Pressemitteilung | Volkssolidarität Bundesverband e.V.

Schluss mit Kürzungen der Alterseinkommen und Sozialabbau

(Berlin) - Erklärung des Präsidenten der Volkssolidarität, Professor Gunnar Winkler, zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 12.11.2005: Die Große Koalition beginnt ihre Amtszeit mit massiven Eingriffen in die Alterseinkommen und weiterem Sozialabbau. Dagegen erhebe ich im Namen der Mitglieder der Volkssolidarität schärfsten Protest.

Skandalös ist das Vorhaben, Empfängern von Arbeitslosengeld II den Beitrag zur Rentenversicherung von jetzt 78 auf 40 Euro monatlich herunter zu kürzen und dadurch zwei Milliarden Euro einzusparen. Damit erbringt ein Jahr ALG-II-Bezug für die Betroffenen künftig einen Rentenanspruch von nur noch 2,15 statt 4,26 Euro pro Monat. Wir warnen auch davor, Arbeitslose ab 60 Jahren wieder verstärkt in eine durch Abschläge lebenslang um 18 Prozent gekürzte Rente zu zwingen. Solche Maßnahmen fördern Altersarmut, deren Kosten später wieder durch die Allgemeinheit ausgeglichen werden müssen. Die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre ab 2012 stellt eine weitere Rentenkürzung dar, im ungünstigsten Fall von bis zu 10 Prozent. Sie ist nicht akzeptabel. Sie schadet künftigen Rentnern, vor allem denen, die schon heute keine Arbeit mehr finden, und trägt nicht dazu bei, die Finanzbasis der Rentenversicherung zu stärken. Gleichzeitig sollen die Beiträge 2007 angehoben werden, während die Rentenleistung weiter sinkt.

Nur 40 Prozent der 55- bis 65-Jährigen sind heute noch in einer Erwerbstätigkeit. Nur 30 Prozent der 65-Jährigen erreichen direkt aus der Erwerbstätigkeit die Regelaltersrente, in Ostdeutschland sogar nur 10 Prozent. Statt einer Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre und gekürzter Zwangsrente mit 60 brauchen wir zusätzliche Möglichkeiten, aus der Arbeit in die Rente zugehen. Anstatt für dieses Problem wirksame Lösungen anzustreben, sieht die Koalition im Wesentlichen nur eine Weiterführung bisheriger Instrumente vor.

Die Volkssolidarität fordert die Große Koalition auf, ein umfassendes Programm zur Schaffung existenzsichernder Arbeit für über 50-Jährige vorzulegen. Dieses Programm muss vor allem Arbeit für Ältere im ersten Arbeitsmarkt schaffen. Es sollte Weiterbildungsmöglichkeiten für Ältere, gesundheitsfördernde Maßnahmen, rechtlich verbindliche Ansprüche auf Eingliederungshilfen und –zuschüsse sowie öffentlich geförderte Beschäftigung für ältere Arbeitnehmer einschließen. Die pure Ausweitung von „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ (Ein-Euro-Jobs) betrachten wir als ungeeignete Perspektive, da sie für die Betroffenen entwürdigend ist und Armut nicht verhindert. Notfalls müssen größere Unternehmen gesetzlich verpflichtet werden, Kosten für die unzureichende Beschäftigung Älterer zu übernehmen, die bisher von der gesamten Gesellschaft getragen werden.

Die Entscheidung der großen Koalition, die Mehrwertsteuer deutlich anzuheben, ist unsozial. Sie trifft vor allem Geringverdiener, Familien mit Kindern, Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner sowie Erwerbslose. Da weder die Renten noch andere Sozialleistungen erhöht werden sollen, werden die Einkommen der genannten Gruppen real zurückgehen. Erwerbstätige müssen ebenfalls mit Einbußen rechnen. Diese Entwicklung trägt dazu bei, die Massenkaufkraft zu beschneiden und weitere Arbeitsplätze zu vernichten.

„Reiche“ höher zu besteuern, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Umfang dieser höheren Lasten ist aber eng begrenzt – erwartet wird etwa eine Milliarde Euro – und kaum dazu angetan, von einer gerechten Lastenverteilung zu sprechen. Notwendig wäre stattdessen eine deutliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf mindestens 47 Prozent, die Einführung einer Vermögenssteuer sowie eine höhere Besteuerung großer Erbschaften. Diese Maßnahmen könnten wirksam zur Reduzierung der Haushaltsdefizite beitragen und Kürzungen im sozialen Bereich überflüssig machen.

Heute hat eine Rente in Höhe von 1.000 Euro über 63 Euro weniger Kaufkraft als im Jahr 2000. Dies ist das Ergebnis einer Politik, die ausschließlich auf Leistungskürzungen und Nullrunden setzte. Sie hat weder geholfen, die Wirtschaft anzukurbeln und neue Arbeitsplätze zu schaffen, noch hat sie die finanzielle Lage der Rentenkassen verbessert. Viele Rentnerinnen und Rentner müssen sich in einem Maße einschränken, das ihre gesellschaftliche Teilhabe in Frage stellt. Die Bereitschaft, sich mit ehrenamtlicher Tätigkeit für das Gemeinwohl einzubringen, wird gefährdet. Ein wachsender Teil der älteren Generation hat das Gefühl, an den Rand gestellt zu werden. Mit Sorge sehen wir auch, dass sich Tendenzen von Altersarmut wieder verstärken. Wir wollen nicht, dass immer mehr Menschen zu „Fürsorge“-Empfängern werden.

Die Volkssolidarität fordert die große Koalition und die Opposition dazu auf, alles dafür zu tun, damit sich die soziale Abwärtsspirale nicht weiter fortsetzt. Die Geschichte der Bundesrepublik, aber auch Erfahrungen europäischer Nachbarn zeigen, dass ein leistungsfähiger und zuverlässiger Sozialstaat die beste Garantie für eine funktionierende Demokratie ist. Im Interesse der Bürger und des Gemeinwesens muss diese Errungenschaft auch in Zukunft bewahrt und gesichert werden. Dafür setzt sich die Volkssolidarität weiterhin ein.

Quelle und Kontaktadresse:
Volkssolidarität Bundesverband e.V. Tilo Gräser, PR-Referent Alte Schönhauser Str. 16, 10119 Berlin Telefon: (030) 27897100, Telefax: (030) 27593959

(sk)

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