Mehrwertsteuer: Aufwendige Verwaltungsschritte bei grenzüberschreitender Tätigkeit fallen weg
(Berlin) - Am 16. und 17. Oktober 2000 haben sich in Luxemburg die Wirtschafts- und Finanzminister der Euro-Gruppe sowie die EU-Räte "Wirtschaft und Finanzen" und "Justiz und innere Angelegenheiten" getroffen.
Der Rat "Wirtschaft und Finanzen" hat die Änderung der Bestimmung eines Mehrwertsteuerschuldners verabschiedet. Bisher mussten Unternehmen, die ohne Gründung einer Niederlassung in anderen Mitgliedstaaten geschäftlich tätig werden, einen sogenannten Mehrwertsteuerschuldner bestimmen. Dieser musste gegenüber den Steuerbehörden des Bestimmungslandes für die Abführung der dort erwirtschafteten Umsatzsteuern haften. Dieses komplizierte Verfahren fällt nunmehr weg. In Zukunft soll das Ursprungslandprinzip eingeführt werden, nachdem die Unternehmen nur noch im EU-Mitgliedstaat ihres Firmensitzes ihre Steuern melden müssen. Für grenzüberschreitend tätige KMU ist dies eine bedeutende Erleichterung. Die geänderte Richtlinie muss nun bis zum 31. Dezember 2001 in nationales Recht umgesetzt werden.
Nachdem im letzten Jahr die Verhandlungen über die Einführung eines Einheitlichen Mehrwertsteuersystems gescheitert waren, hatte die Kommission im Juni 2000 eine neue Mehrwertsteuerstrategie bekannt gegeben. Diese Strategie hat die schrittweise Verabschiedung der bereits vorgelegten Richtlinienvorschläge bis 2001 zum Ziel. Das langfristige Ziel eines einheitlichen Mehrwertsteuersystems besteht weiterhin. Der Rat will als nächstes den Richtlinienvorschlag zum Vorsteuerabzug verabschieden.
EU will gegen Finanzkriminalität härter vorgehen
Am 17. Oktober 2000 kamen die Wirtschafts- und Finanzminister zusammen mit den Justiz- und Innenministern zum sogenannten "Jumbo"-Rat zusammen. Auf der Tagesordnung stand u.a. die Verabschiedung eines Maßnahmenkatalogs zur Bekämpfung von Finanzkriminalität. Der Rat hat beschlossen, mit 15 bisher unkooperativen Drittstaaten und Gebieten Verhandlungen über die Umsetzung von Regeln zur Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung aufzunehmen. Diese Staaten sollen die Identität der wirtschaftlich Begünstigten feststellen und bei Geldwäscheverdacht mit den Europäischen Behörden zusammenarbeiten. Sollten sich die Staaten gegen eine Kooperation sträuben, will die EU zu Sanktionen greifen.
Vorgesehen sind hier systematische Finanzkontrollen aller Transaktionen aus den betreffenden Ländern sowie verschärfte Identitätskontrollen von Personen, die in diesen Staaten ansässig sind und in der EU Konten unterhalten. In drastischen Fällen soll der Finanzverkehr mit diesen Ländern eingeschränkt werden.
Als nicht-kooperativ werden zur Zeit Liechtenstein, Russland, Israel, Panama, die Philippinen, der Libanon und verschiedene Karibische Inselstaaten eingestuft. Das Bankgeheimnis soll künftig nicht mehr als Einwand gegen eine Zusammenarbeit bei strafrechtlichen Ermittlungen gelten.
Einigung über Standards für Investmentfonds
Die Wirtschafts- und Finanzminister haben sich informell auf die letzten Änderungen der sogenannten OGAW-Richtlinie von 1985 geeinigt. Diese Richtlinie betrifft europaweite Regelungen für Fondsgesellschaften, die im Fachjargon als Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) bezeichnet werden. Die EU ist der Ansicht, dass der Binnenmarkt für Investmentfonds bisher nicht verwirklicht ist. Dies liegt u.a. an den unterschiedlichen nationalen Regelungen, die einem einheitlichen Markt entgegenstehen.
Ziel der Richtlinie ist es, den Fondsgesellschaften (OGAW) eine weitere Palette von Investitionsmöglichkeiten zu erschließen: Zukünftig sollen die Investmentfonds auch in Sichteinlagen, Geldmarktinstrumente und Derivate investieren dürfen.
Um die Investoren u.a. vor Geldverlusten zu schützen, müssen diese Anlagen allerdings jederzeit zu einem transparenten Marktwert veräußerbar sein. Außerdem werden sich die Investmentfonds mit bis zu 30% ihres Kapitals an nicht EU-standardisierten Fonds beteiligen dürfen.
Die Richtlinie soll zusammen mit der Richtlinie zur Aufsicht von Fondsgesellschaften zu einem späteren Datum verabschiedet werden. Für beide Richtlinien muss eine zweite Lesung im Europäischen Parlament erfolgen.
Steuerpaket
Der Vorsitzende des Rates "Wirtschaft und Finanzen", Laurent Fabius, gibt sich betont optimistisch, dass das Steuerpaket (Kapitalertragssteuer, Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung, Zinsen und Lizenzgebühren) auf der Ratssitzung vom 27. November 2000 verabschiedet werden könne. Dies scheint jedoch fraglich.
Zwar waren die Minister sich einig, bis zum Jahr 2009 die Quellensteuer abzuschaffen und durch ein Auskunftssystem zu ersetzen. Jedoch konnten sie sich noch nicht auf einen Mindestsatz für die bis zu diesem Zeitpunkt geltende Quellensteuer einigen. Während sich in Feira 10 der 15 Mitgliedstaaten für eine Bandbreite von 20 % bis 25% ausgesprochen hatten, wurde nun eine Spanne von 15 bis 25% angesprochen. Es muss ebenfalls geklärt werden, in welcher Höhe die Quellensteuer an den Herkunftsstaat des Sparers weitergeleitet werden soll. Die meisten Staaten bevorzugen einen Satz von 90%. Luxemburg ist mit diesen Sätzen nicht einverstanden und fordert, Investmentfonds aus dem Anwendungsbereich auszuschließen. Bereits unter portugiesischer Präsidentschaft hatte Großbritannien die Ausnahme von Euro-Bonds gefordert, und den Fortschritt der Verhandlungen blockiert. Die Schweiz hat ihrerseits bekannt gegeben, dass sie sich nicht an einem Informationsaustausch beteiligen wird. Für eine Quellensteuerregelung sei der Schweizer Wirtschaftsminister Couchepin verhandlungsbereit.
Zum Verhaltenskodex für wettbewerbsneutrale Unternehmensbesteuerung, dem zweiten Pfeiler des Steuerpakets, liegen bisher keine konkreten Schlussfolgerungen vor.
Mehrheitsprinzip bei Steuerfragen
Während sich die meisten Mitgliedstaaten im Ecofin-Rat für die Einführung des Prinzips der qualifizierten Mehrheitsabstimmung bei Fragen der Steuerhinterziehung und des -Betrugs aussprachen, sind Luxemburg, Großbritannien und Irland weiterhin Gegner einer solchen Lösung. Diese Bereiche seien nicht klar genug abgrenzbar, um in bestimmten Fällen zwischen der Anwendung von Einstimmigkeitsprinzip und Mehrheitsprinzip entscheiden zu können, so die Argumentation.
Die Minister diskutierten, ob im Bereich der Umweltsteuern zu qualifizierten Mehrheitsentschlüssen übergegangen werden kann. Auch hier konnte keine Einigung erzielt werden.
Genauso wenig konnten sich die Minister im Bereich der Besteuerung von e-commerce einigen. Streitpunkt ist der Besteuerungsort von außergemeinschaftlichen Wirtschaftsteilnehmern. Während der ursprüngliche Richtlinienvorschlag der Kommission die Gründung einer Niederlassung in einem einzigen Mitgliedstaat vorsieht, hat Frankreich die Registrierung in allen Mitgliedstaaten vorgeschlagen.
Euro-Gruppe beurteilt wirtschaftliche Entwicklung positiv
Die Wirtschafts- und Finanzminister der Euro-Gruppe gaben sich zuversichtlich bezüglich der Beurteilung der Wirtschaft im Euro-Raum. Sie schätzen das Wirtschaftswachstum mit 3,4% in diesem Jahr als robust ein, und sehen keine Bedrohung der Konjunktur durch den hohen Ölpreis. Der Euro habe weiterhin Aufwertungspotential.
Überschattet wurde das Treffen durch den Kurseinbruch des Euro. Als Grund für den Einbruch wurden die Äußerungen von EZB-Präsident Wim Duisenberg genannt. Der Holländer sprach sich gegen eine Intervention der EZB im Zusammenhang mit der Nahostkrise aus. Aufgrund der als ungeschickt beurteilten Äußerungen von Duisenberg, wurde über seinen Rücktritt spekuliert. Hierzu äußerten sich die Wirtschafts- und Finanzminister nicht.
Keine Unterstützung für Banken bei der Euro-Einführung
Am Ende der Sitzung betonten die Ratsteilnehmer erneut, dass die Banken die Kosten der Euro-Einführung selber tragen müssen. Die Mitgliedstaaten übernehmen ausschließlich die Kosten für die Euro-Herstellung. An die Banken und Unternehmen appellierten die Minister, die Einführung des Euro als Investition zu betrachten, die langfristig wirtschaftliche Vorteile in Form von Effizienzsteigerungen bringen werde.
Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH)
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