Schüler gehören nicht auf die Anklagebank / Gewalt an Schulen: BLLV-Präsident Albin Dannhäuser fordert in Nürnberg, Schulen endlich besser mit unterstützendem Personal auszustatten
(Nürnberg) - Die rigorosen Vorschriften zum Erlernen der deutschen Sprache für Ausländerkinder und zur Ausweisung besonders störender Schüler, die das Kabinett beschlossen hat, stoßen beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) auf ein zwiespältiges Echo. Völlig unverständlich ist es nach Auffassung des BLLV-Präsidenten, Albin Dannhäuser, dass Bewertungen über das Schülerverhalten in den neuen Grundschulzeugnissen gesetzlich festgeschrieben werden, obwohl das Kabinett Ende vergangenen Jahres eine Erprobungsfrist bis 2008 in Aussicht gestellt hatte. Bei einer Mitgliederversammlung des Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenverbandes stellte Dannhäuser fest: Selbstverständlich muss das Recht aller Schüler und Lehrer auf geordneten Unterricht geschützt werden. Die Schule braucht eine Handhabe gegen gewalttätige Störer. Aber auch schwer geschädigte Schüler gehören nicht auf die Anklagebank, sondern brauchen jede erdenkliche Hilfe und Unterstützung. Das Gleiche gilt für die Lehrkräfte: Unterrichten wird für immer mehr Lehrerinnen und Lehrer zum Stress. Sie werden zunehmend mit kritischen Situationen konfrontiert.
Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Staatsregierung gegen die nachhaltigen Unterrichtsstörungen einzelner vorgehen will - der eingeschlagene Weg ist aber pädagogisch keineswegs zufrieden stellend. Das Aus- und Wegsperren von Schülern ist keine pädagogische Lösung. Die Verantwortung wird lediglich auf die Jugendhilfe verlagert und eine Integration eher verhindert.
Die General-Vorschriften zum Erwerb der deutschen Sprache für ausländische Kinder lassen viele Fragen offen. Weder die Rückstellung vom Schulbesuch noch die Überweisung in Förderschulen sind befriedigende Lösungen. Unsere Förderschulen sind weder auf Grund ihres Bildungs- und Förderauftrages noch auf Grund fehlender Lehrer in der Lage, diese Aufgabe zusätzlich zu übernehmen.Bei den Grundschulzeugnissen lehnt der BLLV die Kategorisierung des Arbeits-, Lern- und Sozialverhaltens nach wie vor ab. Kinder dürfen nicht in Schubladen gesteckt werden, sagte Dannhäuser. Insbesondere muss Schluss sein mit dem aufwändigen und formal-perfektionistischen Protokollieren des Schülerverhaltens.
Dass Unterrichten Knochenarbeit ist, stellt heute wohl niemand mehr in Frage. Jeder weiß, dass sich die pädagogischen Probleme in den Schulen auftürmen und die Schulen nicht mehr in der Lage sind, alles, was die Gesellschaft anrichtet, zu richten. Dannhäuser: Die jüngsten Vorkommnisse - Gewalt an einer Berliner Hauptschule, Gewalt- und Pornovideos auf Schülerhandys - haben zwar alle aufgeschreckt, doch die entscheidende Frage ist, welche Unterstützung erhalten Lehrerinnen und Lehrer konkret? Nötig sind nachhaltige wie tief greifende Maßnahmen. Der freie Zugang zum Internet für Kinder und Jugendliche muss überdacht, das Verbreiten menschenverachtender Aufnahmen, jede Form von Gewalt verherrlichender Darstellung öffentlich geächtet und den miesen Geschäftemachern das Handwerk gelegt werden.
Dringender Handlungsbedarf besteht aber auch in der Schul- und Bildungspolitik. Mit Verboten, Strafen und Verweisen macht es sich die Staatsregierung zu einfach und lässt letztlich die Lehrer und Schüler im Stich, kritisierte Dannhäuser. Restriktive Maßnahmen verlagern die Probleme nur, lösen aber keinen Konflikt. Nötig sind:
- Mehr Sozialpädagogen und Schulpsychologen sowie mehr Ganztagsangebote
- mehr Fortbildungsangebote für alle Lehrkräfte
- Möglichkeiten zur Spezialisierung für die Diagnose und Therapie
verhaltensauffälliger Schüler
- vernetzte Systeme mit Psychologen, Ärzten, Therapeuten, Jugendämtern
- mehr Information, Austausch und Beratung an den Schulen (zum Beispiel über entdeckte Probleme wie vermuteten Missbrauch, Lernstörungen, Radikalisierung)
- Anreize für Lehrerinnen und Lehrer - erworbene Kompetenzen in pädagogischen Fragen müssten für sie Karriere wirksam sein
Es ist nicht möglich bei immer schlechteren Bedingungen immer mehr und qualifizierte Erziehungsarbeit zu leisten. Dannhäuser forderte daher eine Verbesserung der Lern- und Arbeitsbedingungen an den Schulen. Notwenig sind mehr Lehrer und pädagogische Fachkräfte, kleinere Klassen, um Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern.
Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)
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