Pressemitteilung |

Reaktionen auf Attentate gefährden Menschenrechte weltweit

(Bonn) - Auch nach den furchtbaren Anschlägen in New York und Washington dürfen Schock und Entsetzen Regierungen nicht dazu verleiten, Maßnahmen zu ergreifen, die zu weiteren Menschenrechtsverletzungen führen. Das macht die Menschenrechtsorganisation amnesty international deutlich, die heute einen ersten Bericht über die Auswirkungen der Anschläge auf die Menschenrechte vorlegt.

So sind in mindestens zehn Ländern Muslime und Menschen mit arabischer oder asiatischer Herkunft oder Aussehen angegriffen worden. Der Bericht zeigt weiter, dass es bereits Anzeichen dafür gibt, dass Maßnahmen, die mit dem Kampf gegen Terrorismus gerechtfertigt werden, zu Einschränkungen der bürgerlichen und politischen Rechte führen können. "Das Entsetzen über die Anschläge darf nicht dazu führen, dass einzelne Gruppen im Namen der Terrorbekämpfung zu Opfern werden", betont Dr. Iris Schneider, Sprecherin der deutschen Sektion von amnesty international.

In Europa planen die Regierungen Gesetze und Maßnahmen, die zu einer Bedrohung für die Freiheitsrechte ihrer Einwohner werden können. Auch die Regelungen, die zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen dienen, sind in Gefahr, von den geplanten Maßnahmen aufgehoben zu werden. In einigen Ländern werden Schritte zur Bekämpfung illegaler Einwanderung diskutiert, die Flüchtlingsrechte aushöhlen würden. Die Europäische Union will die Definition des Begriffs Flüchtling neu fassen und könnte damit gegen die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 verstoßen.

In der Folge der Anschläge ist es zu einer Welle rassistischer Gewalttaten gekommen. Männer und Frauen jeden Alters sind beschimpft und attackiert worden, weil sie durch ihre tatsächliche oder vermeintliche Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Nationalität direkt mit den Attentaten in Verbindung gebracht wurden. Trotz der Aufrufe zu Toleranz und Zurückhaltung
wurden allein in den USA in den zurückliegenden Wochen 540 Angriffe auf arabischstämmige Amerikaner und 240 auf Sikhs registriert. In Polen, Indien, Großbritannien und Dänemark wurden Moscheen und Hindu-Tempel angegriffen.

In einer Reihe von Ländern (Mexiko, Brasilien und Paraguay) wurden Menschen
muslimischer oder arabischer Herkunft festgenommen, weil sie verdächtigt
wurden, Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen zu haben. amnesty
international befürchtet, dass es bei diesen möglicherweise willkürlichen
Inhaftierungen auch zu Misshandlungen gekommen sein könnte.

Die Organisation ist zudem ist in großer Sorge, dass Teile der afghanischen Bevölkerung von Menschenrechtsverletzungen bedroht sind. Vor allem Angehörige von nicht-paschtu-Minderheiten, die im Herrschaftsgebiet der Taliban leben, sind gefährdet, weil sie beschuldigt werden könnten, mit der gegnerischen Nord-Allianz zu sympathisieren.

"Wenige Wochen nach der UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus müssen wir beobachten, dass viele Menschen angegriffen und diskriminiert werden, weil sie einer bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppe angehören", sagt Iris Schneider. "Und während die Weltöffentlichkeit noch mit den jüngsten Ereignissen beschäftigt ist, können Regierungen den Druck auf ihre politischen Gegner erhöhen".

Äußerungen der chinesischen Regierung lassen amnesty international befürchten, dass die Behörden die Ereignisse des 11. September dazu nutzen wollen, ihren Druck auf ethnische Gruppen zu erhöhen, die verdächtigt werden "Separatisten", "Terroristen" oder "religiöse Extremisten" zu sein. Dazu gehören vor allem Muslime in der Autonomen Uigurischen Republik
Xinjiang (Sinkiang). Auch die Regierung von Usbekistan könnte die gegenwärtige Situation dazu nutzen, jede Form islamischer Opposition brutal zu unterdrücken.

Angesichts dieser beunruhigenden Tendenzen fordert amnesty international alle Regierungen auf, die Rechte aller Einwohnerinnen und Einwohner gleichermaßen zu schützen und klarzustellen, dass sie rassistische Übergriffe in keinem Fall tolerieren werden.

amnesty international fordert deshalb alle Regierungen auf, sicherzustellen, dass:

- bei ihren Reaktionen auf die Attentate vom 11. September die Rechte aller Menschen geachtet werden;

- alle geplanten gesetzgeberischen Maßnahmen den Schutz der Menschenrechte beachten;

- Asylsuchende geschützt werden und ein faires Asylverfahren erhalten;

- niemand in ein Land abgeschoben wird, in dem er oder sie von
Menschenrechtsverletzungen bedroht ist;

- rassistische Übergriffe verurteilt und die Verantwortlichen vor Gericht
gestellt werden.

"Es kann keinen Zweifel geben, dass Regierungen ihre Bürger vor drohenden
Anschlägen schützen müssen. Die Maßnahmen, die sie dazu ergreifen, dürfen
jedoch nicht zu weiteren Menschenrechtsverletzungen führen", sagt Iris
Schneider.

Quelle und Kontaktadresse:
amnesty international Sektion der BRD e.V., Gst. Bonn 53108 Bonn Telefon: 0228/983730 Telefax: 0228/630036

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