesser, den neuen Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, ist die Richtung bereits klar: "Die Einbindung der neuen Informations- und Kommunikationstechniken verdrängt nicht das M+E, sondern ergänzt es und macht die Metall- und Elektro-Industrie im Ergebnis wettbewerbsfähiger. Das neue Zauberwort heißt Integration."
Kannegiesser weiß, wovon er spricht. Als Inhaber und Geschäftsführer eines Maschinenbau-Unternehmens mit rund 800 Mitarbeitern ist er bereits seit den 80er Jahren damit beschäftigt, die Elektronik in die Produkte zu integrieren, also M+E zusammenzuführen, hin zur Mechatronik. Das offizielle Berufsbild des Mechatronikers gibt es dagegen erst seit zwei Jahren.
Nun geht es ihm darum, auch die Informations- und Kommunikationstechnologie in die Produkte, den Produktionsprozess und den Kundenservice einzubauen. In kaum einer anderen Branche der Metall-Industrie haben die old economy und die new economy eine derartige Verschmelzung erreicht, wie im Maschinenbau, einer Welt der Spezialmärkte und der kleinen und mittleren Firmen.
Der heutige Maschinenbauer, so Kannegiesser, sei inzwischen auch ein Mechatronik-Hersteller, der die anspruchsvollen Softwareprogramme im eigenen Haus entwickele. "Er kann sich mit größerem Recht Hochtechnologie-Unternehmen nennen als mancher PC-Hersteller, dessen Herstellertätigkeit im Zusammenbau eingekaufter Komponenten besteht." Dies träfe besonders auf den Spezialmaschinenbau zu, bei dem sich vor allem die frühere Grenze zwischen Industrie und Dienstleistungen verwischen würde.
Ein tiefgreifender Wandel hat damit die Branche gepackt. Viele Unternehmen arbeiten an neuen Dienstleistungsangeboten für ihre Kunden. "Der Maschinenbau alleine", so Kannegiesser, "reicht nicht mehr - wir müssen die gesamte Technikbetreuung vollständiger Systeme anbieten. Multimedia hält bei uns Einzug, beispielsweise über Teleservice, Datenbankdienste sowie Betriebsdatenmanagement bei unseren Kunden." Bereits heute fallen in der M+E-Industrie rund 42 Prozent sämtlicher Vorleistungen auf den industrienahen Dienstleistungsbereich - 2005, so die Schätzung, werden es bereits 48 Prozent sein.
Dafür sind erhebliche Investitionen notwendig: in die Organisation, in Softwareprogramme, vor allem aber in die Qualifizierung der Mitarbeiter - dazu zählt auch die Vermittlung sozialer Kompetenz. Kennzeichnend für die Unternehmen von morgen wird sein:
- eine wachsende Bedeutung des Humankapitals,
- Führungsprinzipien, die auf flache Hierarchien und vernetzte Strukturen setzen,
- eine Unternehmensorganisation, die weniger auf Status- und mehr auf Prozessorientierung ausgerichtet ist,
- eine stärkere Beteiligung des Einzelnen an Arbeitsabläufen,
- Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg und am Unternehmenskapital.
All das hat bereits heute schon weitreichende Auswirkungen und in manchen Fällen zu schmerzhaften Umstrukturierungen in den Betrieben geführt. Betroffen ist auch die Tarifpolitik. "Unsere klassischen Tarifverträge", so Kannegiesser, "sind für die Bewältigung solcher Entwicklungen nicht geeignet. Die Forderung muss daher zwingend lauten, den Betrieben mehr Differenzierungsmöglichkeiten und damit mehr eigene Gestaltungsspielräume zu geben."
Ohne diese Differenzierungsmöglichkeiten, das hatte in den letzten Jahren der frühere Gesamtmetall-Präsident Werner Stumpfe immer wieder deutlich gemacht, "wird das heutige Flächentarifvertragssystem nicht überlebensfähig sein". Vor allem die Entgeltsysteme müssen sich den neuen prozessorientierten Arbeitsformen anpassen. Nicht mehr nur die Einzeltätigkeiten sind entscheidend, sondern die Arbeitsbereiche.
In Anbetracht der historischen Arbeitsbeziehungen, die immer noch tief im kulturellen und sozialen Bewusstsein der Gesellschaft verankert sind, wären Radikallösungen nach Ansicht der Arbeitgeber unangebracht und kontraproduktiv. "Die zwangsläufig stärkere Verschiebung von Regelungsebenen hin zu den Betrieben bei gleichzeitiger Pflege des Rahmens und der Grundsätze des Flächentarifs", so Kannegiesser, "muss zu einem neu akzentuierten Selbstverständnis der Tarifvertragsparteien führen."
Der neue Gesamtmetall-Präsident sieht die Tarifvertragsparteien zukünftig in einer Doppelrolle: Normgeber und Begleiter der jeweiligen Betriebspartei bei deren Umsetzung. Für die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie ergäben sich daraus vielfältige Zukunfts-Aufgaben. "Zur Verwirklichung dieser Ziele", so Kannegiesser, "sind auch in den Verbänden Anpassungssperren zu durchbrechen, Zuordnungsprobleme zu lösen und Verbandsstrukturen zu verbessern."
Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.V. (Gesamtmetall)
Volksgartenstr. 54 a, 50677 Köln
Telefon: 0221/33990
Telefax: 0221/3399233
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