Pressemitteilung | Bayerische Ingenieurekammer-Bau

Presseerklärung zu den Ursachen des Einsturzes der Eissporthalle in Bad Reichenhall veröffentlicht / Bauingenieure schlagen Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit vor

(München) - Am 02. Januar 2006 stürzte das 1971/1972 errichtete Eissportstadion Bad Reichenhall ein. 15 Tote und eine große Zahl von Verletzten waren zu beklagen. Das Gutachten zum Einsturz der Eissporthalle liegt nunmehr vor. Die Staatsanwaltschaft hat gemeinsam mit den Gutachtern der Technischen Universität München und dem TÜV Süd, die im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Ursachen des Unglückes erforscht haben, heute eine Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse veröffentlicht. Darauf basierend schlagen der Verband Beratender Ingenieure Landesverband Bayern, die Vereinigung der Prüfingenieure in Bayern und die Bayerische Ingenieurekammer-Bau einen Katalog von Maßnahmen vor, die die Sicherheit bei Neu- und Bestandsbauten erhöhen.

Das Unglück in Bad Reichenhall wurde der veröffentlichten Presseerklärung zufolge durch eine Verkettung mehrerer Einflüsse verursacht:

Bei der Dachkonstruktion wurde mit den Kastenträgern der zugelassenen Bauweise abgewichen; die gewählte Konstruktion hat den damaligen Erfahrungsbereich wesentlich überschritten. Eine Sondergenehmigung der Obersten Baubehörde hierfür („Zustimmung im Einzelfall“) wurde offensichtlich nicht beantragt.
Bei den in der Dachkonstruktion verwendeten Holzleimbindern wurde ein feuchtigkeitsempfindlicher Leim verwendet.
Ungünstige bauphysikalische Randbedingungen (Kondenswasserbildung trotz ausreichender Belüftung; dies stellt einen Sonderfall bei Eissporthallen dar, was 1971 noch nicht bekannt war) haben den Leim geschädigt.
Der Leim wurde in sehr breiten Fugen verwendet (Blockverleimung); der verwendete Leim war dafür auch damals nicht zulässig.
Die Qualität der Verleimung war zum Teil mangelhaft.
Bei der statischen Berechnung wurden Fehler gemacht, die das angestrebte Sicherheitsniveau deutlich reduzierten (angestrebter Sicherheitsbeiwert 2,0 - erreichter Sicherheitsbeiwert 1,5).
Die Konstruktion war ein Sondervorschlag der ausführenden Firma. Die dazu gehörige Statische Berechnung wurde nicht von einem Prüfingenieur geprüft (das 4-Augen-Prinzip wurde nicht angewandt).
Hohe Schneelast im Winter 2005/2006 (die nicht höher war als die in der statischen Berechnung berücksichtigte Schneelast).
Eine intensive fachgerechte Überprüfung der Dachkonstruktion der Halle hat seit dem Bau in den Jahren 1971/72 offensichtlich nicht mehr stattgefunden. Dabei wären Schädigungen der Klebefugen aufgefallen, die wahrscheinlich weitere Untersuchungen zur Folge gehabt hätten. Wassereinbrüche durch die schadhafte Dachabdichtung und Entwässerung wurden nicht dauerhaft beseitigt.

Unmittelbar nach dem Unglück in Bad Reichenhall wurden von Seiten der beteiligten Fachwelt zahlreiche Maßnahmen initiiert, um die Sicherheit bei Neu- und Bestandsbauten künftig deutlich zu erhöhen. Bei der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern sowie bei der ARGE-Bau (Bauministerkonferenz) wurden Arbeitskreise ins Leben gerufen, die Handlungsanweisungen für die wiederkehrende Überprüfung der Standsicherheit von Hochbauten erarbeitet haben. Zahlreiche Hochschulen sind in diesem Bereich nun forschend tätig. Kommunen und private Hallenbetreiber haben Programme zur Überprüfung ihrer Bauwerke gestartet.

Wer ist zuständig für die Sicherheit von Hochbauten?

Die Bayerische Bauordnung legt fest, dass Bauwerke nach den anerkannten Regeln der Technik geplant und gebaut werden müssen. Dabei müssen geeignete Materialien und Verfahren verwendet werden. Außerdem ist festgelegt, dass Bauwerke instand gehalten werden müssen.

Zuständig für die Sicherheit eines Bauwerkes ist der Eigentümer und/oder der Nutzer. Er trägt die Verantwortung und somit auch das Risiko. Er bedient sich hierfür der Hilfe von qualifizierten Bauingenieuren. Die Bauaufsichtsbehörden genehmigen und überwachen (stichprobenartig) die Maßnahmen hinsichtlich der öffentlichen Belange (z.B. Sicherheit). Der Prüfingenieur überprüft die statischen Planungsunterlagen. Eine absolute Kontrolle ist aber nicht möglich und im Sinne einer Liberalisierung und Verschlankung des Staates auch nicht angestrebt.

Welche Folgerungen müssen aus dem Unglück in Bad Reichenhall gezogen werden?

Die Bauingenieure fordern zur Gewährleistung der Sicherheit von Bauwerken:

Wiederkehrende Überprüfung der Standsicherheit von Hochbauten durch besonders qualifizierte Bauingenieure.
Beauftragung eines unabhängigen Bauingenieurs für die Planungs- und Überwachungsleistungen von allen Neubauten.
Konsequente Anwendung des 4-Augen-Prinzip durch unabhängige Prüfingenieure bei der Planung und Ausführung.
Bereitstellung ausreichender Planungszeit und angemessener Honorare.
Verpflichtende Einführung eines Bauwerksbuchs, in dem die wesentlichen Daten und Unterlagen der Bauwerke sowohl für Neubauten als auch für den Gebäudebestand aufbewahrt werden. Zwingende Reaktion auf das Unglück in Bad Reichenhall

In der Presseerklärung zu den Ursachen des Halleneinsturzes in Bad Reichenhall wird erläutert, dass bei Eissporthallen und anderen Hallen mit Eisflächen eine Kondenswasserbildung auch bei guter Belüftung auftreten kann. Diese Erkenntnis ist neu. Sie zwingt dazu, unverzüglich – also noch vor dem nächsten Winter – alle Eissporthallen und Hallen mit vergleichbaren Holzkonstruktionen besonders zu untersuchen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerische Ingenieurekammer-Bau Harald Link, PR-Referent Nymphenburger Str. 5, 80335 München Telefon: (089) 419434-0, Telefax: (089) 419434-20

(bl)

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