Pressemitteilung |

Nüssel fordert von der Berliner Politik Verlässlichkeit

(Berlin) - „Die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft ist fester Bestandteil des EU-Binnenmarktes. Dort sind die Raiffeisen-Genossenschaften als Vermarkter landwirtschaftlicher Produkte, aber auch als Lieferanten von Betriebsmitteln erfolgreich tätig. Sie exportieren z.B. Agrarerzeugnisse, haben Niederlassungen in EU-Mitgliedstaaten und kooperieren grenzüberschreitend.

Die von Bundesministerin Künast angekündigten zusätzlichen Auflagen und nationalen Produktionsstandards untergraben aber die Wettbewerbsfähigkeit unserer international tätigen Unternehmen“, kritisierte Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), bei der Mitgliederversammlung am 7. Juni 2001 in Berlin. Schwerpunkt der Veranstaltung war das Thema „Aufbruch aus der Krise – künftige Rahmenbedingungen für die Agrarwirtschaft“, zu dem EU-Kommissar Dr. Franz Fischler referierte.

Nüssel forderte, dass agrarpolitische Veränderungen EU﷓weit und vor allem im Gleichschritt zu erfolgen haben. Der mit der Agenda 2000 beschlossene Zeitrahmen bis 2006 muss auf jeden Fall Bestand haben. Denn die marktorientierten Genossenschaften sind für ihre unternehmerischen Entscheidungen auf kalkulierbare Rahmenbedingungen angewiesen. „Deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass in der EU mittelfristige Perspektiven gelten“, so Nüssel.


EU-Osterweiterung als Chance nutzen

Verstärkt werden Stimmen laut, die eine vorzeitige Überprüfung der Agenda-Beschlüsse wegen der geplanten EU﷓Osterweiterung fordern. Diese Argumentation hält der DRV-Präsident für falsch. Er ist vielmehr davon überzeugt, dass der schwierige Prozess der Osterweiterung transparent gestaltet werden muss. Nur so kann eine breite Zustimmung für diese große historische Aufgabe erzielt werden.

Angesichts der vielen offenen Fragen, die z. B. im Zusammenhang mit der Verteilung der EU﷓Strukturfonds zutage treten, bezweifelt Nüssel, dass die Beitrittsverhandlungen wie geplant bis Ende 2002 abgeschlossen werden. Nicht der Zeitdruck, sondern der Abbau der gravierenden strukturellen und sozio-ökonomischen Unterschiede zwischen der EU﷓15 und den Beitrittskandidaten sollen für die Osterweiterung ausschlaggebend sein.

Nüssel sieht in Mittel- und Osteuropa große Chancen für den Absatz hochveredelter Nahrungsmittel. „Als erfahrene Vermarkter landwirtschaftlicher Erzeugnisse sind unsere leistungsfähigen Unternehmen gefragt“, so Nüssel.

Bei den WTO-Verhandlungen hart bleiben

Der DRV setzt darauf, dass bei einer umfassenden WTO﷓Runde alle strittigen Handelsfragen geklärt werden. Dabei ist das europäische Modell der multifunktionalen Landwirtschaft zu verteidigen. Hinter diesem erklärten Ziel müssen alle EU﷓Mitgliedstaaten vorbehaltlos stehen. Das Verhandlungsmandat der EU﷓Kommission darf nicht unterlaufen werden.

Nüssel erwartet, dass bei den WTO-Agrarverhandlungen ein Ausgleich zwischen handelsbezogenen Aspekten – Marktzugang, Ausfuhrwettbewerb, interne Stützung – und nicht handelsbezogenen Anliegen – Umweltschutz, ländliche Räume, Lebensmittelsicherheit, Tierschutz – erzielt wird.

Konzepte zur Lebensmittelsicherheit und Rückverfolgbarkeit

BSE und MKS haben Fragen zu den Qualitätssicherungs- und Kontrollsystemen der Land- und Agrarwirtschaft aufgeworfen. Nüssel ist davon überzeugt, dass die steigenden Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln nur durch eine starke vertikale Integration aller am Fertigungsprozess Beteiligten – vom Stall bis zur Ladentheke – erfüllt werden können. Er setzt sich für eine engere Vernetzung und den Ausbau erfolgreicher Wertschöpfungsketten ein.

Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit sind das A und O der Nahrungsmittelherstellung – das gilt nicht nur für die Fleischwirtschaft. „Wir brauchen in Deutschland eine neue Vertragskultur, in die alle Stufen der Kette eingebunden sind. Es gibt bereits erfolgreiche Praxisbeispiele für Qualitätssicherung und lückenlosen Herkunftsnachweis. Das Rad der Lebensmittelproduktion muss also nicht neu erfunden werden“, so Nüssel.

Die Genossenschaften mit ihrer engen Bindung zu den landwirtschaftlichen Erzeugern gewährleisten den lückenlosen Herkunftsnachweis sowie kurze Produktions- und Vermarktungswege. Sie sind mit ihren Qualitäts- und Vertragskonzepten Vorreiter und bauen diese weiter aus. „Wenn das gelingt, werden wir im Wettbewerb mit den durchgängig organisierten Produktions- und Vermarktungssystemen der Niederlande und Dänemarks erfolgreich sein“, so Nüssel.

Entwicklung im ersten Quartal 2001

Die 3 847 Raiffeisen-Genossenschaften, die vom DRV vertreten werden, erzielten im Jahr 2000 addierte Umsätze in Höhe von 75,4 Mrd. DM. Das Ergebnis liegt um ca. 4 % über dem Vorjahresergebnis. Diese Umsätze stammen zum einen aus Großhandelsaktivitäten und zum anderen aus kapitalintensiver Verarbeitung mit hohem Wertschöpfungsanteil. Positiv wertete Präsident Nüssel die fortschreitende Bündelung der wirtschaftlichen Kräfte. Fusionen wurden vollzogen und Kooperationen ausgebaut. Die Agrarexporte der Genossenschaften stiegen auf über 5,8 Mrd. DM (+ 1,4 %). 3,7 Mrd. DM entfielen auf Milchprodukte, 1,3 Mrd. DM auf den Vieh- und Fleischsektor.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von BSE und MKS sind mittlerweile genauer abzuschätzen. Der Rindfleischkonsum in Deutschland steigt langsam wieder, bleibt aber mit 20 bis 30 % noch deutlich unter der Vorjahreslinie. Die Fleischwirtschaft, die ohnehin mit Überkapazitäten zu kämpfen hat, wird durch zusätzliche Kosten, u. a. für die BSE-Tests und die Entsorgung von Nebenprodukten, stark belastet. Bei Kuhfleisch macht das rd. 0,60 DM/kg bzw. 200 DM/Tier aus. Positiv zu werten ist aber, dass ein Teil dieser Mehrkosten im Markt umgesetzt werden konnte. „Ich gehe davon aus, dass unsere Unternehmen die finanziellen Einbußen der BSE- und MKS-Krisen aus eigener Kraft bewältigen“, so der DRV﷓Präsident.

Die Milchwirtschaft konnte im Frühjahr 2001 notwendige Preiserhöhungen für Konsummilch und Milchfrischprodukte im Lebensmittelhandel durchsetzen. Insgesamt ist die Marktlage in dieser Sparte stabil. Dazu trägt vor allem der dynamische Anstieg des Käseverbrauchs bei. Der Eurokurs begünstigt nach wie vor die Drittlandsexporte. In einigen Regionen Deutschlands, vor allem in Süddeutschland, ist ein Wettbewerb um den Rohstoff Milch entbrannt. Die Erzeugerpreise lagen im ersten Quartal 2001 rd. 8 % über dem Vorjahreswert.

Raiffeisen im Wandel: Neues DRV-Leitbild vorgelegt

Zur Mitgliederversammlung legte der Verband sein neues Leitbild vor. Das sich rasant wandelnde Umfeld und die Herausforderungen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an die Tätigkeit eines Bundesverbandes machten diese Positionsbestimmung erforderlich.

Im Mittelpunkt des Anforderungsprofils stehen die Ziele und Aufgaben des Verbandes. Beschrieben werden sowohl die Interessenvertretung gegenüber Politik und Öffentlichkeit als auch die Dienstleistungen für die DRV-Mitglieder. Die Vermittlung gemeinsamer genossenschaftlicher Werte und die Mitgliederförderung zählen ebenso zum Engagement des DRV wie die Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Raiffeisenverband e.V. (DRV) Adenauerallee 127 53113 Bonn Telefon: 0228/1060 Telefax: 0228/106266

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