Medien- und Wirtschaftsverbände zur EU-Anhörung "Electronic Commerce: Jurisdiction and Applicable Law" 4./5. November in Brüssel
(Berlin) - Die von der EU beabsichtigte Neuregelung der internationalen Gerichtszuständigkeit für Verbrauchersachen verlässt anerkannte Grundlagen des Internationalen Zivilprozessrechts. Dieser Auffassung ist der Professor für Informationsrecht, Gerald Spindler (Universität Göttingen). Der bislang geforderte enge Bezug zur Rechtsordnung des jeweiligen Staates werde in der Neuregelung aufgelöst. Die Bestimmung des Verbrauchergerichtsstandes in der geplanten Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen allein durch das Abstellen auf jede berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gehe weit über den bislang geltenden Rechtszustand hinaus, so die Kernaussage des Rechtsgutachtens, das Spindler im Auftrag führender
deutscher Medien- und Wirtschaftsverbände erstellt hat.
Anlässlich der Kommissionsanhörung "Electronic Commerce: Jurisdiction and Applicable Law" in Brüssel präsentierte ein Sprecher der Verbände das Rechtsgutachten der Öffentlichkeit. Aus Sicht der Verbände sind Bestrebungen der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten der EU, im Bereich der Verbraucherverträge die Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Verbrauchers erheblich auszuweiten, sehr bedenklich. In Abweichung vom bisherigen Art. 13 Nr. 3 des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens soll in Art. 15 Abs. 1 c) und Art. 16 der geplanten Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen folgendes bestimmt werden:
Der Gerichtsstand für Verbraucherverträge kann künftig am Ort des Wohnsitzes des Verbrauchers liegen, wenn der andere Vertragspartner in dem Staat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit betreibt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
Würde Art. 15 der geplanten Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen in Kraft treten, so müsste jeder kommerzielle Anbieter, der eine weltweit abrufbare Website im Internet eingerichtet hat, künftig damit rechnen, in jedem beliebigen europäischen Staat von einem Verbraucher verklagt werden zu können. Dies sei nicht akzeptabel, denn das bloße Betreiben einer Website könnte schon als Aktivität gewertet werden, die auf diesen Staat abzielt. Damit wird die Gerichtszuständigkeit in Verbrauchersachen praktisch grenzenlos ausgeweitet. Dies würde sich besonders für kleine und mittlere Unternehmen, die im Internet aktiv werden wollen, als Investitionshemmnis erweisen. Denn die mit der Ausweitung der Gerichtszuständigkeit in Verbrauchersachen verbundenen Risiken wären für solche Unternehmen unüberschaubar. Sie würden davon absehen, ihre Produkte oder Dienstleistungen im Internet anzubieten, was sich zu Lasten der europäischen Verbraucher auswirken würde. Dem Verbraucherschutz beim Electronic Commerce ist nach Ansicht der Verbände viel besser gedient, wenn schnelle und effiziente Online-Schiedsstellen eingerichtet würden.
Ein Vertreter der Verbände forderte in der Anhörung ferner die rasche Verabschiedung der sogenannten E-Commerce-Richtlinie ohne weitere Einschränkungen des in Art. 3 der Richtlinie niedergelegten Ursprungslandsprinzips. Die Rechtmäßigkeit von Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr könne am besten von nationalen Instanzen am Ursprungsort überwacht werden und diene zugleich der Sicherung und Ordnung des gemeinsamen Marktes und der Förderung der Entwicklungsmöglichkeiten des elektronischen Geschäftsverkehrs insgesamt. Die Aufnahme weitreichender Ausnahmevorschriften zu diesem Grundsatz entwerte die Richtlinie zu einer "Hülle ohne Kern", so der Sprecher.
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BDZV Herr Dr. Holger Paesler, Tel. 0228 - 8100416,
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VDZ Herr Dr. Arthur Waldenberger, Tel. 0228 - 3820327,
VPRT Herr Thorsten Grothe, Tel. 0228 - 9345038
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